'Das Schokoladenmädchen' - Seiten 096 - 190

  • Gleich auf der ersten Seite diesen Teils berührt mich, wie Madelaine ihrer Tante und Cousine den Kuchenkorb gebracht hat. Die Kinder bekommen nichts, damit sie nicht verdorben werden und mit der einfachen Kost unzufrieden werden.


    Kloß scheint ein sehr guter Konditor zu sein, was er für Kreationen bereitet hat und Madelaine zum Kosten gibt. Aber dann will er sie vergewaltigen.


    Sie reist nach Riga, wo Urs Martieli eine neue Filiale aufgemacht hat. Er gefällt mir immer besser, was er alles für Madelaine tut, alle Achtung.
    Und hier wird sie das Schokoladenmädchen.


    Gut gefällt mir auch, wie die Stimmung im Volk beschrieben wird. Es gibt zuviele Arme und die Arbeiter werden ausgebeutet. Durch ihren Kutscher Janis lernt sie viel von Riga und den Sorgen der Menschen kennen.

  • Hallo Deichgräfin,


    ich freue mich, dass die Szenerie Dir gefällt und Du sie so klar beschrieben hast.


    Ja, Kloß hat wirklich zwei Gesichter: Er ist in seinem Handwerk perfekt, seinem Charakter nach aber ein Fanatiker.


    Jetzt seh ich ihn wieder deutlich vor meinen Augen in der Hamburger Backstube stehen, hager, konzentriert bis zur Besessenheit. Aber als ich ihn damals über die Schokolade dozieren ließ, damit Madelaine etwas lernt, stellten sich bei mir die Härchen vor "Grusel" auf. Daran kann ich mich noch gut erinnern.


    Und prompt hat auch er mich nie losgelassen. Und so tritt er auch im zweiten Band "Der Kuss des Schokoladenmädchens" wieder auf. Noch energischer ... noch konsequenter ...


    LG Katryn


  • Ja, er kam mir richtig besessen vor. So wie Du ihn beschrieben hast, kommt er auch richtig bei mir an.


    Das passiert mir aber auch bei den Beschreibungen der Schokolade.
    Wenn ich mit dem Buch durch bin, habe ich bestimmt ein Kilo zugenommen, ohne etwas mehr gegessen zu haben :lache

  • Wie unterschiedlich die Wahrnehmung sein kann ... Mir kam Kloß eher leidenschaftlich fasziniert vor denn fanatisch. Ein strenger Lehrmeister, der keine Fehler durch Schluderei duldet. Daher hat er mich mit seinem Akt auch irgendwie überraschen können.

  • Am schlimmsten fand ich an diesem Abschnitt, das den Kindern nichts gegeben wird, damit sie nicht verdorben werden. Ob man von einem Stück Kuchen gleich verdorben wird bleibt mal offen.
    Kloß ist richtig besessen von seinen Backwaren, ich weiß nicht wie ich es besser beschreiben soll. Er geht einfach richtig auf in dem was er tut.
    Nach der versuchten Vergewaltigung reist Madleine nach Riga, um dort wieder in der Konditorei mitzuarbeiten. Das passt aber der Freundin von Urs nicht wirklich, würde ich mal behaupten.
    Madeleine verliebt sich, ob diese Liebe von Dauer sein wird.
    Janis ihr Fahrer zeigt ihr ein Riga und seine Geschichte wie sie es sonst nicht erfahren hätte.
    Für mich ist es irgendwie schwer so einiges zu beschreiben. Da ich es ja schonmal gelesen habe und auf einige Dinge warte und weiß sie passieren ja erst sehr viel Später. Genauso spuken mir Dinge durch den Kopf die erst im Folgeband passieren werden.

  • Hallo Deichgräfin,


    ich bin sicher, Du wirst beim Lesen nicht zunehmen, solange Du das Buch mit beiden Händen festhältst! :-)


    LG Katryn

  • Hallo Büchersally,


    Kloß ist leidenschaftlich, da hast Du recht. Leidenschaftlich über das normale Maß hinaus. Für mich stellte er sich da wie ein Mann, der innerlich wie von einer heimlichen Glut getrieben wird ... Ihr seht ja, wie er sich verhält ... wie er über Schokolade doziert. Seine Faszination vom Wert und Geschmack der Schokolade geht weit über eine harmlose, lustvolle "Schmeckerei" hinaus.


    Und darin besteht der Kontrast zu Urs Martieli - und Madelaine.


    Wie gesagt, im zweiten Band tritt er in Gänze auf ... über mehrere Seiten hinweg.


    Weiter viel Vergnügen!


    LG Katryn

  • Die gute Madelaine spilet mit dem Feuer.


    Ich bin schokiert darüber wie wenig über die Situation im vorrevolutionären Russland im Baltikum ich weiß. Der letzte Zar- das geht ja noch ein paar Jahre, aber soviel dann auch wieder nicht, das eine etwas ältere Madelaine in der Revolution untergehen könnte.

  • Die beginnende Motorisierung muss für die Pferdekutschen wirklich die Pest gewesen sein. Da sind sicher einige durchgegangen und waren an schlimmen Unfällen beteiligt.


    Über die Zeit direkt vor der Revolution weiß ich so gut wie gar nichts, obwohl ich erst vor kurzem Die Zarentochter gelesen habe und mich eigentlich mal informieren wollte. Bis zur Erschießung der Zarenfamilie bleiben dann aber doch noch einige Jahre und vorher sollte sich Madelaine doch nach einem anderen Zuhause umgesehen haben.


    Gibt es in diesem Buch eigentlich keine zurückhaltenden Kerle?!

  • Die waren halt damals noch nicht so weichdressiert wie wir heute, das waren noch Kerle- und ausserdem- in der Regel wurden Vergewaltigungen viel weniger angezeigt als heute. Nicht dass die Strafen milder gewesen wären, aber die Sozialstrafe für die weiblichen Opfer war verheerend. die hat niemand bedauert, im Gegenteil sie waren nicht mehr heiratsfähig und im Übrigen ja selbst schuld, wenn sie die Kerle so reizen.

  • So, nachdem ich einige Tage nicht am PC war - aber fleißig gelesen habe, hier meine Gedanken:


    Die arme Welt der Hamburger wird in der Szene mit der Tante Marie und der Cousine Bille sehr gut dargestellt - vor allem die Hoffnungslosigkeit!


    [quote]Original von Deichgräfin
    Gleich auf der ersten Seite diesen Teils berührt mich, wie Madelaine ihrer Tante und Cousine den Kuchenkorb gebracht hat. Die Kinder bekommen nichts, damit sie nicht verdorben werden und mit der einfachen Kost unzufrieden werden.


    /quote]


    :write Dazu paßt auch sehr gut die Stelle mit den Kuchen - die bestimmt gewinnbringend verkauft wurden, um die wirklich wichtigen Lebensmittel zu kaufen.


    Kloß - ein sehr guter Bäcker, der Madelaine sein Handwerk gut beibringt. Leider zu fanatisch - so daß sie flieht... Und bei Urs in Riga landet.


    In Riga steigt Madelaine zur Chefin des Ladens auf - und hat leider auch direkt ihre erste Feindin Frau Krawoschinky..., die bestimmt noch eine große Rolle spielen wird :gruebel...


    Den Unfall mit der Kutsche fand ich sehr gut beschrieben - und so lernt Madelaine Graf Mazary kennen (und lieben?). Gleichzeitig versucht Madelaine an der Börse "Geld zu verdienen" ...


    Ein sehr spannender 2.Teil, der viel über die Gesellschaftlichen Zustände der damaligen Zeit aussagt! :wave

  • Hallo beowulf,


    ganz kurz zur Auffrischung: In der Zeit, in der Madelaine in Riga ist, erlebt die Stadt einen großen wirtschaftlichen Aufschwung.


    Wenige Jahre zuvor fiel Zar Alexander II, am 1. März 1881 in St. Petersburg einem Attentat zum Opfer.


    Sein Nachfolger, Zar Alexander III, greift hart durch, setzt mit Gewalt ab 1889 einen Russifizierungsprozess durch, der alle Ostseeprovinzen betrifft.


    Die politischen Verhältnisse waren also einerseits bestimmt vom Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstbewusstsein der etablierten Deutschbalten und dem Machtanspruch des Zaren Alexander III, andererseits nahmen seit der Russifizierung die nationalen Spannungen ab 1896 im Baltikum zu. Spannungen zwischen Deutschen, Letten, Russen ... große Teile der Arbeiterschaft sind unzufrieden, das lettische Selbstbewusstsein erstarkt und kämpft um Eigenständigkeit, viele Deutsche fühlen sich bedroht und flüchten zurück in ihre deutsche Heimat.


    Und unsere Heldin Madelaine aber geht genau den umgekehrten Weg: aus Hamburg nach Riga.


    Ich gebe ihrem Kutscher Janis eine starke Stimme, um die Komplexität der politischen und sozialen Situation in Riga zu erklären.


    Ich selbst kannte mich vorher nicht mit der lettischen Kultur aus. Daher ist in diesen Roman sehr viel authentisches Wissen eingeflossen, für das ich einer auf nordostdeutsche Geschichte spezialisierten Bibliothek und ihrer lettischen Archivarin dankbar bin.


    LG Katryn

  • Hallo beowulf,


    ja, schlägt man nach im Reichsstrafgesetzbuch (Grundlage 1871), kann man nachlesen, dass Gefängnisstrafen für Vergewaltiger die früheren Zuchthausstrafen abgelöst hatten.


    Im Laufe der Jahre wurde aber der sog. Notzuchtparagraph zugunsten des Erhalts eines "allgemeinen Wertekanons" geändert. Das heißt, man wollte im letzten Drittel des 19. Jhd. "das hohe Gut der Sittlichkeit" verteidigen und auf diese Weise die Täter zu Einsicht und Besserung erziehen, nicht nur bestrafen.


    Die Frauen hatten, wie Du richtig sagst, unter der sozialen Ausgrenzung zu leiden.


    Noch schlimmer aber wirkte sich auf sie eine in juristischen Kreisen geführte Kontroverse aus: Folgte nämlich einer Schändung eine Schwangerschaft, nahmen sich manche Gerichte das Recht zu sagen, es läge keine Notzucht vor. Warum? Weil sie schlichtweg den Frauen ein Lustempfinden als conditio sine qua non unterstellten. Damit übertrugen die Gerichte die Schuld an der Schwangerschaft einzig und allein der Frau. Und das im Fall einer Vergewaltigung!


    Es ist schon entsetzlich. Man mag sich solche Schicksale kaum vorstellen ...



    Beste Grüße
    Katryn

  • Hallo beowulf,


    nein, Madelaine "spielt" nicht "mit dem Feuer". Es ist Kloß, der von IHR fasziniert ist, nicht umgekehrt.


    Kloß liebt sein Handwerk, seinen Beruf. Die Frau seines Lebens wird ihm schon noch begegnen. Keine Sorge.


    In Hamburg aber irrt er sich gewaltig!!!


    Katryn

  • Hallo bibliocat,


    danke fürs Kompliment zum zweiten "spannenden" Teil.


    Ich erinnere mich noch gut, dass mich Madelaines Schicksal damals selbst immer mehr faszinierte, weil das recherchierte Material so "kalorienreich" war.


    Wie gesagt, ich liebe es, in Bibliotheken abzutauchen, denn vergangene Zeiten waren keineswegs so schwarzweiß oder nur sepiafarben, wie wir heute glauben.


    Viel Spaß weiterhin!


    LG Katryn


  • Ich meinte nicht Kl0ß ich meinte die Szene die in meiner Weltbildausgabe genau auf Seite 190 steht und da hatte Madelaine vielleicht einen Kloß im Hals, aber eine Bärenklaue am Leibe.

  • Ah, auch dieser Teil hat es in sich und ist sehr spannend. :-)


    Die Armut von Madelaine's Familie ging mir sehr nahe. Da sie ausschliesslich auf der salzigen Seite des Lebens steht, können auch Madelaine's Süssigkeiten nicht viel ausrichten und die ganze Situation erscheint hoffnungslos. Um so mutiger finde ich da Madelaine's Bestreben aus diesem Milieu auszubrechen.


    Kloss hat mich in diesem Teil einfach nur entsetzt - es zeigt sich mal wieder wie nahe sich Genie und Wahnsinn sein können. Zuerst hatte ich mich ehrlich gesagt etwas gewundert, warum Madelaine daraufhin so überstürzt abgereist ist. Kloss war doch der Übeltäter - und nicht sie. Aber beowulf's und highandfly's Erklärungen haben mir klar gemacht, dass ihr eigentlich nichts anderes übrig blieb:


    Zitat

    Original von beowulf
    ... aber die Sozialstrafe für die weiblichen Opfer war verheerend. die hat niemand bedauert, im Gegenteil sie waren nicht mehr heiratsfähig und im Übrigen ja selbst schuld, wenn sie die Kerle so reizen.


    Durch den Zeitungsartikel, den Madelaine während der Zugreise nach Riga las, erfährt sie von Rudolf Terschak's Festnahme. Und nun habe ich die Szene in der Gaststätte (aus dem 1. Abschnitt) nochmals besser verstanden. ;-)


    Nun ist Madelaine in Riga angekommen und ihr Leben ändert sich immer mehr - und die Geschichte wird immer spannender. Madelaine ist mMn eine sehr emanzipierte und kluge Frau, die weiterhin mutig ihren Weg geht. Sie steht allerdings auch etwas zwischen den "Fronten", d.h. zwischen der gehobenenen Gesellschaft (durch ihre Kontakte, die sie über Martieli pflegen kann) und den Arbeitern (durch ihren Kutscher Janis). Übrigens mag ich Janis sehr gerne - und ich bin gespannt, ob seine Gabe der Vorhersehung noch eine wichtige Rolle spielen wird... :gruebel


    Meine Lieblingsszenen in diesem 2. Abschnitt sind auf jeden Fall die Café-Einladung (durch die Beschreibungen konnte ich den Schokoladenduft förmlich riechen und ich wünschte, ich wäre dabei gewesen ;-)) und den Kutschenunfall bezw. die Begegnung mit dem Grafen Mazary. Den Grafen stelle ich mir ja ausserordentlich gutaussehend vor... *schmacht* Und ich hoffe natürlich für Madelaine, dass sie ihn bald wiedersieht! *daumendrück* ;-)


    Edit hat wieder mal einen Tippselfehler entdeckt.

    Lesen ist ein grosses Wunder

    Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Ayasha ()

  • Zitat

    Original von beowulf
    ... ich meinte die Szene die in meiner Weltbildausgabe genau auf Seite 190 steht und da hatte Madelaine vielleicht einen Kloß im Hals, aber eine Bärenklaue am Leibe.


    Treffender hätte man das nicht beschreiben können! :fingerhoch :grin

  • Die ersten Seiten des 2. Teils haben mich irgendwie, ja nachdenklich gestimmt. "Lene" hat es gut gemeint und Bille und der Tante Kuchen gebracht, wohl auch als Entschuldigung, dass sie sich so lange hat nicht blicken lassen, wuerde ich jetzt behaupten. Dann aber dieser geballte Hass / diese geballte Abneigung der Cousine(?) zu spueren muss echt hart gewesen sein. Die Tante versuchte ja noch zu schlichten, aber Bille war zu besessen.
    Es war sicher nicht leicht in der unterstens Schicht zu leben. Wie genau Bille das zusammenleben mit saufenden und raufenden Maennern beschreibt. Es muss die Hoelle gewesen sein - lagen schon Welten dazwischen.


    Was mich doch auch etwas ueberrascht hat ist die Wendung von Kloß. Ich habe ihn die ganze Zeit als perfektionistisch und fanatisch was seine Arbeit angeht gesehen, haette daher nicht gedacht, dass er "so scharf" auf Madelaine ist, oder war's nur der Frust, weil sie nicht sofort auf sein Angebot sich selbststaendig zu machen eingegangen ist!?
    Auch wenn Alma davor gewarnt hatte, haette ich das tortzdem nicht erwartet.
    Da ist es ganz klar, dass sie das Weite sucht, allerdings haette ich auch hier nicht vermutet, dass sie sofort nach Riga geht/reist, sondern erstmal nur weg will. Mutig mutig.


    Ich weiss nicht warum, aber da ich (wie im ersten Abschnitt schon geschrieben) ja immernoch hoffe, dass zwischen Madelaine und Martieli was laeuft ist mir Inessa etwas nervig *hihi*, da sie sich "dazwischen draengelt", wenn man das so sagen darf.


    So, ich werd mal weiter lesen gehen, bin noch nicht ganz durch mit dem zweiten Teil, vielleicht gibts ja noch was, wozu ich gern was schreiben moechte.