Magali, du bist schuld!
ZitatOriginal von Orlando
Es geht, wie der Betreff schon sagt, um das Geschlecht des Protagonisten eines Buches.
Liegt es nicht nahe, dass der Autor sich einen gleichgeschlechtlichen Protagonisten aussucht?
Was ist, wenn er es nicht tut?
Leidet der erschaffene Charakter an der mangelnden Innensicht des Autors?
Ich halte die Vorstellung, Männer könnten keine überzeugenden Frauenfiguren und Frauen keine überzeugenden Männerfiguren schildern, für ausgemachten Stuß!
Magali erwähnte schon einige überzeugende Frauen aus der Feder von männlichen Autoren -- zu Pendants äußere ich mich erstmal nicht, weil das leicht wieder als "reines Vorurteil" ausgelegt werden kann.
Grundsätzlich sehe ich in intellektueller, kognitiver und emotionaler Hinsicht keine gravierenden Unterschiede zwischen Frauen und Männern -- schließlich gehören beide derselben Spezies "Mensch" an.
Genausogut könnte man behaupten, jüngere Autoren könnten keine überzeugenden Greise beschreiben, alte keine überzeugenden Jugendlichen uswusf.
Man kann solche Dinge schlicht recherchieren. Man kann den Text Männern (alten Menschen, Jugendlichen etc.) vorlegen und sie fragen, um eine glaubwürdige Umsetzung durch reflektierten Umgang mit dem, was man dabei erfährt, zu gestalten.
Außerdem kommt noch etwas hinzu: Kein Leser -- weiblich oder männlich -- geht als eine Art unbeschriebenes Blatt an die Lektüre eines Romans heran; jede/r bringt seine ganze Person, seine Meinungen, Wünsche, Vorstellungen, Vorurteile etc. mit in die Lektüre ein. Wenn aus den Worten des Autors in der Vorstellung der Leserin bzw. des Lesers die Geschichte neu entsteht, dann wurden alle Informationen durch diese zahllosen Schichten gefiltert. Und das ganze verläuft fast vollkommen unbewußt ab -- ebenso unbewußt wie der Prozeß des Lesens, der ja auch ein hochkomplexer Vorgang von geometrischer Gegenstandserkenntnis der Buchstaben, der Umsetzung ins Sprachliche und des Verstehens dessen, was mit diesen Worten und Sätzen gemeint ist, -- der Geschichte.
Ich kenne Frauen, für die Madame Bovary eine völlig unglaubwürdige, platte Person ist -- sie haben schlicht und einfach eine andere Vorstellung von psychologischer Tiefe etc. als andere Menschen, denen die Bovary gefällt. Und "anders" meine ich in jeder Hinsicht völlig wertungsfrei.
Aber mit "Männer sind so und Frauen sind anders" zu kommen ist in meinen Augen Chauvinismus. Und den gibt es sowohl in männlicher als auch in weiblicher Ausprägung.