Vom anderen Ende der Welt - Liv Winterberg

  • Mary Linley wurde von ihrem Vater zur Botanikerin ausgebildet. Doch als Frau kann sie ihr Können nicht unter Beweis stellen. Und so nimmt sie all ihren Mut zusammen, verkleidet sich als Mann und tritt eine abenteuerliche Reise auf Bord des Forschungsschiffes „Sailing Queen“ an..


    Zuerst muss ich diese ganzen liebevollen Details des Buches erwähnen: ein tolles Cover, ein ausführliches Personenregister, eine Landkarte, ein Glossar und ein Nachwort inklusive einem kurzen Abriss von Jeanne Barets Leben, auf deren Geschichte das Buch basiert (dieses aber unbedingt erst am Schluss lesen).


    Mein erster Gedanke bei diesem Buch war: Wieder eine Geschichte, bei der sich die Frau als Mann verkleidet und sie eine abenteuerliche Reise antritt.. Doch ich wurde wirklich positiv überrascht, da sich dieses Buch erheblich von anderen unterscheidet.
    Hier geht es um Abenteuer, das Leben auf dem Schiff und um lauter unterschiedliche Menschen – der ein oder andere wächst einem richtig ans Herz. Außerdem ist die Geschichte sehr gut recherchiert, das merkt man sofort. Alles ist ziemlich realistisch beschrieben, sodass ich das ein oder andere Mal richtig Gänsehaut bekommen habe. Teilweise ist die Geschichte etwas vorhersehbar, dennoch tauchen immer wieder überraschende Wendungen auf.
    An manchen Stellen hätte ich mir etwas ausführlichere bzw. längere Beschreibungen einer Situation gewünscht und weniger so wechselhafte Sprünge - das sind jedoch nur Kleinigkeiten, die nicht weiter stören.


    Liv Winterberg hat einen sehr angenehmen und flüssigen Schreibstil. Immer wieder taucht in Kursivschrift die Gedanken der Protagonisten auf, welches die Geschichte noch authentischer wirken lässt.


    Ein wirklich tolles Buch, welches ich sehr gerne gelesen habe und welches bestimmt mein Monatshighlight wird.


    Fazit: Ein sehr empfehlenswerter, abenteuerlicher, historischer Roman, von dem ich sehr begeistert war. Ich vergebe 10 von 10 Punkten :wave

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Ich habe das Buch im Rahmen der Testleserunde lesen dürfen, die von der Autorin Liv Winterberg begleitet wurde.


    Schon der äußere Eindruck des Buches ist toll. Mir gefiel das Format (wobei ich mich auf das Leseexemplar beziehe) und der Mix aus mattem Untergrund mit glänzenden Highlights. Eine wirklich sehr gelungene Aufmachung, die auch innen hält, was sie außen verspricht. Leider wurde im Leseexemplar auf die Karte verzichtet, auf der die Reiseroute eingezeichnet ist, umso erfreulicher, dass sie in der Buchhandelsausgabe dann enthalten ist, ich finde es gerade bei einer Reise schön, wenn der Weg visualisiert wird.


    Zum Inhalt des Buches wurde schon so viel gesagt, deshalb beschränke ich mich auf meine Meinung zum Buch.


    Mich haben beide Aspekte, Botanik und Seefahrt, gereizt. Beides war wunderbar von der Autorin recherchiert und die Hauptfigur Mary Linley vom Leben der Jeanne Baret inspiriert. Das Buch zeigt die Härte des 18. Jahrhunderts in Bezug auf Frauen und deren Willen aus Ausübung eines Berufs, aber auch der Alltag auf einem "Forschungsschiff" wird sehr realitätsnah ungeschönt dargestellt.
    Eine sich anbahnende Liebesgeschichte wird zuerst nur durch die Gedanken der Protagonisten eingewebt und erst kurz vor Schluß bekennt sich das Paar zueinander, die gemeinsame Zeit wird allerdings nur sehr kurz dargestellt (der Geschichte geschuldet).


    Mir haben die kurzen Kapitel mit den Überschriften zu Ort und Datum sehr gut gefallen. Ich wusste immer sofort, wo das Schiff sich gerade befindet oder ob es sich um einen "Kurzbericht" aus England handelt.


    Zu Mary konnte ich jetzt keine sonderliche Bindung aufbauen, dennoch war sie mir sowohl in Hosen als auch im Kleid wie nackt auf Tahiti sympathisch. :grin
    Berührt hat mich die Geschichte um den kleinen Seth, der einfach liebenswert ist und viel zu früh seinen Mann auf dem Schiff stehen musste.


    Ein bisschen mehr zur Botanik hätte ich mir gewünscht, allgemein hätte der Teil, der auf Tahiti spielt für mich etwas ausführlicher sein können. Dies aber wirklich nur am Rande, mir hat das Buch trotzdem ganz wunderbar gefallen. Es ist ein schöner Abenteuerroman über Seefahrt, Forscher und Wissenschaftler im 18. Jahrhundert, in dem auch Romantik und Liebe eine Rolle spielen, aber eher untergeordnet und in keinem Fall kitschig.


    Ich freue mich jetzt schon auf weitere Bücher von Liv Winteberg und gebe diesem Roman 9/10 Punkten. :wave

  • Ich habe das Buch auch im Rahmen der Testleserunde gelesen und hätte mich ohne die LR wohl von der "Frau in Hosen" Thematik abschrecken gelassen und damit ein gutes Buch verpasst.


    Mary ist eine abslout überzeugende Hauptfigur, die mir von Anfang an gut gefallen hat, auch weil sie auf einer realen historischen Persönlichkeit beruht.


    Die Liebesgeschichte nimmt nur einen relativ kleinen Teil der Geschichte in Anspruch, ist aber absolut passend, vom Klappentext her, hatte ich das anders erwartet.
    Die verschiedenen Exkursionen der Forscher und der Aufendhalt auf Tahiti hätten allerdings ruhig ausführlicher beschrieben sein können.


    Positiv ist mir auch die Aufmachung des Buches, mit Personenregister, Karte, Glossar und Nachwort, aufgefallen.

  • Auch ich habe „Vom anderen Ende der Welt“ von Liv Winterberg im Rahmen einer Testleseraktion lesen dürfen und ich bin mehr als begeistert von dem Romandebüt der Autorin.


    Mary Linley nimmt uns mit auf eine Reise ans Ende der Welt. Ein spannendes und interessantes Abenteuer erwartet uns. Nebenher erfahren wir viel über das damalige Leben in England, Seefahrt, Forschung, Flora und Fauna und das Leben und Denken der Menschen aus Tahiti.


    Die Autorin hat einen angenehmen Schreibstil, der mich schnell in die Geschichte gezogen hat. Man merkt dem Buch die gute Recherche und die Liebe zum Detail an. Die Protagonisten sind mir sehr ans Herz gewachsen. Ich habe im Laufe der Handlung mit ihnen gefühlt, mich mit ihnen gefreut und gelitten.

    Zudem ist das Buch wirklich schön gestaltet. Eine aufwendige Klappbroschur mit schönen Details (Glanzlack und Erhebungen auf dem Cover) macht neugierig auf den Inhalt des Buches. Die Personenübersicht und die Karte mit der Reiseroute der Sailing Queen vereinfach die Übersicht. Außerdem ist ein Glossar angehängt.


    Alles in allem ein wahrer Lesegenuss, den ich nur empfehlen kann. Ich vergebe für dieses Buch 10 von 10 Punkten und warte gespannt auf den nächsten Roman von Liv Winterberg.

  • Das wunderschöne Cover und der einzigartige Titel haben mich von Anfang an neugierig gemacht und so erwartete ich gespannt die Leseprobe. Doch es folgte eine Enttäuschung: Genau wie der Klappentext wiesen auch die ersten Kapitel auf eine typische Historienschmonzette hin. Doch nach der Lektüre des gesamten Buches kann ich erleichtert sagen: Zum Glück täuschte dieses vorschnelle Urteil!


    Neben der sehr dezent gehaltenen Liebesgeschichte und der persönlichen Entwicklung der jungen Mary bietet das Buch einen fundierten Einblick in die Zeit des späten 18. Jahrhunderts. Gesellschaftliche Zwänge werden genauso wenig ausgespart wie ein Einblick in die damalige Forschung vor allem im Bereich der Medizin und die Erkundung neuentdeckter Gebiete und Völker. Der Seefahrt ist sehr viel Raum gewidmet, daneben findet auch die Botanik ihren Platz, wobei ich mir davon allerdings etwas mehr erhofft hätte. Ein Roman, der den Namen „historisch“ wirklich verdient! Das Buch liest sich kurzweilig, unterhaltsam und sehr flüssig. Mit knapp 400 Seiten ist es ein eher dünner historischer Roman, doch für mich war alles dabei, was ein gutes Buch haben muss.


    Neben der eigentlichen Hauptperson, Mary, gibt es für mich eigentlich eine „heimliche“ Hauptperson, und zwar den Schiffjungen Seth. Dieser kleine Kerl ist mir ans Herz gewachsen und stand mir emotional viel näher als die unnahbare Mary, zu der ich trotz ihrer ausformulierten Gedanken wenig Bezug hatte. Aus Seths Augen konnte ich die Härten der damaligen Seefahrt, die Faszination fremder Inseln oder die Trauer beim Tod geliebter Menschen hautnah miterleben. Abwechslungsreich sind die Gedanken der Ureinwohner Tahitis, die so eine ganz andere Weltsicht schildern.


    Es gibt ein sehr rundes und schlüssiges Ende, das sich wohltuend von den kitschigen Schnulzenenden anderer Historienromane abhebt. Das Ende greift den Anfangsteil wunderbar auf und führt ihn weiter. Diese abgerundete Dramaturgie fehlte mir aber im großen Mittelteil der Geschichte. Dort sind die einzelnen Kapitel sehr episodenartig erzählt (auch wenn sie natürlich alle zusammengehören), fließendere Übergänge hätte meiner Meinung nach besser gepasst.


    Fazit: Ein gelungenes Debüt, das mir vor allem wegen seiner anschaulichen Schilderung der Seefahrt und der Forschung der damaligen Zeit gefallen hat, die eigentliche Handlung trat dagegen etwas in den Hintergrund.


    7 von 10 Punkten

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Auch ich habe das Buch im Rahmen der Testleserunde gemeinsam mit der Autorin gelesen.
    Nachdem hier bereits viele sehr fundierte Rezensionen stehen, möchte ich mich auf die (für mich) wesentlichen Punkte beschränken.


    Da wären zum einen die wirklich schöne Aufmachung des Buches: das Cover, aber auch Karte und Glossar im Inneren. Positiv fand ich auch, daß das Buch nicht "Die Botanikerin" hieß und sich alleine dadurch von der Masse abhob.


    Gefallen hat mir auch, daß man dem Buch die umfangreiche Recherche der Autorin auf jeder Seite angemerkt hat. So erschien die Geschichte sehr nah und lebensecht.


    Und hervorheben möchte ich auch das Ende des Buches, denn ich empfinde es als sehr stimmig. Hätte die Autorin versucht ein gefälligeres Ende hin zu drehen, hätte es für mich den Lesespaß im Nachhinein doch sehr getrübt.


    Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen. Für Unentschlossene: vielleicht kann man es am ehesten mit Nicole Vosselers "Südwinde" (oder auch dem unbekannteren "Kaffee oder das Aroma der Liebe" von Anthony Capella) vergleichen. Ich werde die Autorin jedenfalls weiter im Auge behalten.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • auch ich habe an der Leserunde mit Autorin teilgenommen und möchte - wenna uch leider etwas verspätet - noch meine Anmerkung machen.


    Zum Inhalt ist denke ich alles schon gesagt.


    Das Buch ist mir schon länger vor dem Erscheinungsdatum durch sein schön gestaltetes Cover aufgefallen, und auch wenn die historischen Romane nicht mein bevorzugtes Genre sind, war klar, dass ich es auf jeden Fall lesen wollte.


    Und es hat sich wirklich gelohnt. Das Buch war sehr interessant, spannend und wunderbar kurzweilig erzählt.


    Die Leserunde mit den Erläuterungen der Autorin machten es zusätzlich zu einem Highlight.

  • Das Buch war sicher sehr kurzweilig und ich hatte es in wenigen Tagen durch. Dadaurch bleibt es leider aber auch ein bisschen oberflächlig. Es hätte meinetwegen ruhig doppelt so lang sein können. Besonders die Botanik/Biologie kam mir im Lauf des Buches viel zu kurz, schade, da hatte ich mehr erwartet. Wer einen gut zu lesenden und nicht anstrengenden, dafür vielleicht aber auch weniger faszinierenden, historischen Roman sucht ist hier richtig. Für alle, die von einem historischen Roman erwarten, dass man sich richtig in der Zeit verlieren kann, gibt es bessere ;-) Vielleicht hätte ich das Buch auch nicht direkt im Anschluss an Dunnetts "Gemini" lesen sollen ;-)
    Aber so schlimm wie es sich anhört ist es auch nicht, wie gesagt, man kann es wunderbar nebenher weglesen :-)

  • Das Buch fand ich spannend und informativ geschrieben mit einem Hauch Romantik. Es las sich so weg und hat mir ein paar schöne Lesestunden beschert und das Cover ist sehr schön gestaltet.


    Man erfährt zwar nicht so viel über die Botanik aber dafür über die damalige Zeit, das Schiffsleben und die Medizin. Ein schöner historischer Roman in denen die Hauptfigur Mary viele Höhen und Tiefen durchlebt und die Liebe kennenlernt.


    Ich vergebe 10 Punkte.

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern nur weitere Details über Personen und Handlungsverlauf.


    * * *


    Liv Winterberg: Vom anderen Ende der Welt – Roman, München 2011, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-24847-1, Softcover/Klappenbroschur, 445 Seiten, Format: 21 x 13,2 x 4,4 cm, EUR 14,90 (D), EUR 15,40 (A)


    „Jetzt wissen alle, dass du, eine Frau, zeichnest, katalogisierst und sammelst, aber du tust es allein. Niemand spricht mehr mit dir. (...) Was nützt es, Grenzen zu überschreiten, wenn dahinter niemand mehr ist, der dir begegnet?“ (Seite 333)


    Plymouth, spätes 18. Jahrhundert: Der Arzt und Botaniker Francis Linley muss ein ungewöhnlich fortschrittlicher Mann gewesen sein, denn er hat, entgegen der Gepflogenheiten seiner Zeit, seine Tochter Mary zur Botanikerin ausgebildet. Auch über medizinische Kenntnisse verfügt sie.


    Jetzt ist Francis Linley nach menschlichem Ermessen tot: Das Forschungsschiff, mit dem er unterwegs war, ist bei Kap Hoorn zerschellt. Seit 7 Monaten wartet seine 19-jährige Tochter nun wider besseren Wissens auf seine Rückkehr.


    Mary ist derzeit in der Obhut ihrer Tante Henriette Fincher, der Schwester ihres Vaters. Der knapp 30-jährigen Witwe wird die Verantwortung für ihre Nichte schnell zuviel. Sie tut das damals Naheliegende und versucht, Mary schnellstmöglich gut zu verheiraten. Das allerdings ist nicht in Marys Sinn. Am liebsten würde sie die Arbeit ihres Vaters fortsetzen, die Welt bereisen und erforschen, Pflanzen sammeln, dokumentieren und katalogisieren. Doch als sie sich mit ihrer Arbeitsmappe beim Navy Board vorstellt und für den Posten eines botanischen Mitarbeiters auf dem Forschungsschiff „Sailing Queen“ bewirbt, fliegt sie in hohem Bogen hinaus.


    Ach, wenn die doch nur ein Mann wäre! Aber sie kann sich nun mal in keinen verwandeln. Ein Präparat aus der Sammlung ihres Vaters bringt sie schließlich auf eine Idee: Ein Blattschmetterling, der seine Flügel schließt, sieht aus wie ein getrocknetes Blatt. Perfekt in seiner Nachahmung und Anpassung. Mary muss gar kein Mann sein – es reicht, wenn ihre Mitmenschen sie für einen halten!



    Indischer Blattschmetterling (Indian Dead Leaf). Bild anklicken, dann wird’s größer! *


    Jetzt geht’s schnell: Haare abschneiden, Brust platt bandagieren, Kleidung des Vaters anziehen, ein bisschen Dreck ins Gesicht schmieren, mit einem Halstuch das Fehlen des Adamsapfels kaschieren, und aus Mary Linley wird Marc Middleton, der anstandslos als botanischer Zeichner für die Expedition der „Sailing Queen“ engagiert wird, wo er dem Botaniker Carl Belham und dessen Gehilfen Franklin Myers zuarbeiten soll. Geschafft!


    Doch mit der Seefahrerromantik ist es nicht weit her. Es fängt damit an, dass der brutale Bootsmann Kyle Bennetter Marc/Mary nicht, wie vereinbart, auf dem Achterdeck bei den Wissenschaftlern einquartiert, sondern im Mannschaftsdeck bei den Matrosen. Und natürlich ist „Marc“ mit jeglicher Seemannstätigkeit überfordert, was „ihm“ gleich mal Prügel einträgt. Nur Henry, der Smutje und der kleine Schiffsjunge Seth sind freundlich zu Mary.


    Sir Carl Belham erweist sich zum Glück als kompetenter und angenehmer Vorgesetzter und als charismatischer Mann. Franklyn Myers, der botanische Assistent, der Mary angeheuert hat, ist ein sympathischer Kollege.



    Kaum vier Wochen ist die „Sailing Queen“ unterwegs, als Marys Tarnung schon auffliegt. Franklin Myers kommt hinter ihr Geheimnis. Doch er verrät sie nicht. Dafür hat er Gründe: 1. würde er als Trottel dastehen, weil er es war, der Mary eingestellt hat. 2. sind Carl und er auf den Zeichner angewiesen und wollen ihn nicht verlieren. Und 3. gibt’s auf dem Schiff auch so schon genügend Probleme. Da muss nicht noch durchsickern, dass eine Frau an Bord ist. Also läuft alles weiter wie bisher.


    In Rio de Janiero gehen die Exkursionsteilnehmer heimlich von Bord, weil der königliche Statthalter Brasiliens der Manschaft jeglichen Landgang untersagt hat. Legal oder illegal – Mary ist selig. Sie ist auf einem fremden Kontinent und erforscht die dortige Vegetation! Ganz ohne Kulturclash gehen solche eine Forschungsarbeiten natürlich nicht ab: Die Begegnung der prüde erzogenen Engländerin mit den nahezu unbekleideten „Wilden“ Feuerlands hat durchaus ihre komischen Seiten.


    Von den Exkursionen abgesehen gibt es auf dieser Reise nicht viele Glücksmomente. Die christliche Seefahrt ist rau. Der beengte Lebensraum und die zusehends verrottenden Nahrungsvorräte werden immer unerträglicher, je länger die Reise dauert. Die Mannschaft hat nicht nur mit den Naturgewalten zu kämpfen, sondern auch mit allerlei Krankheiten. Nachdem der Schiffsarzt ausfällt, übernehmen die Botaniker mehr schlecht als recht die gesundheitliche Versorgung der Mannschaft. Gegen viele Leiden sind sie machtlos, und die Mannschaft hat hohe Verluste zu beklagen. „Vater, dachte sie und unterdrückte die wieder aufsteigenden Tränen. Du hast mir nie erzählt, wie schlimm es auf solch einer Reise wirklich ist.“ (Seite 260)


    Als sie im April 1786 vor Tahiti segeln, erfährt Mary, dass Carl Belham im Auftrag der Royal Society auf den Inseln bleiben wird um seine Forschungsarbeiten vor Ort fortzusetzen. Erst in ein bis zwei Jahren soll er wieder abgeholt werden. Er fragt Mary, ob sie nicht als Assistent/in bei ihm bleiben möchte. Das wäre die Erfüllung all ihrer beruflichen Träume! Aber kann sie ihm zusagen? Sie fühlt sich von Carl angezogen, aber er hält sie ja für einen Mann! Doch Mary weiß nicht, was der Leser weiß: Carl ist längst im Bilde ...


    Wird’s ein Happy End geben? Nun ja ... in gewisser Weise ... vielleicht. Das Leben ist kein Kitschroman, und Liv Winterbergs Buch basiert lose auf der Lebensgeschichte der französischen Botanikerin Jeanne Baret, die 1768 als angeblich männlicher Assistent des Botanikers Commerson um die Welt gesegelt ist. Warum die Autorin nicht gleich Barets Geschichte erzählt hat? Vermutlich, weil ihr ein Roman mit fiktiven Personen mehr dichterische Freiheit gelassen hat.


    Liv Winterberg arbeitet unter anderem als Drehbuchautorin und Rechercheurin. Beides merkt man dem Buch an. Lebendig, anschaulich und ereignisreich läuft die Fahrt der „Sailing Queen“ vor dem Leser ab. Und ohne dass „Infodumping“ betrieben wird, spürt man, dass die Autoren sich intensiv mit Seefahrt, dem damaligen Stand der Wissenschaft und der Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat.


    Zum Thema „Recherche“ sagt sie in einem Interview mit dtv: „ Zahlreiche Bücher, die sich mit den Themen der Entdeckungsfahrten, Botanik, Heilkunde, Schiffsbau usw. befassten, habe ich gelesen, teilweise mehrfach. Zudem habe ich verschiedene Museen besucht, in Berlin haben wir ja eine große Auswahl. Hierzu gehörten auch, was bei dem Thema nahe liegend ist, einige Besuche in den Botanischen Garten. Weiterhin habe ich Filme und Dokumentationen geschaut, Reiseführer verschlungen und Zeitungen durchforstet. Entscheidend waren aber oft die Auskünfte von Experten, die mir immer wieder Frage und Antwort standen, zum Teil sogar den ganzen Roman gelesen haben.“
    Quelle: http://www.magazin.dtv.de/inde…011/06/15/liv-winterberg/


    Ein Glossar im Anhang des Romans erläutert dem Leser zentrale Begriffe, deren allgemeine Bekanntheit nicht vorausgesetzt werden kann. In diesem Anhang findet man auch Informationen über das reale Vorbild für den Roman: die Botanikerin Jeanne Baret.


    Auch wenn die Personen nicht bis in ihre allerletzten Seelenwinkel psychologisch ausgeleuchtet werden, haben wir alles andere als eine oberflächliche Hosenrollen-Schmonzette vor uns. „Vom anderen Ende der Welt“ schildert mitreißend und realitätsnah, wie eine mutige Protagonistin ihrem Antagonisten – der Gesellschaft ihrer Zeit – die Stirn bietet und ihren eigenen Weg geht.


    Die Autorin:
    Liv Winterberg, 1971 in Berlin geboren, studierte Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet für Film und Fernsehen als Drehbuchautorin und Rechercheurin. Mit ihrer Familie lebt sie in Berlin. „Vom anderen Ende der Welt“ ist ihr erster Roman.


    * ) Foto: feline groovy / flickr.com. You are free to Share — to copy, distribute and transmit the work under the following conditions: Attribution — You must attribute the work in the manner specified by the author or licensor (but not in any way that suggests that they endorse you or your use of the work). What does "Attribute this work" mean? The page you came from contained embedded licensing metadata, including how the creator wishes to be attributed for re-use. You can use the HTML here to cite the work. Doing so will also include metadata on your page so that others can find the original work as well. Noncommercial — You may not use this work for commercial purposes. No Derivative Works — You may not alter, transform, or build upon this work.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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  • Ich kann mich den lobenden Äußerungen hier nur anschließen. Zum Inhalt wurde bereits viel gesagt: Ein rundherum zufriedenstellendes Leseerlebnis mit allem, was an zusätzlichen Informationen für den Leser interessant sein könnte und einem überaus geschmackvollen Cover. Die ausgelatschte "Mädchen-in-Hosen"- Geschichte wurde in dieser gut recherchiert und deshalb glaubwürdig wirkenden Erzählung sehr ansprechend nahegebracht. Interessant war auch, dass diese Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht hat. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen und habe 9 Punkte vergeben.

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Bei der Lektüre eines Historischen Romans muss sich der Leser immer die Gepflogenheiten der Zeit in der der Roman spielt ins Gedächtnis rufen und wenn möglich eine gedankliche Zeitreise unternehmen. Die Gleichberechtigung der Frauen ist so eine Angelegenheit die sich erst in den letzten paar Jahrzehnten durchgesetzt hat und zwar sowohl gesellschaftlich als auch gesetzlich. Im ausgehenden 18. Jahrhundert war das Bild der Frau ein gänzlich anderes und niemand wäre ernsthaft auf die Idee gekommen dieses in Frage zu stellen oder zu verändern.


    Es gab immer wieder Frauen die dem traditionellen Rollenmodell trotzten und sich als Mann verkleidet in waghalsige Unternehmungen begaben. Eine davon ist Jeanne Baret die als Historische Figur Pate stand und an deren wahren Geschichte sich diese Erzählung rund um die fiktive Person Mary Linley orientiert. Die Autorin verzichtet bewusst Jeanne Barets Leben biografisch zu schildern und nimmt sie „nur“ als Inspiration unter anderem um mehr gestalterische Freiheiten zu haben.

    Meine kurze Inhaltsbeschreibung


    Wohlbehütet und von Wissenschaft umgeben wächst Mary in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Im Hause Linley gibt es ein seltenes Naturalienkabinett mit einer ansehnlichen Sammlung ausgestopfter Tiere, gepresster Pflanzen, ein sogenanntes Herbarium und unzähligen Zeichnungen davon. Ihr Vater behandelt sie entgegen gesellschaftlichen Gepflogenheiten wie einen Jungen und zeigt ihr die faszinierende Welt der Botanik und die eng damit verflochtene Medizin. Als Marys Vater von einer Forschungsreise nicht mehr zurückkehrt wird das Haus und die Wunderkammer verkauft und Mary ihrer Passion und Erinnerungen beraubt. In einer Art Kurzschlussreaktion schneidet sie sich die Haare ab, zieht Männerkleidung an, mit etwas Dreck im Gesicht werden die weiblichen Gesichtszüge kaschiert und mit einem Halstuch der fehlende Adamsapfel verdeckt. Sie schafft es auf einem Forschungsschiff anzuheuern und geht auf eine tollkühne Reise ans andere Ende der Welt...


    Meine Meinung


    Dies ist eines jener Bücher die zeigen wie unterschiedlich die Geschichte die sie erzählen vom Leser wahrgenommen werden kann. Es gibt mehrheitlich begeisternde Rezensionen aber doch auch einige kritische. Ich geselle mich zu denjenigen denen der Roman nicht ganz so gut gefallen hat. Ich habe das Gefühl das die Autorin das Potential der Geschichte nicht ausschöpft und bis auf zwei Figuren bleiben mir die Protagonisten insgesamt zu blass und irgendwie ungreifbar. Es gibt zwar einige Schicksalsschläge aber diese sind durch die Handlung bedingt und kompensieren den fehlenden Tiefgang der Figuren nicht.


    Positiv zu erwähnen sind die Details rund um die Seefahrt und den Vorgängen an Bord des Schiffes. Hier spürte ich die Recherchearbeit der Autorin und es hat etliche gelungen Passagen.


    Der Sprachstil ist gefällig, flüssig zu lesen stellt aber keinen besonders grosse Anforderungen an den Leser. Er gleitet mir stellenweise ins zu süsse ab und im zweiten Teil des Romans fühle ich mich dann gar nicht mehr wohl. Für mich zu romantisch und der Handlungsstrang auf Tahiti mit Owahiri und seiner Familie bedient dann alle gängigen Klischees. Auch wenn ich mich jetzt möglicherweise in die Brennnesseln setze und es nicht ins Jahr 2011 passt, erlaube ich mir doch zu schreiben, dass sich dieses Buch eindeutig an die weibliche Leserschaft richtet. Ich bewerte den Roman mit 6 Punkten.


  • Liv Winterberg ist wirklich ein genialer Debütroman gelungen. Sie erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die das Ziel hat als Botanikerin auf einem Forschungsschiff zu reisen. Als Frau hat man da natürlich schlechte Chancen im England des 18. Jhd.. Als Mann verkleidet begibt sie sich auf die große Reise und erlebt dort allerhand. Schönes und weniger Schönes.


    Ich habe das Buch verschlungen. Die Personen sind mir ans Herz gewachsen, die Orte waren gut dargestellt und die Sprache empfand ich sehr angenehm zu lesen. Ein paar Punkte Abzug vergebe ich, weil ich gerne mehr über Marys Arbeit erfahren hätte, das ging mir nicht tief genug.


    Sehr überrascht war ich, dass die Geschichte auf wahre Begebenheiten beruht.
    Glückwunsch, Frau Winterberg zu diesem grandiosen Start. Ich wünsche mir mehr von diesen Büchern.


    Fazit: Interessante, gut erzählte Unterhaltung. Ich vergebe 8 Punkte.

  • Zuallererst möchte ich das wunderschöne Cover erwähnen, weshalb ich überhaupt aufmerksam wurde auf das Buch. Es ist sehr ansprechend gestaltet und lädt durch seine Aufmachung bereits in fremde Welten ein.


    Die Geschichte von Mary Linley ist der Botanikerin Jeanne Baret nachempfunden, die es wirklich gab und wohl die erste Frau war, die die Welt umsegelt hat, wenn auch als Mann verkleidet.
    Ich konnte mir ein sehr gutes Bild vom Alltag auf dem Schiff Sailing Queen bilden, dass viele Entbehrungen mit sich brachte. Schimmliges Brot und gammliges Essen war an der Tagesordung, Sauerkraut gehörte zur Dauerverpflegung (gegen Skorbut) und die rauhe See hatte es auch in sich.


    Liv Winterberg versteht es den Leser in diese Welt hineinzuziehen, man leidet mit dem kleinen Schiffsjungen Seth genauso mit, wie mit dem Zimmermann Bartholomäus, denen Unglück widerfährt. Auch Mary muss etliche Schicksalsschläge ertragen, bevor sie wieder nach Plymouth zurückkehrt.


    Ich hatte anfangs erwartet, mehr von der Landschaft und den Bewohnern fremder Länder zu erfahren, dem war nicht so, viel der Erzählung handelt vom Leben auf dem Schiff. Das Sammeln und katalogisieren der Fauna und Flora werden eher am Rande abgehandelt. Dennoch ist das Buch unheimlich spannend, abenteuerlich und mitreissend, ich habe im Endeffekt nichts vermisst.


    Absolut empfehlenswert!
    Ich freue mich auf weitere spannende Bücher der Autorin.

  • Mich haben die Schilderung des Lebens auf einem Schiff zu der Zeit, auch die Botanischen Entdeckungen, die hier genannt werden, sehr interessiert. Es war außerdem mal wieder ein Thema, was noch nicht so sehr ausgeschlachtet ist.
    Das Cover ist zudem sehr schön.


    Trotzdem hat mich das Buch ein wenig deprimiert zurückgelassen, denn auch wenn die Toten entweder historisch verbürgt oder der Geschichte zuträglich waren, tat mir so manches Schicksal doch sehr weh.


    Von mir 8 Punkte.

  • Auch ich bin ausgesprochen angetan von Liv Winterbergs Debütroman. Solide recherchiert und an reale Biografien angelehnt schildert Wintergerg die abenteuerliche Reise der jungen Mary Linley spannend und anschaulich. Ein historischer Roman, der sich angenehm wohltuend vom üblichen "Heldin steht in ungewöhnlicher Rolle ihren Mann"-Kitsch abhebt. Einziger Wermutstropfen: von der botanischen Forschungsarbeit auf Tahiti hätt' ich gern mehr erfahren, aber das hätte sicherlich den Umfang des Romans gesprengt. Von mir gibt's für das schön gestaltete Buch 9 von 10 Punkten!