Blutberg - Ævar Örn Jósepsson

  • Na, geht doch, Blutberg ist endlich mal wieder ein richtig guter Islandkrimi, der ein Verbrechen zum Thema hat, das sich genauso nur in Island zugetragen haben kann, zwar mit einem Haufen Leichen, aber ohne dass man das Gefühl hat, für isländische Verhältnisse ist das alles ein wenig dicke.


    Die Baustelle in Kájahnjúkar: hier, in der ostisländischen Einöde soll ein gewaltiger Staudamm entstehen, groß genug, um ein nahegelegenes Aluminiumwerk mit Strom zu versorgen.
    Ein unerwarteter Bergsturz tötet sechs hochrangige Mitarbeiter der beteiligten Baukonzerne, die zu einer Inspektion auf dem Gelände unterwegs waren, lediglich ein portugiesischer Bauarbeiter überlebt schwerverletzt. Schnell tauchen Gerüchte, dass mehr als ein tragischer Unfall hinter der Sache steckt, zumal sich auch noch der zuständige Sicherheitschef das Leben nimmt und einen dubiosen Abschiedsbrief hinterlässt.
    Schnell ist von Terror die Rede, grünem Terror militanter Staudammgegner in diesem Fall, ein für isländische Verhältnisse ganz unerhörte Vorstellung, weshalb neben einer Delegation der Reykjaviker Kripo auch der isländische Staatsschutz (den es eigentlich gar nicht gibt) ins Hochland geschickt wird, um der Sache auf den Grund zu gehen.


    Hier, in einer grauen Wüstenei, die zudem noch von arktischen Temperaturen und Schneestürmen gegeißelt ist, leben tausende Bauarbeiter aus aller Herren Ländern in primitiven Containern, wenn sie nicht gerade unter widrigsten Bedingungen auf der Baustelle schuften. Zwei Stunden Sonne pro Tag und rein gar nichts, womit man sich außerhalb der Arbeitszeit zerstreuen könnte: das ist der Nährboden für so allerlei kriminelle Machenschaften, die nach und nach ans Licht kommen. Hinzu kommen ob der gewaltigen Dimension dieses Projektes so allerhand undurchschaubare wirtschaftliche Interessen und Mauscheleien.


    Jósepsson strickt aus diesen Zutaten ein wunderbar spannenden, amüsanten aber auch ernsten Krimi, der nicht nur ein atmosphärisches Bild dieser gigantischen Baustelle zeichnet, sondern auch ohne erhobenen Zeigefinger die Zwiespältigkeit dieses Projektes aufzeigt, das einerseits den strukturschwachen Osten Islands wirtschaftlich voranbringen soll, andererseits aber auch mit gewaltigen Schäden für die Natur einhergeht und Korruption und Schlamperei nahezu herausfordert. Dabei verquickt er geschickt private mit politischen Konflikten, so dass die Grenze zwischen tatsächlichen Ereignissen und Fiktion verschwimmen. Obwohl es meines Wissens auf dieser Baustelle nie einen derart großen Unfall gegeben hat, zeichnet dieser Krimi ein durchaus glaubwürdiges Szenario.


    Der Witz dieses Romans speist sich hauptsächlich aus den Befindlichkeiten der ermittelnden Personen, Großstadtkindern durch und durch, die nicht nur mit einer nicht gerade wohlgesonnen Natur zu kämpfen haben, sondern auch mit den recht rauen Sitten auf einer Baustelle und der sehr rustikalen Verpflegung. Es ist kein Zuckerschlecken, dort am Arsch der Welt zu leben.


    Positiv möchte ich noch das Cover erwähnen: endlich mal spiegelt das tatsächlich die Stimmung des Buches wieder. Und hier noch ein Bild des Flusses, der mit diesem Staudamm aufgestaut wird. Ganz hinten am Horizont dürfte sich heute der Staudamm befinden.