Mein Bericht an die Welt - Jan Karski

  • # Gebundene Ausgabe: 624 Seiten
    # Verlag: Kunstmann, A (22. Februar 2011)
    # Sprache: Deutsch
    # Originaltitel: Story of a Secret State


    Kurzbeschreibung
    Dass Jan Karski, eine der zentralen Figuren des polnischen Widerstands, die Alliierten schon 1942/43 mit der Realität des Holocaust konfrontierte, hat ihm in Israel einen Platz unter den »Gerechten« eingetragen. Sein Lebensbericht »Story of a Secret State«, 1944 unmittelbar unter dem Eindruck der Ereignisse geschrieben, wurde in den USA zu einem Sensationserfolg. Danach schienen Autor und Buch verschollen, bis Claude Lanzmann den herausragenden Zeitzeugen für seinen Film »Shoah« interviewte. Heute wird Jan Karski neu entdeckt, und erstmals liegen seine außergewöhnlichen Memoiren auf Deutsch vor ein Dokument allerersten Ranges, Zeitgeschichte, die sich wie ein Kriminalroman liest. Als Hitler Polen überfällt, flieht der junge Offizier mit der zerschlagenen Armee gen Osten und läuft den Sowjets in die Arme, die ihn an die Deutschen ausliefern. Damit beginnt die abenteuerliche Odyssee Karskis durch ein Europa in Krieg und Aufruhr. In tollkühner Flucht schlägt er sich zur polnischen Untergrundbewegung durch, wird rasch mit wichtigen Missionen betraut. Jüdische Partisanen schleusen ihn heimlich ins Warschauer Ghetto und ein Konzentrationslager, wo er Augenzeuge der Judenvernichtung wird. Karski gerät in die Fänge der Gestapo, wird gefoltert, flieht erneut. Seine wichtigste Mission als Kurier für den Widerstand führt ihn schließlich 1942 quer durch Nazi-Deutschland nach England und Amerika, um Anthony Eden und Roosevelt persönlich Bericht zu erstatten. Jan Karski, »Botschafter des Holocaust aus eigener Anschauung« (Spiegel) und ein mitreißender Erzähler, legt Zeugnis ab »ein wertvolles, tief erschütterndes historisches Dokument« (Arte), »ein außerordentlicher Schicksalsbericht, der nichts von seiner Kraft eingebüßt hat« (Le Figaro littéraire).


    Über den Autor
    Jan Kozielewski wurde 1914 in Lodz geboren, 1942 nahm er den Namen Karski an. Seit 1939 Kurier der polnischen Untergrundbewegung, gelangte er 1943 in die USA und wurde von Präsident Roosevelt empfangen. Er blieb dort nach seiner Enttarnung und lehrte bis zu seinem Tod im Jahr 2000 als Professor für Politikwissenschaften an der University of Georgetown in Washington.


    Meine Meinung


    "Gott hat mich sehen lassen und sagen lassen, was ich gesehen habe, damit ich Zeugnis ablegen kann."


    "Mein Bericht an die Welt" ist ein unglaublicher Bericht, ein Bericht der nur schwer zu fassen und noch schwerer zu verstehen ist. Aufmerksam bin ich auf Jan Karski geworden, als ich die Autobiographie von Claude Lanzmann gelesen habe. Dieser schildert die Person Jan Karski und ihr Zusammentreffen so authentisch und faszinierend, dass ich mir den Namen sofort notiert habe. Jetzt ist sein Bericht auch endlich wieder - in einer Neu-Übersetzung - in Deutschland erschienen.


    In "Mein Bericht an die Welt" schildert Jan Karski seine Lebensgeschichte von 1939 und 1943 und diese liest sich beinahe wie ein Fernsehthriller - beim Lesen musste ich immer wieder innehalten und mir vergegenwärtigen, dass es sich hier nicht um eine Fiktion handelt.


    Zitat

    "Ich weiß, dass viele Menschen mir nicht glauben werden, nicht glauben können und denken, dass ich übertreibe oder fantasiere. Doch ich habe alles selbst gesehen, und es ist weder übertrieben noch erfunden. Ich kann keine Beweise, keine Fotografien vorlegen. Ich kann nur sagen, dass ich es mit eigenen Augen gesehen habe und dass es die Wahrheit ist."


    Jan Karski wurde eigentlich unter dem Namen Jan Kozielewski geboren. Als ihn in einer Nacht im Jahr 1939 der Einzugsbefehl in die polnische Armee trifft, weiß er kaum, wie ihm geschieht: Polen wird von Deutschland überrollt und er befindet sich urplötzlich auf einem Marsch, quer durch das polnische Land. Nachdem er einige Zeit in einem Gefangenenlager verbringen muss, gelingt es ihm durch einen Trick, zu fliehen. Er springt aus einem fahrenden Zug um endlich entkommen zu können.


    In der Folge schließt sich Jan Kozielewski dem polnischen Untergrund an und nimmt irgendwann den Denknamen Jan Karski an. Für den polnischen Untergrund reist er als Bote nach Frankreich, wo er von der Gestapo festgenommen wird - nur mit viel Mut und Überlebenswillen gelingt ihm nach unvorstellbaren Qualen die Flucht. 1942 erhält er seinen größten Auftrag: er soll über Frankreich und Spanien, nach England und Amerika reisen um dort über die Situation in Polen zu berichten. Um möglichst authentisch zu berichten, lässt er sich in das Warschauer Ghetto und in das Konzentrationslager Belzec einschleusen. Das Lesen der Passagen über diese beiden Erlebnissen, gehört zu den furchtbarsten und unvorstellbarsten Dingen, die ich bisher gelesen habe.


    Das fürchterlichste und sicherlich auch absurdeste für mich beim Lesen war die Tatsache, dass Jan Karski diese furchtbaren, unvorstellbaren Zustände schon 1942 in Berichten beschrieben hat (1944 ist sein Buch "Story of a Secret State" erschienen und 400.000-fach verkauft worden), dass ihm aber kein Glauben geschenkt wurde, da das Ausmaß über das er berichtete so unvorstellbar war, dass niemand der Abgeordneten die er traf, die wahre Lage begreifen konnte.


    "Mein Bericht an die Welt" ist ein beeindruckendes Buch, das ich weiter empfehlen kann. Schon allein aufgrund des unglaublichen Inhalts habe ich das Gefühl ein Buch gelesen zu haben, das man gelesen haben muss. Zu bemängeln ist in Ansätzen die Übersetzung, die mir vor allem in den Dialogpassagen nicht gefallen hat (sehr adjektivlastig, beschreibend, auch die Wortwahl hat sich nicht immer passend angefühlt) - dies ist jedoch nicht sehr schwerwiegend und in meiner Gesamtbetrachtung kann ich darüber hinwegsehen.


    10 Punkte.

  • Ich stimme dir in vollem Umfang zu, das ist ein Buch das man gelesen haben muss!

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Mein Leseeindruck:


    "Dieses Buch will nur eine persönliche Geschichte erzählen, meine Geschichte! Ich habe versucht, mich an alles zu erinnern, was ich erlebt habe, und von den Taten all derer zu erzählen, denen ich damals begegnet bin."


    Dieses Zitat stammt aus dem letzten Kapitel "Postskriptum" welches Jan Karski an seine Erlebnisse angehängt hat.
    Auf den vorangegangenen 542 Seiten erzählt er von seiner Untergrundarbeit die er für die polnische Exilregierung in England geleistet hat.
    Als Polen 1939 von Hitler überfallen wird, gerät Karski in russische Gefangenschaft, kann sich aber mit anderen Häftlingen während einer Zugfahrt befreien.
    Da er nicht weiß wohin er gehen soll, sucht er in Warschau seine Schwester auf. Entsetzt muss er feststellen dass sein Schwager wenige Wochen zuvor verhaftet und erschossen wurde.
    Verzweifelt und ratlos besucht er einen früheren Freund, zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnend, daß dies sein Einstieg in den polnischen Untergrund ist.


    Während eines Einsatzes fällt er der Gestapo in die Hände und muss während seiner Gefangennahme schlimmste Folter ertragen. Während einer "Sitzung" und einem weiteren Schlag auf den Kopf täuscht er vor ohnmächtig zu werden.


    "Solche schauspielerischen Einlagen nützen ihnen überhaupt nichts...Diese Schläge hinter die Ohren wurden von unseren besten Medizinern entwickelt. Sie tun zwar höllisch weh, aber man kann dadurch keinesfalls das Bewusstsein verlieren. Theatralisches Getue kann gegen wissenschaftliche Tatsachen nichts ausrichten."


    Nachdem die Foltermethoden immer unerträglicher werden schneidet sich Jan Karski mit Rasierklingen die Pulsadern auf. Ein Wärter findet ihn und er wird in zweifacher Hinsicht gerettet, einmal sein Leben und dann gelingt es der Organisation ihn aus dem Krankenhaus zu schleusen.
    Erst 1986 erfährt Karski wieviele Menschenleben seine Flucht gekostet hat.


    Anfang Oktober 1942 trifft Karski mit zwei "Vertretern" des Warschauer Gettos zusammen und erfährt von der Deportation und Ermordung von 300.000 Menschen.
    Unter allergrößten Schwierigkeiten und Lebensgefahr läßt Karski sich sowohl in das Warschauer Getto als auch in das Vernichtungslager nahe der Stadt Belzec einschleusen....und in seinem Bericht schildert er davon schon 1942 - wie es weiterging wissen wir alle!


    Man kann noch so viele Bücher über diese Zeit lesen, begreifbarer wird es nicht und wird es nie werden.


    Unbedingte Leseempfehlung!

    Herzlichst, FrauWilli
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  • Danke für diese tolle Rezension und deine interessanten Eindrücke - ich freue mich wirklich sehr, dass dir das Buch auch so gut gefallen hat.


    Wenn man ein Buch über diese Zeit lesen möchte, dann sollte man - meiner Meinung nach - unbedignt zu diesem Buch von Jan Karski greifen. Ich bin froh, dass ich durch Claude Lanzmann darauf aufmerksam geworden bin ...


    Das einzige was mich ja an manchen Stellen ein bisschen gestört hat, waren sprachliche Aspekte ... aber vielleicht bin ich da auch nur einfach sehr empfindlich. ;-)

  • Interessanterweise habe ich das Buch "Der patagonische Hase" von Claude Lanzmann schon seit geraumer Zeit hier. Oder meinst du den Film? Den werde ich mir nämlich die Tage auf jeden Fall bestellen.


    Das mit der Sprache hatte ich ja an anderer Stelle schon gesagt, da konnte ich bei diesem Stoff sehr gut drüber weglesen. Ich finde sogar dass der Text sehr literarisch gehalten ist. Was ja bei "Sachbüchern" eher nicht der Fall ist.
    Wie dem auch sei, ein großartiges Buch und unbedingt empfehlenswert, auch wenn mir Kapitel 30 beinahe Übelkeit verursacht hat.

    Herzlichst, FrauWilli
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  • Ich habe mich auf Lanzmann Biographie "Der patagonische Hase" bezogen, dort schildert Lanzmann sehr beeindruckend seine Begegnungen mit Jan Karski und ich bin zum ersten Mal auf Karski aufmerksam geworden. Wenn du das Buch noch bei dir liegen hast, kann ich dir nur empfehlen, es bald zu lesen!


    Du hast schon recht damit, dass man über die sprachlichen "Mängel" drüber weglesen kann. Viele Stellen waren auch viel zu spannend, als das ich mich auf die Sprache hätte konzentrieren können - ganz drüber wegsehen kann man als Germanistin nur auch nicht ... ;-)

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Du hast schon recht damit, dass man über die sprachlichen "Mängel" drüber weglesen kann. Viele Stellen waren auch viel zu spannend, als das ich mich auf die Sprache hätte konzentrieren können - ganz drüber wegsehen kann man als Germanistin nur auch nicht ... ;-)


    die ollen Germanisten aber auch :knuddel1

    Herzlichst, FrauWilli
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