Schreibwettbewerb Mai/Juni 2011 - Thema: "Sehnsucht"

  • Thema Mai 2011:


    "Sehnsucht"


    Vom 01. bis 31. Mai 2011 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Mai 2011 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Juni eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!

  • von Johanna



    Endlich war es soweit, heute noch den Vormittag herumbekommen und dann 3 Wochen Ruhe, diesen Laden nicht mehr sehen müssen.
    Sonne, Strand, Meer und wer weiß, vielleicht ein netter Urlaubsflirt.


    Sabine saß an ihrem Arbeitsplatz in einem Großraumbüro und wartete sehnsüchtig auf ihren Feierabend.
    Ihren Koffer hatte sie am Morgen mitgenommen um direkt vom Büro aus zum Flughafen, den Flieger nach Bordeaux zu nehmen.



    Sie lag in auf ihrem Handtuch am Strand, ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Genoss die Wärme, die ihren Körper umspielte. Neben sich den neuen Fitzek, der Augenjäger.


    Sie sah den Wellen des Atlantik zu die an den Strand spülten.
    Plötzlich erspähte sie einen Surfer der auf einer immer größer werdenden Woge auf den Strand zuhielt.
    Die Welle wuchs, nahm erschreckend große Ausmaße an. Der Surfer kam mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu.


    „Tsunami“ dachte sie noch, als die Welle sie auch schon erreichte und unmittelbar vor ihren Füßen auslief, sie an den Beinen erwischte und den Surfer auf sie katapultierte.
    Er sah sie erstaunt an, sie wollte schreien, hielt aber mitten in der der Bewegung inne und starrte ihn nur an. Er hatte grüne Augen, leuchtend grüne Augen aus denen er sie ansah. Beide verloren sich in ihren Blicken. Alles um sie herum versank.


    Auf einmal spürte Sabine die Nässe an ihren Beinen immer stärker. Sie versuchte an sich herunterzusehen, wunderte sich noch, dass sie das Gewicht des Surfers nicht spürte.
    Erst sah sie….nichts…dann beige…..dann merkte sie, dass ihr Kopf auf der Tischplatte lag, der PC vor sich hin brummte und ihre Flasche Wasser umgekippt auf dem Schreibtisch lag und ihren Inhalt über Sabines Jeans ergoss.
    Sie hob den Kopf sah sich um und bemerkte, dass die meisten Plätze bereits leer waren bis auf ein paar vereinzelte Mitarbeiter, die auf die Tasten hieben.


    Ein Blick zur Uhr. Ein Schrei:“oh nein, mein Flieger“
    Sie griff ihren Koffer, schnappte sich ihr Handy und orderte ein Taxi.
    Bis sie den Ausgang aus dem 18. Stock des Bürogebäudes erreicht hatte, stand das Taxi bereits vor der Tür.
    Sie sprang hinein:“Flughafen bitte, so schnell sie nur können. Mein Flieger geht in 30 Minuten“
    Das Taxi setzte sich in Bewegung. Viel zu langsam für ihre Nerven. Die Fahrt schien eine gefühlte Ewigkeit zu dauern. Unruhig ließ sie ihren Blick schweifen, ohne überhaupt etwas wahrzunehmen.
    Stillstand. Stau. Nur langsam kam die Autoschlange wieder in Fahrt. Sabine wippte nervös mit den Füßen.
    Endlich, die lange Zufahrt zum Flughafen. Das Taxi raste nahezu auf den Eingang zu, stoppte mit quietschenden Reifen.
    Wrummm, ein lautes Donnern, ein riesiger Blechvogel erhob sich und schwebte über ihre Köpfe hinweg.
    „Mein Flugzeug“, dachte Sabine. Der Fahrer drehte sich zu ihr um, bedauernd:“es tut mir leid, ich bin so schnell gefahren, wie ich konnte“
    Sabine begann:“Mein Urlaub, das war mein Urla…..“
    In dem Moment sah sie den Taxifahrer erst richtig, stockte, sah in seine Augen, diese leuchtend grünen Augen. Versank in ihnen, sowie auch seine in ihren versanken.“….mein Urlaub fängt gerade an“ bekam sie noch heraus.

  • von churchill



    Komme müd nach Haus.
    Zieh die Schuhe aus.
    Du bist da.


    Na, wie war dein Tag?
    Wie ich immer sag:
    Wunderbar.


    Gibst mir einen Kuss,
    den ich nehmen muss.
    Viel zu nah.


    Knapper wird die Luft.
    Strenger Atemduft.
    Stumpf dein Haar.


    Hunger riesengroß.
    Redest pausenlos.
    War ja klar.


    Geistig ziemlich kahl.
    Optisch eine Qual.
    So bist Du.


    Meines Herzens Platz
    gilt nur dir, mein Schatz.
    Blöde Kuh.


    Du störst meinen Traum
    Und leerst jeden Raum
    auch im Nu.


    Bald bin ich soweit
    Dann. Zur rechten Zeit
    schlag ich zu.


    Sinkst du dann ins Grab,
    weiß ich, was ich hab.
    Endlich Ruh.

  • von Ushuaia



    „Marie“, keifte die Stimme von oben, „wo bleibst du denn? Hast du endlich die Spinnweben im Flur weggemacht? Und den Wäschekorb musst du wieder mit hochbringen. Außerdem wolltest du noch einkaufen gehen.“
    Tief seufzend ließ sich Marie auf die Treppenstufen vor der Haustür sinken und schnappte nach Luft. Von wegen Wollen, dachte sie. Auf der linken Seite stach es mal wieder in ihrer Brust. Sie war gerade erst 49. Dem Gefühl nach war sie mindestens 85, ihre Glieder schwer, ihr Kopf war leer. Ihr Leben bestand nur noch aus Stress. Sie hatte überhaupt kein eigenes Leben mehr.
    Wie lange noch? Sie sah auf die Uhr. Fünf Tage und 3 Stunden.
    Dann würde sie im Flugzeug sitzen.
    Ihre Mutter ahnte noch nichts. Den Brief an ihren Bruder hatte sie schon vor Wochen geschrieben, direkt nachdem sie den Flug gebucht hatte. Sie würde ihn kurz vor dem Abflug abschicken. Sollte er sich gefälligst auch mal um seine Mutter kümmern, anstatt sich mit dummen Ausreden aus der Affäre zu ziehen. Sie tat es seit drei Jahren. Seit ihr Vater gestorben war. Ihm hatte es am Ende auch gereicht. Noch vor der Goldenen Hochzeit war er dahingeschieden, und sie war dankbar für ihn, dass es so schnell gegangen war, Tod am Frühstückstisch.
    Wenn es noch lange so weiter ging, dann würde sie auch noch vor ihrer Mutter in den Sarg steigen. Die Alte meckerte den ganzen Tag herum und terrorisierte sie sobald sie von der Arbeit heimkam. Aber wenn sie wollte, konnte sie mit ihren 77 Jahren noch eine ganze Menge machen.
    Sie wollte nur nicht.
    Marie schnaubte. Bald würde sie wollen müssen. Dann konnte sie Rüdiger die Ohren lang ziehen, ihr jüngerer Bruder hatte sowieso immer machen können, was er wollte. Er konnte nie was falsch machen. Sie dagegen! Erst den falschen Mann geheiratet. Dann keine Kinder bekommen. Nun geschieden und ohne Mann.
    Aber jetzt. Jetzt würde sie es ihr endlich mal zeigen.
    Marie lächelte in Gedanken. Ein Strandhaus hatte sie gemietet. Vier Wochen am Meer, unerreichbar in der Ferne, vier Wochen süßes Nichtstun. Und vielleicht wartete ja ein Urlaubsabenteuer auf sie. Danach würde sie entscheiden wie es weitergehen würde.
    So jedenfalls nicht. Das war klar. Geld hatte ihre Mutter genug auf der Bank, sie war nur zu geizig, es in eine Haushaltshilfe oder einen Pflegedienst zu stecken.
    „Marie, wo bleibst du denn? Mein Herz …“
    Haha, Marie schnaubte noch einmal. Das Herz ihrer Mutter war wahrscheinlich besser als ihres. Aber bald, bald saß sie am weißen Sandstrand und konnte all das vergessen.


    „Frau Lachner? Geht’s Ihnen nicht gut?“
    Die Nachbarin fasste Marie am Arm. Drinnen hörte sie die Stimme der Alten, die nach Marie rief, und schüttelte den Kopf. Marie hatte es nie einfach gehabt mit dieser Mutter.
    Besorgt beugte sie sich tiefer. „Frau Lachner? Marie? Ich rufe sofort den Notarzt.“


    Die Todesanzeige erschien drei Tage später.
    „Viel zu früh ist unsere geliebte Tochter, Schwester, Nichte, Cousine und Tante plötzlich von uns gegangen. Wir vermissen sie unendlich.“

  • von StellaLuna15



    Ich saß auf der Terrasse und las mir zum sechsten Mal den Brief durch, den mir Eric nur einen Tag vor seinem Tod gegeben hat. „ Liebste Lu, bitte sei mir nicht böse wenn du jetzt das hier liest. Aber ich habe mich dazu entschlossen, doch noch mit den Jungs zum Campingplatz am See zu fahren. Ich weiß, ich wollte dich morgen zum Essen in dein Lieblingsrestaurant einladen aber du weißt ja, dass Alex sein 20. Geburtstag sehr wichtig ist. Morgen fahre ich um ca. 8.00 Uhr los damit ich möglichst früh am See ankomme und dort Alex und die anderen treffe. Tut mir Leid dass ich es dir nicht früher sagen konnte. Ich werde an dich denken! In Liebe, Eric.“ Es geschah vor 3 Wochen, als er zum Campingplatz aufbrechen wollte. Der Tag verlief normal für mich. Nach dem Frühstück traf ich mich mit Sophie und Kira zum Shoppen. Natürlich vermisste ich meinen Freund aber ich wusste, dass er sich schon lange auf Alex Geburtstag freute. Die Idee mit dem Campen entstand ziemlich kurzfristig.
    Nach dem Essen gingen wir für einen DVD Abend zu mir nach Hause. Kira warf einen Horrorfilm in den DVD Player. Genau in diesem Augenblick klingelte das Telefon. Es war Erics Mutter. Völlig aufgelöst und unterbrochen von ständigen Schluchzern sagte sie mir: „Oh Luna, ich bin so froh dass ich dich erreiche! Hör zu, du musst jetzt sehr stark sein…es ist etwas Schreckliches passiert… die Polizei hat mich heute Mittag angerufen…und gesagt dass Eric tot ist…“ Von dem Moment an spürte ich gar nichts mehr. Ich dachte, was wohl jeder in meiner Situation denken würde: „Das ist nicht wahr, das kann gar nicht sein!“ Ich brachte nur ein „Nein“ heraus worauf Erics Mutter, immer noch schluchzend, sagte: „Ich weiß, ich kann es auch noch nicht begreifen…“ Ich ließ den Hörer fallen und brach weinend auf dem Boden zusammen. Alles vor meinen Augen verschwamm. Schemenhaft sah ich Sophie und Kira auf mich zustürzen.
    Erst eine Woche später fragte ich meine Mutter nach den genauen Umständen von Erics Tod. Ich habe es nicht gewagt, in die Zeitung zu schauen. Nun fühlte ich mich einigermaßen bereit. Ich hatte so viele Fragen. „Eric hatte einen schweren Unfall mit seinem Moped.“ antwortete meine Mutter. „Er war schon auf der Autobahn. Ein Geisterfahrer kam ihm entgegen der auf der falschen Seite fuhr. Er hatte keine Chance, auszuweichen. Man hat versucht ihn wiederzubeleben aber es war zwecklos. Die Polizei hat den Fahrer bereits erwischt. Es tut mir so Leid Luna!“ Sie nahm mich in die Arme und mir liefen schon wieder Tränen die Wangen hinunter. Ich hatte noch nie so große Sehnsucht nach jemandem. Der Mensch, der mir am meisten bedeutet, existiert plötzlich nicht mehr.
    Jetzt gibt es ihn nur noch in meinen Erinnerungen. Jede Nacht bevor ich einschlafe, lasse ich nochmal alle glücklichen Momente mit Eric Revue passieren und manchmal fühlt es sich realer an als die bittere Wirklichkeit.
    Für mich war es der schlimmste Freitag der 13…

  • von Persephone



    Ich bin wieder unterwegs. Draußen. Auf der Suche nach ihnen. Auf der Suche nach denen, die mich sehen, mich erkennen. Die mich spüren. Doch es ist alles wie jedes Mal. Ich stehe am Bahnsteig und hier herrscht ein hektisches Treiben.


    Ich stehe zwischen ihnen, neben ihnen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass noch jemand von ihnen weiß, dass ich hier irgendwo bin. Doch ich kann nicht sicher sein, ob sie mich wirklich bemerken. Schließlich hat mich schon länger keiner mehr angesprochen. Was ist mit mir geschehen, dass mich keiner bemerkt? Habe ich mich so verändert? Früher, ja früher. Da kannte mich jeder und diejenigen, die mich nicht kannten, wollten mich kennenlernen. Sie spürten, dass ich da war. Ich spürte, dass ich da war. Jeder sprach von mir. Ja, jeder lebte mich.


    Ich war glücklich, denn ich half ihnen, glücklich zu sein. Ich hatte viele Namen. Ich hatte sogar einen eigenen Satz. Diesen höre ich auch manchmal noch. Aber niemand bringt mich mehr wirklich damit in Verbindung. Heute weiß keiner mehr, wer oder was ich eigentlich bin! Viele glauben, mich zu kennen, dabei verwechseln sie mich nur. Aber das ist wirklich lächerlich. Ich weiß nicht, wie es passieren konnte. Ich habe es nicht einmal bemerkt. Aber selbst wenn, hätte ich es dann verhindern können?


    Ich sehe mich um. Überall diese Hektik, dieser Stress. Wieso existiere ich denn noch? Mich braucht doch eigentlich keiner mehr. Kein Wunder, dass mich die Leute nicht bemerken, sie leben eher nebeneinander als miteinander. Aber Es ist, was es ist. Der Bahnsteig leert sich und plötzlich ändert sich etwas. Ich fühle es, drehe mich um.


    Ich sehe ein Mädchen, und ich sehe, dass sie mich sieht. Ja, sie sieht die Welt durch meine Augen und sie ist nicht allein. Neben ihr steht ein junger Mann. Sie unterhalten sich nicht. Sie stehen einfach da und sehen sich an und ich merke, dass genau das der Grund ist, warum es mich noch gibt. Genau diese Momente. Und egal, wie sich das alles noch weiter entwickelt:


    Es ist, was es ist,
    und ich bin, was ich bin,
    und ich bin
    und bleibe…

  • von Eisnebelhauch



    Das Tagebuch liegt fest verschlossen auf dem Tisch vor mir, und ich weiß nicht, wie lange ich inzwischen schon hier sitze und es einfach nur anstarre.


    Kennt ihr das Gefühl, genau zu wissen was passieren wird, wenn ihr dieses oder jenes macht? Klar, das kennt jeder.
    Du weißt genau, wenn du die Pulle jetzt leer trinkst, ist dir morgen früh kotzübel. Oder wenn du deinem Chef sagst, dass er ein rassistisches Arschloch ist, hast du noch am selben Tag die Kündigung im Briefkasten. Und obwohl du das alles ganz genau weißt, gibt es diese Tage, an denen dir die Konsequenzen egal sind, und du machst es trotzdem, ohne Rücksicht auf Verluste.


    So ähnlich verhält es sich bei mir mit diesem Tagebuch. Ich weiß genau, dass es mir nicht gut bekommen wird, wenn ich es öffne ... und dennoch werde ich es öffnen, denn heute ist wiedermal einer dieser Tage ... ihr wisst schon.


    Jetzt fragt ihr euch vielleicht, was in einem Tagebuch stehen könnte, das einem das Leben so schwer machen kann; oder ob es sich überhaupt um mein Tagebuch handelt?
    Was den zweiten Teil angeht, kann ich euch beruhigen. Es ist wirklich meins. Diese Tatsache allein hat mir früher schon eine Menge Hohn und Spott eingebracht. Mein Vater war nämlich der Ansicht, das wäre Mädchenkram und ich sollte meine Zeit nicht mit so einem sentimentalen Schwachsinn vertrödeln. Aber darum geht es jetzt gar nicht.


    Hier geht es einzig und allein um Yasemin. Und um mich. Ober besser gesagt um uns, obwohl es ein uns nie geben durfte. Yasemin ist Türkin.
    Wir lernten uns kennen, als wir 13 waren und wurden getrennt, als wir 17 waren. Yasemin musste zurück in ihre „Heimat“.


    Das Heikle an dem Tagebuch ist in erster Linie auch nicht sein Inhalt. Ich kenne jedes Wort auswendig.
    Es ist mehr ein symbolischer Akt. Eine Art psychischer Schalter, den ich mir in meiner Verzweiflung gebastelt habe, um nicht durchzudrehen.
    All meine Gefühle, Gedanken und meine unendliche Einsamkeit sind dort Buchstabe für Buchstabe festgehalten. Eingesperrt. Verschlossen.
    Halbwegs erträglich.


    Ich weiß nicht, ob ihr das verstehen könnt, aber wenn ich das Buch öffne, ist es, als würde sich die Schlinge, die mein Herz im Zaum hält, lösen. Watte und Nebel verschwinden. Die Hoffnung wird freigelassen, es vielleicht doch zu schaffen. Dann gibt es kein Halten mehr und ich muss zu ihr. Egal wie.


    Das letzte Mal, als ich den Verschluss geöffnet habe, endete ich im Klinikum. Yasemin war damals noch in Hamburg, aber wir durften uns seit Wochen nicht sehen und ich hielt es einfach nicht mehr aus. Kurz vorm Ziel bin ich dummerweise mit ein paar Familienangehörigen von ihr zusammengeprallt. Als ich am nächsten Morgen ziemlich lädiert in einem Krankenhausbett erwachte, hatte ich den Geschmack von türkischem Honig auf den Lippen.


    Dieses Mal wird es schwieriger werden, dessen bin ich mir bewusst.
    Der Schlüssel steckt im Schloss und ich bin nur noch eine Umdrehung davon entfernt in die Türkei zu fliegen.


    Wünscht mir Glück.


    Klick ...

  • von rienchen



    „Liegst Du schon wieder in meinem Bett?“
    Die Stimme sollte streng klingen, aber der zärtliche Unterton klang durch. Seit Neuestem bestand sie darauf, dass er in „seinem“ Bett schlief, damit sie nachts endlich wieder besser schlafen könne. Was für ein Schwachsinn. Er würde sie einfach immer wieder überlisten, er beherrschte alle Tricks. Er inhalierte den wunderbaren Duft, der zwischen den Kissen hing und lugte vorsichtig zwischen den Daunen hervor, Schlaf vortäuschend. Sie stand im Türrahmen, schön wie immer, aber die Falte zwischen ihren Augenbrauen hatte bereits größenwahnsinnige Ausmaße angenommen.„Hallo! Süßer! Hast Du mich verstanden?“ Er musste laut lachen, als sie ihm mit einem Handgriff die Decke wegzog und ihn in die Seite knuffte. Ihr Gesicht war ganz nah bei seinem, sie küsste ihn auf die Wange, dann auf den Mund. Ich gehe jetzt einkaufen.“ Bei ihrem Anblick war er einfach sprachlos. Die braunen Haare, die über ihre Schultern fielen und das hübsche Gesicht einrahmten. Manchmal ließen sich umherirrende Sonnenstrahlen darauf nieder und drehten Pirouetten, als hätten sie grade nichts Besseres zu tun. Er liebte sie. Zumindest ihre Hand wollte er nochmal halten, aber sie war schon an der Haustür. „Nachher feiern wir Deinen Geburtstag“.


    Lustlos stand er auf, raffte seine Klamotten vom Schlafzimmerboden, warf sie im hohen Bogen vor die Waschmaschine und schaltete den Fernseher ein. Eine Blondine namens „Katzenberger“ hielt ihre Brüste in die Kamera und brabbelte irgendwas von „Hupen“. Er konnte nicht verstehen, weshalb sich seine über alles Geliebte immer so über dieses Mädchen aufregte. Okay, die Ische hatte eben diese „Hupen“, aber sie war doch keine Konkurrenz! Ein plötzliches Verlangen nach lauwarmer Milch ließ ihn zum Kühlschrank schlappen. Frühstück hatte sie ihm auch nicht gemacht! Das war aber auch mal anders! Empört und vor sich hinschimpfend schnitt er sich eine Scheibe Brot runter. Beinahe hätte er sich geschnitten, wütend schmiss er das große Brotmesser auf den Boden. Wie konnte sie ihn nur so rücksichtslos alleine lassen? In dieser riesigen Wohnung mit dem ganzen unübersichtlichen Küchenkram! Überhaupt war sie schon eine Ewigkeit weg. Er spürte schon wieder dieses Gefühl in sich aufsteigen, er musste kräftig schlucken, um den Bissen Brot und den Kloß in seinem Hals zu bezwingen. Auf dem Balkon saß ein Vogel, sowas wie ein Specht, der ihn mitleidig anguckte und eine melancholische Melodie in E- Moll pfiff. Dann erhob er sich in die Lüfte und schwirrte seiner Wege. Blödes Mistvieh.


    Er holte sich ein Buch, konnte sich aber nicht konzentrieren. Diese Langeweile war nicht zum Aushalten. Hatte sie ihn vergessen? Beim letzten gemeinsamen Einkauf hatte er sie beobachtet, wie sie am Eierregal mit einem kleinen Knilch in Fußballkluft geflirtet hatte. Jaaa, deshalb kam sie nicht. Er vermisste sie, hatte Sehnsucht nach ihr und sie amüsierte sich mit einem peinlichen Eierbärchen im Fc Bayern Trikot. Heiße Tränen schossen ihm in die Augen, da hörte er den Schlüssel im Schloss. „Mama“ rief er und schlang sich um ihre Beine. Der Geburtstagskuchen, den sie auf dem Arm balancierte, ging zu Boden. Und mit ihm sechs Kerzen.

  • von Lese-rina



    Peter schwingt sich aufs Rad. Seine neuen Freunde begleiten ihn noch ein Stück, doch dann ist er wieder allein. Allein mit sich und seinen Gedanken. Wohin würde ihn seine neue Tour führen? Durch einsame Gebiete oder Millionenstädte? In die Hitze oder doch in die Kälte? Auf felsige Höhen oder tiefe Täler? Einmal rund um die Welt?
    Nur grob hatte er seine Route vorgeplant. Er reist lieber spontan, ohne Pläne, die sowieso nicht funktionieren, ungebunden und frei. Was wird ihn diesmal erwarten? Fahrradpannen in menschenleeren Gebieten, gestohlene Ausweispapiere oder stundenlange Verhöre - er hatte schon einiges erlebt. Doch immer wieder auch Hilfsbereitschaft und Zuneigung. Freundschaften hatte er sehr viele geschlossen, doch hielten die meistens nur, bis es ihn weiterzog.
    Solange er sich zurückerinnern konnte, war er unterwegs. Zunächst war sein Radius beschränkt, doch mit zunehmenden Alter wurden seine Touren ausgedehnter, weiter und länger. Mit 16 hatte er Europa durchfahren und mit 21 seinen Traum von der Asienrundfahrt wahrgemacht. Jetzt war er knapp 30 und auf dem Weg nach Afrika.
    Oft wurde er gefragt, was ihn antreibt. Abenteuer erleben, fremde Länder und Kulturen erkunden oder sportlicher Ehrgeiz, waren seine Antworten. Doch tief im Inneren ist ihm bewusst, er ist auf der Suche.
    So strampelt er sich immer wieder ab. Kilometer um Kilometer. Er freut sich über jedes nette Lächeln und jedes freundliche Wort. Gefällt es ihm in einer Stadt, einem Dorf oder auch nur in einer Ansammlung von Hütten, bleibt er gerne eine Zeitlang dort. Dann stellt sich die Hoffnung ein, er sei angekommen. Doch irgendwann zieht es ihn immer wieder weiter. Er schläft unter Brücken, in Zelten oder einfach unter freiem Himmel. Ernährt sich wie die Einheimischen und dem, was die Natur ihm gibt. Er erlebt unzählige wundervolle Momente -Sonnenaufgänge am Meer und Sternfunkeln in der Wüste. Eigentlich genügend Eindrücke für ein ganzes Leben. Doch seine Sehnsucht wird nicht gestillt.
    Ob er es jemals erreichen würde? Sein großes Ziel? Seinen persönlichen Garten Eden? Einen Ort, der die Bezeichnung „Heimat“ verdient?

  • von imandra777



    Es war doch immer dasselbe. Sie kannte es ja schon, aber es ärgerte sie immer wieder erneut. Laura warf ihr Handy wütend in die Kissen auf ihrem Bett. War es denn wirklich zu viel verlangt eine kurze Mitteilung zu schicken. Eine Absage oder so?
    Aber das war Basti. Der Junge bei dem Laura nicht wusste, woran sie bei ihm war. Der Jahrmarktsbummel mit ihm und seinen Freunden war schön gewesen. Jedes Mal hatte sie bei seinen Blicken das Gefühl gehabt, als wenn er sie verstand. Genauso auch bei seinen Worten, wenn er sie aus seinen warmen und schalkhaften braunen Augen ansah.
    Laura klopfte auf das Kissen ein, ihr Handy war irgendwo in der Bettritze verschwunden, während Tränen aus ihren Augen quollen. Eine nach der anderen bahnte ihren Weg über ihre Wangen und tropfte dann auf das Bettzeug. Die Verabredung gestern hatte er abgesagt. Endlich hatte sie alles mit ihm klären wollen. Die Frage was und ob da etwas zwischen ihnen beiden war, quälte sie schon so lange. Ein hemmungsloses Schluchzen drang gedämpft in ihr Zimmer, während Laura versuchte ihr Gesicht so tief wie möglich in ihrem Kissen zu vergraben.
    Basti mit seinem schönen Lächeln, seiner einfühlsamen Art stand klar vor ihren Augen und verstärkte ihre Tränen nur noch. Abgesagt und keine neue Uhrzeit genannt. Einfach vergessen hatte er sie. Aber nein, das war nicht die Ursache, durfte sie nicht sein. Basti war etwas Besonderes.
    Laura sah auf die Uhr. Es war halb zehn. Zu spät für ihre Essensverabredung. Aber eine Nachricht würde er doch noch schicken können. Langsam und kraftlos wanderte ihr Hand in die ritzen ihres Betts und holte ihr Handy hervor. Starr richtete sie ihren Blick auf das Display und beleuchtete es. Keine Nachricht. Neue Tränen. Jetzt konnte Laura nur noch warten. Und sie hasste das Warten in dieser Ungewissheit.

  • von koob



    Leipzig, Leipzig meine Stadt,
    seitdem ich das erste mal bei dir war,
    konnte ich nichts anderes tun, als an dich zu denken.


    Als ich das erste mal meinen Fuß in dein Gebiet setzte,
    wurde ich von deinem Zauber gefangen.
    Niemanden kann ich es erklären,
    es ist einfach da.


    Jeden Tag vermisse ich dich,
    sehne ich mich nach dir,
    will bei dir sein,
    um mit dir eins zu sein.


    Immer wenn ich zu dir wieder komme.
    fühle ich mich geborgen und wohl,
    nur ein kleiner Schritt in deine Nähe reicht,
    um mich glücklich zu machen.


    Könnte ich doch bloß bei dir sein,
    dann wäre meine Pein vorbei
    und ich könnte einfach glücklich sein,
    nur du und ich.


    Meine Sehnsucht nach dir wächst Tag um Tag,
    wie lange nur halte ich das aus?
    Wann werde ich dich wieder sehen?
    Am liebsten jetzt gleich.


    Nur es ist nicht so einfach,
    hier gefangen von vielen anderen,
    sehne ich mich allein nach dir,
    und wünsche mich in deine Nähe.


    Bald ist es wieder so weit,
    dann werden wir wieder eins,
    und ich werde glücklich sein,
    wie niemals zuvor.


    Jedes mal werde ich glücklicher,
    wenn ich bei dir bin,
    denn du bist die einzige,
    die mich wirklich glücklich macht.


    Und wenn ich wieder gehen muss,
    umfasst mich eine Traurigkeit,
    und ich denke nur an unser Wiedersehen,
    denn ich will nicht ohne dich sein.


    Und ich werde wieder in Gedanken an dich daliegen,
    und über unsere gemeinsame Zeit nachdenken.
    Leipzig, Leipzig meine Stadt,
    wann werde ich endlich wieder bei dir sein?

  • von Mulle



    Ein Zittern durchlief Fernanda. In Wellen rauschte es durch ihre Glieder, bis in die behandschuhten Fingerspitzen und die Zehen in polierten Galoschen. Ihr Leib prickelte heiß und kalt. Alle Nervenenden vibrierten.
    Mit kaum hörbarem Klackklackklack zog die Maschinerie den Vorhang auf. Dampf quoll aus den Ritzen des Apparats und maskierte die schmutzigen Bohlen mit Nebel. Von den Metallschienen hoch über der Bühne rieselte Rost, er tanzte im grellen Licht der Gleißdrahtlampen gemeinsam mit Staub, der aus den Samtbahnen schneite.
    „Du bist fertig“, sagte Direktor Schlüsselmeister und wandte sich bereits dem nächsten Tanzmädchen zu.
    Fernanda antwortete dennoch. „Das bin immer, meu diretor.“
    Diese Bühne war ihr Leben.
    Ihr Lied begann.
    In immer gleichen Pirouetten tanzte sie ins Licht, jeder Schritt vertraut wie die Falten ihres Rockes, der die Knie verbarg. Ihr schwarzes Seidenhaar flog. Sie tanzte noch genau wie damals, als echte Musiker die Instrumente gespielt hatten. Heute erklang ihr Lied von einem knisternden Grammophon. Doch wen störte das? Wen hätte es gestört, dass mancher Scheinwerfer schwarz blieb und viele Plätze im Theater leer? Drei Zuschauer waren Fernanda sicher, und für diese drei hätte sie bis ans Ende ihrer Tage getanzt, wenn man sie bloß ließe.
    Da war die alte Dame, kaum noch zu erkennen hinter Tusche, Lippenstift und Wangenrouge. Motten nisteten in ihren Kleidern, Läuse im Haar. Aber ihr Schmuck war fürstlich, vielleicht der verblichenen Königin zu Ehren.
    In der zweiten Reihe saß die hagere Gouvernante; goldene Nadeln im Dutt, und auf dem Schoß ein mechanisches Hündchen, das sie nie verlassen würde, wie alle geliebten Menschen es wohl getan hatten.
    Und er … der Schöne aus der letzten Reihe. Der Hauptmann mit dem dunklen Spitzbart und dem Glasauge, in das Fernanda Stunden blicken wollte. Der Krieg hatte ihm ein Bein genommen, und vom Fortschritt war es ihm zurückgegeben worden. An einem Rädchen am Handgelenk zog er das Uhrwerk auf, das ihn mit der Prothese gehen ließ, als sei nie etwas geschehen.
    „Ach, der Hauptmann“, seufzte Fernanda oft. „Mein schöner, tapferer Hauptmann.“
    Jeden Tag lächelte sie ihm zu, darauf hoffend, dass er sie irgendwann bemerken würde. – Nicht als Tanzmädchen! Nein, als Frau. Und heute – endlich – schien der Tag gekommen. Er hob die Hand. Seine Finger waren lang und gelb vom Rauchen. Er winkte. Sein gläsernes Auge lächelte.
    Könnte man das Uhrwerk der Erde anhalten, so hätte Fernanda es getan, damit der Moment nie endete. Beschwipst vom Glück tanzte sie von der Bühne, zu den anderen Mädchen hin, denen sie erzählen musste, was geschehen war.
    „Ihr glaubt es ja doch nicht!“, rief sie, doch schon spürte sie ihre Bewegungen den Fluss verlieren. Nun bloß schnell, die Sekunden eilten! „Der Haupt-mann, er hat - mich – an-ge-seh…“
    Fernanda blieb keine Zeit, sich zu freuen. Nie. Die Mechanismen in ihrer Zunge, in Ellbogen und Knien kamen zum Stillstand. Verebbendes Klack, Klack … Klack begleitete die Regungen der Zahnräder in ihrem Herzen. Kinnscharnier und Lider sanken herab. Ihr Uhrwerk lief aus.
    „Erzähl‘s uns halt morgen, Fernanda“, hörte sie ihren Schlüsselmeister aus der Ferne murmeln.