Tor der Tränen - Abdourahman A. Waberi

  • OT: Passage des larmes
    Aus dem Französischen übersetzt von Katja Meintel


    Erschienen März 2011



    Kurzbeschreibung:
    Dschibril ist in Kanada ein neuer Mensch geworden, das Land seiner Kindheit ist für ihn nur noch fremd und staubig. Als Angestellter der Informationsagentur »Adorno Location Scouting« muss er für einige Tage nach Dschibuti zurückkehren: Frankreich, die USA und Dubai machen einander das Stück basaltener Erde an der »Tor der Tränen« genannten Meerenge streitig. Als Dschibril in Dschibuti ist, reißen alte Wunden wieder auf, die Geister seiner Familie verfolgen ihn, sein Rechercheauftrag kommt nicht recht voran. Jeden Tag irrt er ein wenig weiter auf den gefährlichen Pfaden der Erinnerung.


    Über den Autor:
    Abdourahman A. Waberi wurde 1965 in Dschibuti geboren. Nach seinem Studium der englischen Literatur lehrt er heute als Professor am Wellesley-College nahe Boston; von 2006-07 war er Gast des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Berlin. Waberi gilt als Nationalschriftsteller Dschibutis. Sein Roman Cahier nomade wurde mit dem »Grand prix littéraire d'Afrique Noire« ausgezeichnet. Auf Deutsch erschienen von Waberi bisher Die Legende von der Nomadensonne und Die Schädelernte sowie In den Vereinigten Staaten von Afrika.
    Waberis Werke wurden in mehr als acht Länder verkauft und die Zeitschrift Lire zählt ihn zu den 50 wichtigsten und einflussreichsten zeitgenössischen Autoren.
    Mehr Informationen zum Autor: www.abdourahmanwaberi.com


    Mein Eindruck:
    Romane, die in Dschibuti angesiedelt sind, liest man nicht jeden Tag. Und wie auch die Nachbarländer Äthiopien, Eritrea und Somalia ist Dschibuti ein armes Land, isoliert und mit fehlenden Perspektive.
    Dschibuti ist außerdem ein Land, das zwischen islamitischen und westlichen Einflüssen schwankt. Das gibt auch das Thema des Buches vor.


    Tor der Tränen ist kein ganz einfaches Buch, obwohl es formal leicht zu lesen ist. Waberi schreibt in 2 Perspektiven von Zwillingsbrüdern im heutigen Dschibuti, dazu kommt eine dritte, die sich mit Walter Benjamin beschäftigt. Um ehrlich zu sein, erschließt sich mir die Notwendigkeit dieses Teil „Das Buch von Ben“ nicht wirklich.
    Dafür überzeugen die anderen beiden Erzählperspektiven, die nicht unterschiedlicher sein können.
    Der in Dschibuti geborenen Dschibrill kehrt aus beruflichen Gründen nach Jahren in seine Heimat zurück, er lebt und arbeitet in Kanada und hat die westliche Lebensweise komplett angenommen. Er will eigentlich nur ganz professionell in Dschibuti seinen Auftrag erfüllen, doch er kann es nicht verhindern, dass ihn mehr und mehr die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend überfluten. Diese intensiven Passagen sind für mich persönlich die besten Szenen in Buch.


    Sein Zwillingsbruder hingegen ist vollkommen zum fanatischen Islamisten geworden.
    Dessen Geisteshaltung ist von Hass durchzogen, für ihn ist Dschibrill ein ungläubiger und falscher Bruder. Durch diesen Teil des Romans entsteht eine gehörige Härte und Realismus, während sich die Situation immer mehr zuspitzt.


    Der Autor verbindet mit der Erzählhaltung einiges an essayistischen Erläuterungen. Das schrammt manchmal knapp am Thesenroman vorbei, andererseits macht er die Abläufe klar deutlich, wie abhängige Menschen zum Fanatismus praktisch erzogen werden. Selten habe ich das in solcher Klarheit und so nachvollziehbar gelesen.


    Die Buchgestaltung des Verlags Nautilus hat mich überzeugt, von dem Verlag werde ich weitere Bücher lesen.
    Der Roman ist mit 160 Seiten zwar kurz, aber die Intensität ist so wirkungsvoll, dass es auch ein umfangreicheres Buch nicht übertreffen könnte.