Die Orangen des Präsidenten – Abbas Khider

  • Edition Nautilus
    156 Seiten
    März 2011


    Kurzbeschreibung:
    Nasrija, Irak, 1989: Am Tag der letzten Abiturprüfung wird Mahdi zu einem Ausflug eingeladen. Sein Klassenkamerad Ali hat sich ein Auto ausgeliehen, und die beiden wollen das Ende der Schulzeit feiern. Doch es ist das falsche Auto, und Ali kennt die falschen Leute – die beiden werden ohne Anklage und Prozess inhaftiert.
    Mahdi stehen zwei Jahre Gefängnisalltag bevor, Hunger, Folter, Grausamkeiten, Zynismus: Zum Geburtstag Saddam Husseins wird den Häftlingen eine Amnestie in Aussicht gestellt – doch dann bekommt jeder nur eine Orange als Geschenk.
    Mahdi rettet sich in dieser Hölle durch seine Begabung zum Geschichtenerzählen. Drastisch, tragikomisch und ergreifend berichtet er Episoden aus seiner Kindheit und Jugend, besonders von der Freundschaft mit dem Taubenzüchter Sami und dem Geschichtslehrer und Literaturübersetzer Razaq.
    Der Roman lässt ein eindrucksvolles Bild des Irak der achtziger und neunziger Jahre entstehen. Nach seinem fulminanten, viel beachteten Debüt legt Abbas Khider hier seinen zweiten Roman vor.


    Über den Autor:
    Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. 1996 floh er nach einer Verurteilung aufgrund »politischer Gründe« und nach einer zweijährigen Gefängnisstrafe aus dem Irak. Von 1996 bis 1999 hielt er sich als illegaler Flüchtling verschiedenen Ländern auf, seit 2000 lebt er in Deutschland. Studium der Philosophie und Literaturwissenschaft in München und Potsdam. Lyrik in verschiedenen Publikationen. Zurzeit lebt Abbas Khider in Berlin.


    Mein Eindruck:
    Der im Irak geborene Autor Abbas Khider hat seinen lebhaften Roman „Die Orangen des Präsidenten“ auf Deutsch geschrieben.


    Es geht um den jungen Mahdi, der völlig überraschend von Saddam Hussein-Regime verhaftet, gefoltert und für 2 Jahre eingesperrt wurde. Für die Verhaftung gab es keinen Grund, außer das sein Schulfreund Ali angeblich politisch aktiv gegen das System gewesen sein sollte.
    Zwischen denn Episoden im Gefängnis werden Erinnerungen an die Kindheit und sein Aufwachsen in Babylon beschrieben. Wenn zeitlich hin- und her gesprungen wird, ist das aber in den Kapiteln durch die Jahresabschnitte gekennzeichnet und daher kann man leicht folgen.


    Mahdis Vater starb früh im Iran-Irak-Krieg. Die Luftangriffe sind ein Schock für den jungen Mahdi, es wird deutlich das seine Kindheit damit endete und die Veränderungen in der Gesellschaft und Schule nur noch in Drill und Nationalismus endet. Doch er ist ein guter Schüler, macht sein Abitur. Die Note wird er aber erst erfahren, nachdem er aufgrund politischer Änderungen aus dem Gefängnis befreit wurde.
    Wie Mahdi sich jetzt fühlt kann man sich denken, die Gedanken der Rache und wie er sie bekämpft sind gut beschrieben. Die Nachvollziehbarkeit solcher inneren Vorgänge ist wirklich eine große Stärke des Romans.


    Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen konnte der Autor den Stoff auf einfühlsame und glaubhafte Art schildern.


    Das Buch ist wieder eine gute Arbeit des Verlags Edition Nautilus und mein Monatshighlight!

  • Die Zeit? In der Zeitung oder online? Würde ich ja zu gerne lesen.


    Es gibt übrigens in der Sendung Lesezeichen Bayrisches Fernsehen ein Interview mit dem Autor, von Armin Krätzner geführt. Das ist als Video zur zeit online noch in der BR Mediathek zu sehen. hier


    Das zeigt besser als ich es ausdrücken konnte, warum ein Buch, dass von Folter und Misshandlungen handelt, doch in Teilen auch ein positives Buch sein kann. Die Persönlichkeit des Autoren ist einfach Teil des Romans!

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Die Zeit? In der Zeitung oder online? Würde ich ja zu gerne lesen.


    Ich habe gerade noch einmal gegoogelt und es war tatsächlich eine Rezension in "Die Zeit":


    http://www.zeit.de/2011/19/L-B-Khider


    Danach war ich schon überzeugt davon, das Buch kaufen zu müssen - du hast mich jetzt endgültig überzeugt! Danke auch für den Link, da schaue ich gleich mal rein.

  • Jetzt habe ich den Roman auch gelesen und auch mir hat er sehr gefallen:


    "Meine Mutter weinte, wenn sie sehr glücklich war. Sie nannte diesen Widerspruch "Glückstränen". Mein Vater dagegen war ein überaus fröhlicher Mensch, der überhaupt nicht weinen konnte. Und ihr Kind? Ich erfand eine neue, melancholische Art des Lachens. Man könnte es als "Trauerlachen" bezeichnen. Diese Entdeckung machte ich, alls mich das Regime packte und in Ketten warf."


    Damit beginnt der Roman und gleich darauf liest man eine Folterszene mit einer eher ungewöhnlichen Reaktion des Gefolterten.
    Etwa ein Jahr später nach diesem Ereignis befindet sich Mahdi, der junge Ich-Erzähler, in einem Flüchtlingslager an der irakisch-kuwaitischen Grenze und langweilt sich. Um gegen die Langeweile anzukämpfen, beginnt er, seine Geschichte aufzuschreiben:
    Zusammen mit seinem Freund Ali wird Mahdi überraschend vom Saddam-Hussein-Regime verhaftet und ins Gefängnis gebracht, wo er gefoltert wird und 2 Jahre dort verbleiben muss.
    Den Grund kennt er nicht, angeblich soll sein Freund politisch aktiv gegen das Regime gewesen sein. Aber wahrscheinlich reicht es schon aus, die 'falschen' Leute gekannt zu haben.
    Mahdi erzählt nun im Wechsel vom Gefängnisalltag, wo Folter, Platzmangel, schlechte Ernährung und Schikanen zum Alltag zählen und von seiner Kindheit und Jugend im Irak. Sein Vater stirbt im Iran-Irak-Krieg, als Mahdi neun Jahre alt ist; seine Mutter kümmert sich um ihn, aber auch sie stirbt und das Leben verändert sich für Mahdi, der nun bei seinem Onkel lebt.
    Angst vor dem System, Drill und der Krieg beherrschen die irakische Gesellschaft. Dennoch gibt es für Mahdi natürlich auch schöne Momente: die Freundschaft zu dem Taubenzüchter Sami zählt zum Beispiel dazu.
    Glaubhaft und einfühlsam erzählt Abbas Khider von den Erlebnissen des jungen Mahdi und lässt den Leser auch an dessen Gefühlswelt teilhaben, wie unter anderem die Rachegedanken, die Mahdi überkommen und beherrschen lernt. Es ist erstaunlich, dass Mahdi trotz allem nicht aufgegeben hat und an die Zukunft zu glauben scheint.
    Abbas Khider hat selbst zwei Jahre in einem irakischen Gefängnis gesessen und konnte somit seine Erfahrungen mit in diesen lesenswerten Roman einfließen lassen.
    Seinen Debütroman werde ich mir sicher auch noch kaufen.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Ich schließe mich an, dass mir der Roman auch gut gefallen hat - wirklich begeistern oder geschweige umhauen konnte er mich aber nicht wirklich. Ich glaube, ich hatte vor allem sprachliche meine Probleme. Manche Formulierungen, Wendungen, Bilder haben mir einfach nicht gefallen, wirkten ungelenk, nicht passend. Blumig und poetisch waren noch Wörter, die mir beim Lesen durch den Kopf gingen.
    Die Geschichte ist natürlich beeindruckend. Die Szene, die mir am besten gefallen hat, wird durch den Titel vorweggenommen und ich werde sie wohl noch eine Weile im Gedächtnis haben.