Acht Wochen verrückt - Eva Lohmann

  • Piper Verlag
    208 Seiten
    Gebunden
    Februar 2011


    Zum Inhalt:
    Was passiert eigentlich mit Menschen, die aus psychischen Gründen nicht mehr so funktionieren wie ihre Umwelt das von ihnen erwartet? Die unter der Last ihrer angestauten Probleme irgendwann zusammenbrechen? Dieser Frage geht Eva Lohmann in ihrem autobiografisch gefärbten Debütroman nach. Ihre Heldin Mila hat ein Burnout und wird mit der zusätzlichen Diagnose "Depressionen" in eine psychosomatische Klinik eingewiesen. Dort soll sie innerhalb von sechs Wochen wieder lebenstüchtig gemacht werden. Am Schluss sind es acht Wochen, in denen Mila eine Menge Leute kennen lernt, die alle mehr oder weniger "normal" sind und mit ganz unterschiedlichen Dämonen zu kämpfen haben.


    Die Autorin:
    Eva Lohmann (Jahrgang 1981) wurde selbst schon einmal wegen Depressionen für acht Wochen in einer psychosomatischen Klinik behandelt. Sie arbeitet als Werbetexterin und Inneneinrichterin und lebt in Hamburg. Momentan schreibt die Autorin an einem zweiten Roman.


    Meine Meinung:
    Die Autorin erzählt die Geschichte in einem extrem lockeren und selbstironischen Tonfall, den ich trotz der eigentlich harten Thematik passend fand. Als Selbstbetroffene hat sie durchaus das Recht, ihre Erlebnisse auf diese Weise darzustellen. Im Grunde ist Humor wahrscheinlich der beste Weg, um mit scheinbar ausweglosen Situationen bestmöglich umzugehen und anderen die Scheu davor zu nehmen, sich mit psychischen Erkrankungen näher zu befassen. Auf mich wirkte "Acht Wochen verrückt" trotz kleiner Schwächen sehr unterhaltsam und ausreichend informativ, um einen ersten kleinen Einblick in die Abläufe in solchen Einrichtungen zu bekommen. Einige Aussagen halte ich allerdings für rein fiktiv. So glaube ich beispielsweise nicht, dass Patienten nur zwei Termine pro Tag zugeteilt bekommen und den Rest der Zeit auf der klinikeigenen Wiese liegen und vor sich hin träumen. Schließlich muss sich so eine Einrichtung sowohl für den Träger als auch das Personal und die Patienten rentieren. Behandlungen wie Gymnastik, Massagen, Fangopackungen, Wasserbäder, Gruppentherapien, Entspannungstechniken, Ergotherapie, Musiktherapie, Besuche in Kältekammern, etc. brauchen nun mal ihre Zeit. Für mich hätten der Tagesablauf und die Therapieinhalte von Mila detaillierter beschrieben werden können, damit ein wirklich realistischer und aussagefähiger Eindruck vom Klinikleben entsteht. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Bulimikerin mit einer Depressiven auf ein Zimmer gelegt werden würde – außer aus vorübergehendem Platzmangel. Soweit ich weiß, sollten gerade essgestörte Menschen während einer stationären Therapie unter Ihresgleichen bleiben, um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden. Gut gelungen fand ich hingegen die Darstellung der Beziehungen, die zwischen den Patienten entstehen. Der Aufenthalt in der Klinik ist wie ein Vakuum, das die Erkrankten zur Ruhe kommen lässt und in dem sich Menschen begegnen und einander verbunden fühlen, die sich im "realen" Leben gegenseitig wohl nicht eines Blickes gewürdigt hätten.


    Die jeweiligen Probleme der einzelnen Personen werden durch äußere Merkmale charakterisiert, ohne dass die Autorin aber auf die dahinter steckenden Motive und Auslöser näher eingeht. Milas Schwierigkeiten mit ihrem Berufsleben werden am Schluss etwas simpel und klischeehaft aufgedröselt. Manches mag einfacher sein, als es den Anschein hat, aber die meisten schwerwiegenden psychischen Störungen dürften komplexer angelegt sein als es im Buch teilweise suggeriert wird. Auch hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht. Was mich richtig geärgert hat, ist die andauernde Klassifizierung der psychosomatischen Klinik als "Klapse" und der Patienten als "Verrückte". Das ist zwar nicht ganz ernst gemeint und soll wohl flapsig rüberkommen, ist aber sachlich komplett falsch. Als "Klapse" wird umgangssprachlich immer noch die Psychatrie bezeichnet, die von psychosomatischen Einrichtungen stark abzugrenzen ist und sich mit ganz anderen Erkrankungen (Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie, etc.) befasst und keinen internistischen Ansatz hat. In diesem Punkt hätte sich Eva Lohmann besser informieren müssen.


    Abgesehen von den genannten Kritikpunkten fand ich den Roman gut aufgebaut und auch sprachlich sauber. Er ließ sich leicht lesen und ich musste angesichts vieler skurriler Begegnungen oft lachen. Denn wenn wir ehrlich sind, ist die Welt voll mit Menschen, die genau die gleichen Probleme haben. Manche haben nur kleine Ticks und Macken, andere ausgewachsene Zwangsstörungen, Phobien, Depressionen oder ähnliches. Nicht jeder ist behandlungsbedürftig oder dazu bereit. Aber die Grenzen zwischen dem, was wir gemeinhin als "normal" bezeichnen und den angeblich "verrückten" Zeitgenossen sind doch oft nicht so klar zu ziehen, wie wir es gern hätten. Ein Buch, das schwere Kost auf leichte Art vermittelt!


    _______________

  • Meine Meinung: Der Klappentext sagt nicht viel aus über die Autorin, doch recherchiert man ein wenig im Internet, so finden sich Hinweise, dass dieser Roman autobiographische Züge besitzt.


    Wie auch sonst könnte die Autorin so realistisch den Zustand der Depression schildern, in die ihre Protagonistin Mila abgeglitten ist und die sie in eine psychosomatische Klinik führt. Mila bezeichnet die Klinik als „Klapse“ und sich und ihre Mitpatienten als verrückt. Sie beschreibt sehr genau und mit einem Blick für das Wesentliche ihre Mitpatienten und ihren Therapeuten. Teilweise empfand ich es als Leser etwas respektlos , wie sie die Äußerlichkeiten und Verhaltensweisen ihrer Mitbewohner wahrnimmt und beschreibt, doch man merkt auch, dass sie sich oft nicht über die Personen lustig machen will, sondern einen Weg sucht, mit deren Erkrankungen umzugehen.


    Es ist sicherlich ein sehr interessantes Thema und gibt einen kleinen Einblick in einen Klinikalltag, über den sich nur die wenigsten Patienten im Nachhinein getrauen zu berichten, doch ich schwanke ein wenig zwischen dem Verständnis, mit der Autorin, die sicherlich wenn sie „ihre“ Therapie zugrunde legt, nicht bis ins kleinste Detail die Ursachen ihrer Depression aufzeigen will, und der Neugier beim Lesen, da mir alle Gespräche und Lösungsansätze bei diesem Krankheitsbild zu wenig in die Tiefe gehen .


    Gut gefallen haben mir die Sprache, der Wortwitz und die Art der Autorin ihre Krankheit zu beschreiben ohne in Selbstmitleid zu versinken, weniger gut kam bei mir an, dass die Klinik etwas reißerisch als „Klapse“ und die Insassen als „Verrückte“ bezeichnet werden. Leider sind solche Bezeichnungen noch oft in Verwendung, allerdings eher in Verbindung mit psychiatrischen und nicht mit psychosomatischen Kliniken.


    Das Buch lässt sich locker lesen und vermittelt einen kleinen Einblick in „eine ganz eigene Welt“. Allerdings könnte die Leichtigkeit, mit der Mila ihre Gesundung beschreibt, bei Betroffenen, die einen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik noch vor sich haben, den Eindruck erwecken, Therapie und ihre Konsequenzen seien nur ein leichter Spaziergang.


    Gern hätte ich auch noch erfahren, wie es denn nun mit Mila weiter ging. Ob sie ihre Beziehung zu ihrem Freund retten konnte und wie sich ihre Eltern nach dem Familiengespräch verhalten haben.


    Um ein Fazit zu ziehen: Ein Buch, dass sich mit viel Wortwitz einer schlimmen Erkrankung annimmt und ein wenig Licht in den Alltag einer psychosomatischen Klinik bringt. Ich habe es interessiert und gern gelesen, hätte aber einfach gern noch mehr erfahren.
    7 Punkte.

  • Meine Meinung zum Buch:



    Titel: Einfach nur der ganz normale Wahnsinn...



    Ich lese aktuell auch Bücher, die schon ewig ungelesen bei mir im Regal stehen und so eines ist das vorliegende Buch. Es ist wirklich sehr schade, dass ich so lange dafür gebraucht habe, denn der Roman ist einfach nur klasse.



    In der Geschichte geht es um Milena, die in eine psychosomatische Klinik eingewiesen wird. Sie kann einfach nicht mehr. Alles ist ihr zu viel. Aber ist sie wirklich so krank, dass sie zu all den Verrückten muss?



    Die Handlung wird uns über Milena, kurz Mila, als Ich- Erzählerin nahe gebracht. So ist man ganz nah bei ihren Gedanken und Gefühlen, was ich bei der Thematik Depressionen, Burn- out und ähnliches sehr wichtig finde.



    Die Darstellung der Klinik und des Alltags dort, habe ich als sehr realistisch empfunden. Genauso würde ich es mir dort auch vorstellen.



    Richtig gut gefallen hat mir, dass Frau Lohmann nicht nur Mila und ihre Krankheit beleuchtet, sondern auch das Schicksal von Mitpatienten thematisiert wird. Auch wird gezeigt wie die jeweilige Familie auf die Erkrankung des Patienten reagiert.



    Mich hat dieser Roman sehr nachdenklich gestimmt. Er hat sehr viele gute Ansätze, wo man als Leser selbst mal schauen könnte sein eigenes Leben etwas mehr Wert zu schätzen und mehr man selbst zu sein, statt das zu sein was andere von einem erwarten.



    Ich war wirklich betrübt als der Roman zu Ende war, denn auch wenn er so traurig war, so sprüht er dennoch voller Humor und Hoffnung.



    Solltet ihr Gelegenheit haben das Buch aus der Bibliothek oder als ein gebrauchtes Exemplar zu bekommen, dann lasst euch diese Chance nicht entgehen.



    Fazit: Trotz der schweren Thematik unterhaltsam und gleichzeitig augenöffnend. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.



    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten