Geschlecht des Protagonisten? besonders @unsere Autoren

  • Ich hatte gerade mit meinem Mann eine interessante Diskussion, aber wir kommen so allein nicht weiter, mich würde eine breitgefächerte Eulenmeinung und besonders die Meinung der Autoren hier interessieren.


    Es geht, wie der Betreff schon sagt, um das Geschlecht des Protagonisten eines Buches.
    Liegt es nicht nahe, dass der Autor sich einen gleichgeschlechtlichen Protagonisten aussucht?
    Was ist, wenn er es nicht tut?
    Leidet der erschaffene Charakter an der mangelnden Innensicht des Autors?


    Wir sind zu dieser Diskussion gekommen, weil in dem Buch, das ich gestern hier auch vorgestellt hatte Klick, mir die Protagonistin sehr flach erschien. Ich fragte dann, wie es meinem Mann mit Cinna ergangen ist; und er meinte: flach :-)


    :wow? Ich finde Cinna nun nicht flach, überhaupt nicht, eher im Gegenteil, für einen Mann hat er doch erstaunlich viel Tiefgang :lache


    Phillippa in der Magistra z.B. erscheint *mir* wiederum auch flach.


    Kein männlicher Charakter in Büchern von Virginia Woolf oder Vita Sackville-West erscheint mir flach.


    :gruebel


    Wie seht ihr das?

  • Hi!


    Bin zwar nur Leserin, aber die Frage ist sehr interessant, da ich mir darüber auch schon mal Gedanken gemacht habe. Bei mir ist es so, daß ich prinzipiell lieber über Männer lese, aber da ist mir kein Unterschied betreffs des Geschlechts des Autors/der Autorin aufgefallen. Das heißt, ich kann mit von Männern erschaffenen Männern genausogut, wie mit den von Frauen erschaffenen.
    Bei weiblichen Romanfiguren aber ist es durchaus so, daß ich sehr oft Probleme mit von Männern geschaffenen Frauen habe, die mir dann tatsächlich oft flach und klischeebeladen erscheinen. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber fast alle Romanheldinnen oder Nebenfigurinnen :-) die mich beeindruckt haben, sind von Autorinnen erschaffen worden.


    Legt man also beim eigenen Geschlecht andere Maßstäbe an, und die werden wiederum von GeschlechtsgenossInnen besser getroffen, oder ist es doch wieder von LeserIn zu LeserIn verschieden?


    Bye,


    Grisel

  • Naja, man nehme nur einmal Rebecca Gablé: Sie hat immer männliche Protagonisten und ich kenne niemanden, weder Mann noch Frau, der sie "flach" findet. Ich denke grundsätzlich ist es schon leichter, das eigene Geschlecht gut zu beschreiben, aber letztlich ist eine Sache des Schreibtalents und der Begabung.

  • Andersrum gefragt: Kennt Ihr eine gut ausgearbeitete weibliche Hauptfigur, die von einem Mann erschaffen wurde :grin?


    Ich grübel noch, aber bisher ist mir spontan keine eingefallen. :wow


    Andersrum: gut getroffene Männer von weiblichen Autoren - sehr viele (meine ich, aber wie gesagt, mein Mann findet Cinna ja auch eher flach).


    Mehr Meinungen *wart* :-)

  • Ich bin da auch eher wie Grisel. Über Männer lese ich gerenell lieber, wobei mir wurscht ist, ob der Mann von Mann oder Frau erschaffen wurde.


    Gute weibliche Hauptfiguren, die von Männern erschaffen wurde, fallen mir vor allem in der Jugendliteratur ein. Ich finde zB, dass Garth Nix' Charaktere allesamt viel Tiefgang haben. Sowohl die männlichen, als auch die weiblichen.


    Und dann muss ich natürlich meinen neuen Gott Tad Williams hier erwähnen. Seine Frauen in Otherland kommen für mich vollkommen überzeugend rüber! :anbet


    Aber das Thema an sich ist ja schon sehr interessant. Was sagen denn unsere Autoren dazu? Nach welchen Kriterien geht ihr zB vor, wenn ihr euren Protagnisten erschafft. Denkt ihr erst: So, jetzt wäre wiedermal Zeit für einen Mann, oder kommt der Charakter einfach zu euch?

  • Oh la la, eine schwierige Frage - Goethe und Schiller hatten oft weibliche Hauptfiguren :-)


    Hm, wie mache ich das selbst? In meinen drei Romanen sind bisher alle Hauptfiguren weiblich und NATÜRLICH ist es viel, viel, viel leichter, im eigenen Geschlecht zu bleiben (vor allem für uns Frauen: Der Mann, das rätselhafte Wesen ... :lache).


    Trotzdem habe ich auch schon Kurzgeschichten geschrieben, in denen die Hauptfigur dann männlich war und momentan arbeite ich an einem Roman, in dem Protagonist nicht nur männlich, sondern auch erst 13 Jahre alt ist - dafür betreibe ich relativ viel Recherche, spreche mit Jugendlichen, mit Lehrern oder höre in der U-Bahn einfach ganz genau hin, wenn ein Pulk Teenager hinter mir sitzt.


    Und: In meinen Romanen - das trifft vor allen Dingen auf "Was? Wäre? Wenn?" zu - versuche ich, jede Figur als interessantes Individuum darzustellen (bei den Nebenfiguren geht das natürlich nur begrenzt, da muss man schon häufiger zum Klischee greifen). Schließlich ist jeder Mensch anders, hat andere Wünsche, Hoffnungen, Träume, Ängste, Neurosen - wenn da alle Figuren wie ich selbst wären, würde es sehr schnell sehr langweilig werden. Also setze ich mich hin uns skizziere sie genau, fertige Lebensläufe an und wälze einige Psychologiebücher. Und manchmal frage ich dann eben einfach mal einen Mann: "Sag mal, kannst du dir vorstellen, dass ein Mann so und so reagieren würde?" Männer sprechen zum Beispiel erwiesenermaßen etwas anders als Frauen, haben oft eine andere Art, Sätze zu bilden (die Linguistik lässt grüßen!), darauf sollte man schon ein bisschen achten, wenn's ans Dialoge schreiben geht.


    Äh. Ja. So weit dazu von meiner Seite.

  • Noch zum Thema Mann oder Frau, also nach welchem Kriterium ich das Geschlecht wähle: Die Geschichte muss zu meiner Figur passen. Bei Charly in WWW ist die Achillesferse, dass sie nach ihrem ersten Mal mit ihrer großen Liebe wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wurde und alle sie nur noch als "Schlampe" angesehen haben - könnte man so eine Geschichte über einen Mann erzählen? Schwierig, denke ich. Aber manche Themen gehen in beiden Geschlechtern.

  • Zitat

    Original von Orlando
    Andersrum gefragt: Kennt Ihr eine gut ausgearbeitete weibliche Hauptfigur, die von einem Mann erschaffen wurde :grin?


    Mal abgesehen, dass der Ausdruck, eine Figur wäre "flach" ungefähr so ausdrucksstark ist, wie wenn ich sage, ein Bild sei "nicht schön", gibt es durchaus Beispiele, von denen ich nur mal eines nenen möchte:


    z.B. Maria Antoinette von Stefan Zweig



    Ich glaube, das ist viel eher ein Problem von selffullfilling prophecy. Wer beispielsweise an ein Buch herangeht, bei dem eine Frau einen Mann als Protag hat (oder umgekehrt) und sich denkt:" Na, also ich glaube ja kaum, dass eine Frau so was kann", wird sich garantiert bestätigt sehen, weil das einfacher ist, als den eigenen Irrtum einzugestehen.

  • Das artet ja fast in Arbeit aus, einem Mann Leben einzuhauchen :lache.


    Aber offensichtlich gelingt es Frauen besser.


    Mir ist immer noch kein Autor eingefallen, der glaubwürdige Frauen produziert hat.


    In Lycidas z.B. sind ja die zwei Mädels sehr aktiv, aber richtig nahe kommt man denen nicht.


  • Wo ist Iris? Das ist doch ihr Thema! :grin
    Effi Briest ist natürlich das Paradebeispiel einer Frau, die von einem Autor stammt, wie alle Frauenfiguren von Fontane. Böll hat mit Katharina Blum oder Leni in 'Gruppenbild' überzeugende Frauen geschaffen.
    Ein weiteres Paradebeispiel ist immer Madame Bovary, wobei übersehen wird, daß Flaubert ebenso breit und überzeugend Monsieur Bovary darstellt.
    Lagerlöf bringt mit Gösta Berling einen zwar schrägen, aber gutgezeichneten Helden aufs Papier, Lindgren mit Kalle Blomquist einen überzeugenden Jungen. Detektive wie Michael Sprague von L. Barnes oder Peter Wimsey von Sayers sind recht gute Schöpfungen.
    Beate Dölling hat in ihrem 'Schutzfaktor 18' zwei super Mädchen von heute.
    Kommissar Martin Beck ist eine gemeinsame Schöpfung vom Autorenpaar Sjöwall/Wahlöö.
    Für mich macht es die kreative Leistung einer Autorin/eines Autors aus, wie glaubhaft sie/er mir die Personen macht. Ich gebe zu, daß ich immer besonders neugierig bin, wenn die Hauptfigur 'gegengeschlechtlich' ist, aber dafür verteile ich in der Regel keine Sonder - Punkte. Einfühlungsvermögen erwarte ich von guten AutorInnen einfach und zwar auf höchster Ebene.
    Ich bin eine unbescheidene Leserin ;-)
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Mal abgesehen, dass der Ausdruck, eine Figur wäre "flach" ungefähr so ausdrucksstark ist, wie wenn ich sage, ein Bild sei "nicht schön", .


    Findest Du? Ich kann bei diesen Bezeichnungen keinen Zusammenhang sehen.


    Zitat

    Ich glaube, das ist viel eher ein Problem von selffullfilling prophecy. Wer beispielsweise an ein Buch herangeht, bei dem eine Frau einen Mann als Protag hat (oder umgekehrt) und sich denkt:" Na, also ich glaube ja kaum, dass eine Frau so was kann", wird sich garantiert bestätigt sehen, weil das einfacher ist, als den eigenen Irrtum einzugestehen.


    Wohl kaum, da ich gerade erstmalig bewusst darüber nachgedacht habe :rolleyes


  • eben! Und die ist bestimmt nicht flach!
    :lache

  • Effi Briest, oh je, zu lange her. Da müsste ich noch mal reinschauen.


    Madame Bovary hab ich nie gelesen, sollte ich mal tun.


    Katharina Blum :wow - ähem, och nö. Die find ich keineswegs gut getroffen.

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Lara Croft. :-)
    Ich finde der sieht man an, daß sie von einem Mann erschaffen wurde.


    :lache :lache :lache


    Nein, definitv nicht flach, für einen Hohlkörper nahezu ausladend voluminös. :grin

  • Zitat

    Original von Orlando


    :lache :lache :lache


    Nein, definitv nicht flach, für einen Hohlkörper nahezu ausladend voluminös. :grin


    Ach? :wow Die ist ein Hohlkörper? Ich hab bisher noch nicht reingeguckt. Wird die auch von innen gezeigt?


    topic:
    Nein, ich glaube, einem guten Autor gelingt die Schaffung seines Protagonisten unabhängig vom Geschlecht. Allerdings habe ich meine Bücher noch nie unter diesem Aspekt ausgesucht und untersucht.

  • Das kommt wahrscheinlich auf die Vorlieben an.


    Da ich nicht so sehr handlungsreiche Bücher mag ist bei mir die Ausarbeitung der Charaktere besonders wichtig. Normalerweise. Ausnahmen bestätigen die Regel.


    Ich hänge halt grad besonders an diesem Westfehling-Roman fest und versuche zu hinterfragen, weshalb er mir eigentlich nciht so gefallen hat (oder auch die Magistra) - es waren ja objektiv keine schlechten Bücher. Und ich bleibe immer wieder an der m.M. nach "flachen", "innenlebenlosen" Protagonistin hängen.