Threaddrifting? Eigentlich nicht. Ein Thema hat Implikationen, einen Kontext. Man sollte auch mal auf die Überschrift achten - schließlich geht es um die Haltung der katholischen Kirche. Und die ist eben nicht nur eine Organisation, die einen ganz bestimmten Standpunkt zu Schwangerschaftsabbrüchen hat, sondern ein großes, weltbestimmendes Konstrukt. Die lange geheimgehaltenen und "intern" geregelten Missbrauchsfälle (von denen es in den vergangenen Jahrhunderten wahrscheinlich viele Tausend gegeben hat, die kein Mensch mehr aufklären will oder wird - ein Horrorszenario, das viele, viele Schicksale bestimmt hat) gehören auch dazu. Eine Organisation ist mehr als die Summe ihrer Bestandteile oder ihre verschriftliche ethische Grundlage, aber alles gehört dazu. Man kann ja auch nicht nur über "Hitler, den Autobahnbauer" sprechen.
Und diese Organisation nimmt sich heraus, das "Leben" schützen zu wollen, das nicht existiert. Sie tut das aus nachvollziehbaren, vielleicht sogar "guten" Gründen. Es ist von einer solchen Struktur nicht zu erwarten, dass sie sich dem weltlichen Geschehen stellt, was sie ja auch nicht will und niemals tun wird. Dieses Problem wird man höchstens aussitzen können. Immerhin stehen die Zeichen dafür, dass das wenigstens langfristig gelingt, ganz gut.
Ein Leben dauert in unseren Regionen im Schnitt 75 Jahre. Jemandem einzureden, er wäre ein Kindesmörder, weil er nicht ein Fünftel bis Viertel seiner kostbaren, kurzen Lebenszeit damit verbringen will, etwas großzuziehen, das er nicht möchte (und das weit vom Status "Kind" entfernt ist), mag aus einem bestimmten Standpunkt heraus sogar nachvollziehbar sein. Wenn ich mir auf die Fahnen schreibe, dass unsere Existenz göttlich ist und wir uns Seinem (etwas diffusen) Willen zu stellen und zu unterwerfen haben, muss ich in dieser Hinsicht konsequent sein, sonst bin ich nicht mehr "glaubwürdig". Also nenne ich eine sich just erstmals teilende Eizelle eben "Kind" und denjenigen, der sich dieses passiven Zustandes entledigt, "Kindesmörder". Immer machen lassen, die jungen Götter. Sie hatten ja nie Probleme damit, Einzelschicksale außer Acht zu lassen und nur das Große Ganze zu sehen; auch der psychische Kollateralschaden ist hier implizit. Die katholische Kirche ist eine politische Organisation, das sollte man nicht vergessen, und politische Axiome müssen durchgekämpft werden, sonst verliert die Organisation ihre Existenzberechtigung.
Es ist durchaus anzunehmen, dass viele Frauen, die nach einem Abbruch psychische Probleme haben, sich auch in diesem Zustand befinden, weil ihnen ein Mensch der Kategorie Bernard begegnet ist, der ihnen eingeredet hat, Mörderin zu sein. Selbstgerechtigkeit lässt sich so simpel und problemfrei ausleben. Nichtdestotrotz geht es um Glaubensparadigmen, die mit Fakten nur sehr, sehr wenig zu tun haben.
Niemand tötet hier irgendwas oder irgendwen. Die Ordensbrüder versuchen, ihr anachronistisches Konzept aufrechtzuerhalten, das ist alles.