ZitatOriginal von woelfchen
Ich kann nur eines wiederholen: Ich kann nicht einmal eigenverantwortlich auf einen Hund aufpassen, was würde dann mit einem Kind geschehen? Ich will keines und kann keins versorgen.
Ich möchte es aber auch nicht in ein Waisenhaus stecken und wissen, dass da darußen irgnedwo mein Kind rumläuft und ich nicht weiß wie es ihm geht. Und ich will nicht nicht in gut zwei Jahrzehnten jemanden vor der Haustüre stehen haben, der etwas über seine Herkunft erfahren möchte.
Letzteres halte ich für kein zulässiges Argument, da man bei der Freigabe zur Adoption verfügen kann, dass die eigene Identität geheim bleibt, sodass das Kind Dich auch nach zwanzig Jahren nicht finden wird. Diesbezügliche Bedenken sind also nicht angebracht.
Damit bliebe von Deinen aufgeführten Bedenken gegen die Freigabe zur Adoption lediglich, dass Du nicht weißt, wie es Deinem Kind geht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das unangenehm sein kann - allerdings nicht sein muss. Ein Mann, der ein einziges Mal zur Samenspende geht, kann diesen Effekt gleich hundertfach haben. Dennoch: Das unangenehme Gefühl will ich gelten lassen.
Wir haben also Szenario A: Das Kind kommt zur Welt, wird zur Adoption gegeben. Das Schicksal startet sozusagen bei Null. Vielleicht kommt es in ein Horror-Waisenhaus, wird misshandelt und sein Leben lang nicht froh. Das ist möglich. Vielleicht wird es von einem Multimillion-Euro-schweren Ehepaar adoptiert, das sich sehnlich Kinder wünscht, aber keine bekommen kann, und wird einer der glücklichsten Menschen auf der Welt. Vielleicht wird es Arzt und findet ein Heilmittel gegen Krebs. Oder schreibt tolle Romane, die Du dann liest und genießt (allerdings ohne zu wissen, dass sie von Deinem Kind sind). Auch das ist möglich. Die Wahrheit wird vermutlich irgendwo dazwischen liegen, Du wirst sie nie erfahren, da Du keinen Kontakt zu Deinem Kind hast. Zugestanden, unangenehm. Bei völliger Unkenntnis vom schlimmstmöglichen Schicksal für das Kind auszugehen hat allerdings keine Grundlage.
Demgegenüber Szenario B: Das "werdende Leben" (ich beiße gerade beinahe in meine Tastatur, um diesen hoffentlich konsensfähigen Begriff hinzukriegen) in Deinem Bauch wird beendet. Den Menschen aus Szenario A wird die Welt nie kennen lernen. Du hast vielleicht Schuldgefühle, vielleicht auch nicht. Du weißt sicher: An die Stelle von Leben hast Du Tod gesetzt. Das ist eine Gewissheit, die der Ungewissheit von Szenario A gegenübersteht. Vielleicht kannst Du Dir einreden, dass Dein Kind nicht mehr war als ein paar Hautzellen, wie Du in Deinem Posting schreibst. Vielleicht wirst Du irgendwann darauf kommen, dass ein Mensch, dem man Hautzellen abschabt, noch immer existiert, während es durch den vorgegebenen Eingriff nun einen Menschen weniger auf der Welt gibt als mit ihm - ein wesentlicher Unterschied, der durchaus objektiv ist und nicht auf einer Weltanschauung basiert. Dabei ist auch belanglos, dass dieser Mensch irgendwann (vor oder nach seiner Geburt) eines natürlichen Todes gestorben wäre - diese Tatsache rechtfertigt keine willentlich herbeigeführte Beendigung des Lebens.
ZitatOriginal von woelfchen
Wenn du das nicht mit deinem Gewissen oder deiner Religion vereinbaren kannst, ist das vollkommen ok, aber das kannst du niemanden - inklusive deiner Partnerin! - aufdrängen.
Es gibt viele Dinge, die ich anderen aufdränge, weil ich sie mit meinem Gewissen (weniger mit meiner Religion, die ist viel offener, als viele zu wissen glauben) nicht vereinbaren kann. Hier ist die Abtreibung genauso zu sehen wie jeder andere Mord. Eine Gesellschaft wäre schlecht beraten, Morde zu tolerieren. Dass ich für mich selbst entscheide, dass ich persönlich nicht das Recht habe, andere zu ermorden, ist der erste Schritt. Ich gehe aber weiter, indem ich sage: "Ich möchte in einer Gesellschaft, besser noch in einer Welt ohne Morde leben." Selbst wenn dieser Zustand (nach meiner religiösen Weltanschuung auf Grund der Erbsünde, religionsneutral ausgedrückt wegen der Conditio Humana) niemals erreicht wird, ist er eine notwendige Utopie, der es nahe zu kommen gilt. Deswegen finde ich es gut, dass es Gesetze gegen Morde gibt und Mörder inhaftiert werden, auch wenn das gegen die Selbstbestimmungsrechte der Mörder ist. Daran ändert auch nichts, wenn der Mörder ein Motiv hatte, das möglicher Weise in einem anderen Verständnis wurzelt, wem Menschenrechte zugesprochen werden und wem nicht - anderenfalls würde ich den Mörder zum Maßstab meines Gewissens machen.
Bei meiner Partnerin ist das noch einmal gesteigert - wenn die mit meinem Kind schwanger wäre, würde ich mich sehr wohl für dieses Kind verantwortlich fühlen, insbesondere auch dafür, dieses zu beschützen. Wobei das tatsächlich ein sehr theoretischer Fall ist - eine Frau, die so veranlagt ist, dass sie eine Abtreibung in Erwägung ziehen könnte, wäre ganz sicher nicht meine Partnerin.
ZitatOriginal von woelfchen
Oder eine Vergewaltigung
Auch an der Vergewaltigung trägt das Kind keine Schuld, sondern der Vater. Daher sehe ich zwar den Punkt, dass ein Zusammenleben mit dem Kind problematisch ist, vor allem, wenn es dem Vergewaltiger ähnlich sieht, verweise aber hier wieder auf die Möglichkeit der Adoption.
Zudem ärgert mich der Verweis auf die Vergewaltigungen deswegen, weil er sehr häufig als Totschlagargument verwendet wird, aber in der Realität in 2008 laut statistischem Bundesamt nur 21 von 114.484 Abbrüchen begründet hat (das sind 0,00018 %). Darauf eine Argumentation aufzubauen ist nahezu perfide. Wenn man es denn unbedingt will, müsste man zur Indikationsregelung zurück. Danach wären dann diese 21 Abbrüche legal, zudem noch 2.989 aus medizinischer Indikation (letztere sieht übrigens auch die katholische Kirche als legitim an). Gute 111.000 müsste man demgegenüber ablehnen. Zwar ist jedes ermordete Kind eines zu viel, aber wenn man diese 111.000 pro Jahr retten könnte, wäre schon eine Menge gewonnen.
Ich denke, ich habe nun ausführlich Stellung zu Deinen Punkten genommen,. Daher erwarte ich jetzt selbstverständlich das gleiche von Dir, da Du ja eine gewisse Diskussionskultur angemahnt hast. Ich warte also auf Deine Antworten zu meinen oben gestellten Fragen.