Die letzte Chance: Mein Kampf für Frieden im Nahen Osten
Inhalt:
Dieses Buch ist eine wenig ein Hybridwesen, eine Mischung aus Autobiographie bis zum Erscheinen des Buches (Anfang 2011) und Betrachtungen des Königs zur Frage des Nahostkonflikts. Der Titel erklärt sich daraus, dass er der Meinung ist, dass es zu dem Zeitpunkt die letzte Chance darauf gegeben hat, zu einer friedlichen Lösung zwischen Israel und den Palästinensern zu kommen und dass, wenn sie ungenutzt verstreicht, eine weitere Generation auf beiden Seiten leiden wird.
Tja.
Abdullah wurde ziemlich von der Geschichte eingeholt. Man könnte fast sagen, dass er das Buch zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt hätte veröffentlichen können, um es praktisch sofort unaktuell werden zu lassen. Da haben wir den sog. „Arabischen Frühling“, der auch Jordanien erfasst hat und gerade eben die Rede Präsident Obamas, mit der er sich bei der Israelischen Regierung nicht übermäßig beliebt gemacht hat, bei den Palästinensern allerdings auch nicht wirklich.
Autor:
Geboren 1962 als ältester Sohn von König Hussein II von Jordanien und seiner zweiten Frau, der Engländerin Antoinette Gardiner, später Prinzessin Muna, folgte er seinem Vater 1999 auf den Thron Jordaniens. Verheiratet mit Königin Rania und Vater von vier Kindern, deren ältestes, Hussein, sein Thronfolger ist.
Meinung:
Vorangestellt sei gesagt, dass man bei diesem Buch nie vergessen darf, dass es von einem regierenden König geschrieben ist, der dies zweifellos noch gerne eine Weile bleiben würde. Von daher gibt es eine ganze Menge, was er hier nicht schreiben kann. Man kann sich fragen, warum er es überhaupt für nötig gehalten hat, dieses Buch zu schreiben. Ein Faktor mag sein, dass er hier, wie in so vielem, dem Vorbild seines überlebensgroßen Vaters Hussein gefolgt ist, der ebenfalls nach ca. 10 Jahren Regierung ein Buch veröffentlich hat, „Uneasy lies the head“. Gleichzeitig aber ist der Nahostkonflikt ein Thema, das Abdullah am Herzen liegt, am Herzen liegen muss. Denn ganz abgesehen davon, dass Jordanien und die Hashemiten in diesen Konflikt sowohl geschichtlich als auch geographisch verwickelt sind, ist es, so wie ich Jordanien verstehe, auch quasi seine Daseinsberechtigung als Land, das ohne Unterstützung von außen wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre.
Ebenfalls niemals vergessen darf man, dass Abdullah ein arabischer König ist, was eine sehr kritische Haltung zu Israel zur Folge hat. Allerdings bemüht er sich, stets zu betonen, dass es die Regierungen (ab Rabin) sind, denen seine Skepsis gilt und nicht die Bevölkerung. Ebenfalls kritisch betrachtet werden die Palästinenser und auch die Mächte, die in diesem Konflikt ausgleichend tätig sind, allen voran die USA. Da von denen jedoch auch Jordaniens Überleben abhängt, muss Abdullah auch hier höllisch aufpassen, wen er wie präsentiert.
All das macht das Buch nicht einfach zu lesen, aber gleichzeitig auch wieder höchst interesssant, weil man sich eben Gedanken darüber machen kann, warum er was wie darstellt.
Der erste Teil ist vor allem auf den autobiographischen Aspekt konzentriert, sein Leben bis zum Tod seines Vaters 1999. Hussein dominiert diesen Teil sehr, was nicht überrascht, da man zwischen den Zeilen lesen kann, dass Abdullah seinen Vater sehr verehrt hat und stets unter seiner Fuchtel war. Interessant ist hier zB wie er erzählt, dass ihm Hussein „vorgeschlagen“ hat, doch an eine Armeekarriere zu denken, wobei Abdullah freimütig zugibt, dass das mehr ein Befehl war. Kluger Mann, Hussein. Der Armeehintergrund seines letztgültigen Erben hat diesem sicher nicht dabei geschadet, König zu werden und bis heute König zu bleiben. In diesem Teil kommt der Mensch sehr viel mehr zum Vorschein als der König. Wobei auch hier natürlich vieles ungesagt bleibt, wie die Ursachen der Scheidung seiner Eltern oder die Konflikte um die Thronfolge Husseins oder die Entscheidung, seine eigene zu Gunsten seines ältesten Sohnes zu ändern. Ob er ihm damit einen Gefallen getan hat?
Der Teil über seinen Regierungsantritt liest sich etwas zwiespältig. Als Abdullah seitenweise das neue Jordanien, sein Jordanien anpreist, hatte ich zeitweilig das Gefühl, er möchte es mir verkaufen. Und dann ist da noch die Tatsache, dass die Jordanier aktuell zwar ihren König nicht stürzen wollen, aber doch gern etwas mehr Mitspracherecht hätten. Hier ist der Zeitpunkt besonders schade, weil ich gern gewusst hätte, was er dazu sagt. Aber hätte er ehrlich sein können? Wahrscheinlich nicht. Hier ist es wichtig, den aktuellen Pressemeldungen zu folgen, um ein glaubhafteres Bild zu bekommen.
Später wird es politischer, wobei es sehr interessant ist, Ereignisse wie die Kriege im Irak und ihre Folgen aus arabischer Sicht zu verfolgen, bis hin zu Jordaniens „9/11“, als am 9. November 2005 mehrere Menschen bei Selbstmordanschlägen in Luxushotels in Amman ums Leben gekommen sind.
Etwas zäh ist der letzte Abschnitt, in dem er fast minutiös das Nichtzustandekommen von zielführenden Verhandlungen zum Friedensprozess während dem Verfassen des Buches schildert.
Interessant wiederum sind seine Betrachtungen zum Islam wo er dafür apelliert, nicht die Terroristen wie Al Kaida mit dem Islam gleichzusetzen und die Bemühungen, sich davon zu distanzieren. Dass er selbst Ziel von Anschlägen war, kann man in dem Fall vielleicht als Bestätigung betrachten.
„Our last best chance“ ist ein ziemliches Flickwerk an Buch, das ich aber trotzdem mit großem Interesse gelesen habe. Was jetzt noch gut wäre, wäre eine neutralere Biographie über König Abdullah II, um das Gesamtbild zu bekommen oder gleich eine komplett andere Sicht als seine eigene, zwangsläufig wenig objektive. Aber solange man das nie vergisst ist dies ein interessantes Buch.
PS: Hier hat es sich für mich sehr gelohnt, dass ich vor zwei Jahren die Hussein II-Biographie „Lion of Jordan: The Life of King Hussein in War and Peace“ von Avi Shlaim gelesen habe, aus der ich recht viel über Jordanien im Nahostkonflikt erfahren habe. Eine gute Grundlage für dieses Buch.
PPS: Ich habe mich entschlossen, es unter politische Sachbücher einzureihen, statt unter Autobiographie, weil ich finde, dass das eher zutreffend ist.
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