Tobias Elsäßer - Für Niemand

  • Verlag Sauerländer, 2011
    Taschenbuch, 165 Seiten
    ISBN: 9783794170906
    Preis: 12,95 Euro


    Über das Buch:


    Drei Jugendliche, drei Schicksale. Sie kennen sich nicht, aber sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Selbstmord. In einem Internetforum verabreden sich Sammy, Nidal und Marie, um gemeinsam zu sterben - ohne allerdings zu ahnen, dass sie beobachtet werden. Yoshua ist heimlicher Mitleser des Chats und versucht, das Ereignis zu verhindern. Tatsächlich gelingt es ihm, die Identität, die hinter den Nicknames steckt, herauszufinden. Doch was wird passieren, wenn er zum vereinbarten Treffpunkt kommt ...?


    Meine Meinung:


    Bereits die Leseprobe zu Für Niemand hat mich sehr beeindruckt. Nun habe ich das Buch gelesen und bin noch beeindruckter als vorher. Mit Für Niemand ist Tobias Elsäßer ein unheimlich wichtiges Buch über ein wichtiges Thema gelungen. Ich finde dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre werden für alle, die mit jungen Menschen zu tun haben, denn das Buch zeigt dass nicht immer alles so ist wie es scheint und man vieles hinter einer Maske verbergen kann.


    Im Buch wird die Geschichte von vier verschiedenen Jugendlichen erzählt. Geschickt wird dabei ein Band geknüpft, dass sich immer enger webt so dass nach und nach ein Gesamtbild ersteht. Zu Erst erfährt man wenig über die Jugendlichen und über die Gründe ihrer Todessehnsucht. Doch nach und nach erfährt man mehr und muss auch häufiger zwischen den Zeilen lesen. Alle haben unterschiedliche Probleme und einen unterschiedlichen Hintergrund und doch stehen sie sich näher, als sie denken. Die von Tobias Elsäßer aufgegriffenen Themen sind aktuell und spiegeln einen Teil der heutigen Zeit sehr gut wieder. Dem Autoren gelingt es sehr gut, diese Probleme realistisch darzustellen. Er rutscht an keiner Stelle ins Übertriebene ab. Insgesamt ist Für Niemand sehr glaubwürdig, was das Buch gewissermaßen umso erschreckender macht.


    Seine Sätze sind sehr kurz und teilweise recht hart. Der Autor verliert keine überflüssigen Worte und beschränkt sich auf das Wesentliche. Viele Dinge bleiben ungesagt und sind dem Leser dennoch völlig klar. Teilweise fand ich den Schreibstil etwas kalt, was jedoch gut ins Buch passt. Durch seinen interessanten Schreibstil gelingt es dem Autoren mehr zu sagen als er schreibt und so ist das Buch trotz seiner dünnen Seitenzahl absolut rund und klar. Das zeugt für mich sehr vom schriftstellerischen Können des Autoren.


    Die 4 Protagonisten waren mir jeder auf seine Art gleich sympathisch. Zwischendurch hätte ich am liebsten alle 4 mal fest in den Arm genommen. Ich finde die Figuren sind sehr realistisch gezeichnet und man bekommt ein sehr gutes Bild von ihnen.


    Ich war sehr gespannt auf das Ende des Buches. Es hat eine Wende genommen, mit der ich nicht wirklich gerechnet habe und dennoch war sie im Nachhinein betrachtet absehbar. Das Ende des Buches ist absolut nach meinem Geschmack und rundet dieses Werk großartig ab.


    Mein Fazit:


    Mich hat das Buch sehr beeindruckt und deswegen kann ich nur sagen: Lesen! Lesen! Lesen!

  • KLAPPENTEXT:
    „Du wirst frei sein. Ohne Angst. Ohne Erinnerung. Ist schließlich dein Leben. Wenn man schon nicht gefragt wird, ob man geboren werden will, ist es nur fair, dass man das Ende selber bestimmen darf.“
    Drei Jugendliche, drei Schicksale. Sie stellen sich die gleichen Fragen:
    Was bereust du?
    Was siehst du bei Nacht?
    Was suchst du?
    Nur eines verbindet sie: die Suche nach dem Ausweg.


    ZUM AUTOR:
    Tobias Elsäßer wurde 1973 in Stuttgart geboren und hat sowohl eine Gesangs- als auch eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Er selbst sagt über sich: „Ich fühle mich ein bisschen wie ein Gemischtwarenladen, in dem es Musik, Bücher und jede Menge Träume zu kaufen gibt.“
    „Für niemand“ ist bereits sein fünfter Jugendroman.


    EIGENE MEINUNG:
    Ich schließe den Buchdeckel und bin zutiefst berührt. Gänsehaut hat sich auf meinen Armen gebildet und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Nach einem etwas schwierigen Einstieg in „Für niemand“, ist es dem Autor gelungen mich mehr und mehr in den Bann der Geschichte zu ziehen. Eine Geschichte, die tief in die Seele junger Menschen blickt und ein Thema anspricht, über das man nicht gern öffentlich redet: Selbstmord. Dabei gibt es so viele Jugendliche, die Suizid Gedanken in sich tragen. Manch einer hat so schlimme Dinge erlebt, dass er ein Leben damit kaum aushalten kann. Andere sehnen sich nach Aufmerksamkeit. Wieder andere haben Angst vor Ablehnung, Ausgrenzung. Probleme, die allesamt ernst zu nehmen sind. In Deutschland nimmt sich ca. alle 47 Minuten ein Mensch das Leben.
    In Tobias Elsäßers Roman gibt es vier Hauptpersonen. Nidal, Sammy, Marie und Yoshua. Es wird abwechselnd aus der Perspektive eines der Protagonisten erzählt, was anfangs etwas verwirrend ist, die Geschichte aber nach und nach auf einen gemeinsamen Punkt treibt.
    Yoshua hat für ein Schulprojekt ein Computerprogramm entwickelt, mit dem er sich in private Chaträume einhacken kann. Er landet in einem Chat zwischen drei Jugendlichen, die ihren Suizid planen. Schnell wird dem Leser klar, dass es sich dabei um Sammy, Marie und Nidal handelt, die im Netz natürlich Nicknamen tragen. Ich musste ein wenig rätseln, bis ich wusste wer der drei Sailor, wer Train und wer Whisper ist. Dies treibt die Spannung hoch, denn der Leser bekommt sowohl Häppchen aus dem „echten“ Leben der Protagonisten vorgeworfen, als auch davon wie sie selbst ihr Leben sehen und Unbekannten, denen sie nicht real gegenüberstehen, ihre Situation beschreiben.
    Dabei beleuchtet der Autor gefühlvoll, wie schwierig es ist, Menschen zu helfen, die den Gedanken an Suizid mit sich herum tragen, wie wenig ihre Familien oder Mitmenschen oft über sie wissen, und in welcher Hoffnungslosigkeit sich viele Betroffene befinden.
    Ich musste oft daran denken, wie viele Spekulationen nach einem Selbstmord angestellt werden. „Warum hat der/die sich denn umgebracht?? Dem gings doch gut.“ Doch wer weiß wirklich wie es im Inneren eines Menschen aussieht, oder welche Erfahrungen er machen musste, über die er sich nicht traut zu reden. Wie wichtig ist dabei der Rückhalt der Familie, der Freunde? Kann man Suizid abwenden? Fragen über Fragen, die nur sehr schwer zu beantworten sind.
    Tobias Elsäßer gelingt es, Charaktere zu kreieren, die sich aus unterschiedlichsten Gründen mit Selbstmordgedanken beschäftigen. Dadurch beleuchtet er nicht nur verschiedene Seiten des Suizids, sondern versucht dem Leser näher zu bringen, wie vielen Jugendliche ticken, was ihnen wirklich wichtig ist und wie unterschiedlich die Sicht der Dinge individueller Personen sind. Dies ist ihm sehr gut gelungen, denn oft dachte ich: „ Ja so könnte es wirklich sein.“
    Ich hatte nicht das Gefühl einfach einen Roman zu lesen, sondern mitten in der Geschichte zu sein. Wie Yoshua hatte ich das Bedürfnis zu helfen. Das Leben der Protagonisten zu retten.


    FAZIT: „Für niemand“ ist ein Buch, das bewegt, das Gefühle aufrührt, das Gedanken durcheinander wirbelt. Das hinterfragt, mitnimmt und sich fest einbrennt. Das Lesern auf gefühlvolle und eindringliche Art und Weise eine Sicht aufs Leben vermittelt. Und uns dazu anhält die Augen etwas mehr zu öffnen für Schwierigkeiten, Gefühle und Tabuthemen. Denn kein Problem wird dadurch gelöst dass man es tot schweigt.
    Ein sehr empfehlenswertes Buch für alle Altersklassen.

  • Wenn ich bisher in den Medien oder in Fachliteratur davon gelesen habe, dass sich Menschen online über das Thema Suizid austauschen, sich vielleicht noch gegenseitig dazu motivieren, dann habe ich immer irgendwie schlecht und erschüttert gefühlt und den Gedanken daran eher verdrängt.


    Umso mutiger finde ich Tobias Elsäßer ein solches Tabuthema in einem Jugendbuch zu behandeln. Ohne groß um die Pläne der drei Jugendlichen drum herum zu schreiben, benennt der Autor ihren gemeinsamen großen Wunsch: die drei wollen nicht mehr leben, sie verabreden sich zum gemeinsamen Selbstmord.


    Sehr gelungen finde ich es, wie unterschiedlich die drei Jugendlichen in dem Buch sind. Es zeigt meiner Meinung nach sehr gut, dass Suizid nicht nur in einer Gesellschaftsschicht passieren kann, unabhängig vom Geschlecht ist und dass nicht alle Jugendlichen, die einen Selbstmord planen, grausame und nicht liebende Eltern haben. Suizidgedanken kann jeder aus den unterschiedlichsten Gründen haben.
    Und genau hier ist ein weiterer Pluspunkt der Geschichte zu finden: Als Leser erfährt man erst nach und nach, welche verschiedenen Gründe von Nidal, Sammy und Marie für den Suizid haben. Die unterschiedlichen Motive nach und nach zu erfahren, macht mit den Reiz des Buches aus.


    So weit, so gut: Das Buch ist sicherlich eine gute Basis für Diskussionen zum Thema Selbstmord. Doch habe ich auch einige Kritikpunkte. Zum einen finde ich, dass mögliche Auswege aus dem Suizid oder Anlaufstellen für selbstmordgefährdete Personen nur unzureichend oder gar nicht thematisiert werden. Natürlich soll so ein Buch keine heile Welt vorspielen und realistisch bleiben, aber trotzdem sollten zumindest Wege aus der Lebensunlust gezeigt werden.
    Zum anderen geschehen einige der Dinge in dem Buch für meinen Geschmack etwas zu überzufällig, zu viele Geschichten hängen dann doch zusammen, wo kein Zusammenhang hätte bestehen müssen. Das macht das Buch zumindest für mich unrealistisch.


    Doch der größte und gleichzeitig erstaunlichste Punkt, den ich an diesem Buch zu kritisieren habe, ist dass die Geschichte um Nidal, Sammy und Marie es nicht geschafft hat, mich zu berühren. Ich habe das Buch gelesen, habe es sogar ganz gerne gelesen, finde das Thema auch interessant, doch haben mich die Geschehnisse und die Figuren ziemlich kalt gelassen.


    Ich möchte betonen, dass ich – soweit ich weiß – mit dieser Meinung eher alleine da stehe. Ich habe schon einige sehr begeisterte Rezensionen gelesen. Doch ich kann „Für niemand“ für eine gute Idee und eine solide Ausführung, aufgrund des Mangels an Emotionen nur 3 von 5 Sternen geben.

  • Das Leben meint es nicht immer gut mit den drei Jugendlichen Nidal, Sammy und Marie. Alle drei haben in ihrem Leben Erfahrungen machen müssen, die sie nicht mit sich vereinbaren können. Im Alltag tragen sie eine Maske, die sie niemals ablegen. Zu groß ist die Angst vor Abweisung und Unverständnis.
    Nidal eröffnet einen Chat, an dem er jedoch nur Sammy und Marie teilnehmen lässt, denn sie haben seine Ansprüche erfüllt. Sie dürfen mit ihm gemeinsam sterben.


    Was sie dabei nicht ahnen: Yoshua, ein weiterer Jugendlicher, hat sich in das Chatsystem gehackt und nimmt als stiller Beobachter an ihren Gesprächen teil. Aber ist er auch dazu in der Lage, Nidal, Marie und Sammy zu retten?


    Wow, was für ein Buch!
    Tobias Elsäßer hat mit „Für niemand“ ein absolutes Meisterwerk geschrieben, dass mich von der ersten Minute an fesseln, schockieren und begeistern konnte.


    Eigentlich wollte ich das Buch zunächst nur kurz anlesen und es dann für später aufheben, allerdings konnte ich nach nur wenigen Seiten schon nicht mehr aufhören.


    Der Schreibstil ist grandios. Die Geschichte wird sehr einfühlsam und wortgewandt in mehreren Episoden erzählt. Was zunächst ein wenig wirr erscheint, macht im Verlauf der Geschichte immer mehr Sinn und immer mehr erkennt man, wie gut sich doch alles zusammenfügt.
    Obwohl das Thema direkt auf den ersten Blick klar ist, kommt doch alles anders, als man denken könnte. Kein einziges Kapitel war vorhersehbar.


    Die Sätze sind recht kurz, aber dafür sehr intensiv. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Nidal, Marie, Sammy und Yoshua geschrieben, allerdings kommen auch andere Personen, wie Psychologen, Journalisten oder auch Nidals Freund Patty zu Wort.


    Die Charaktere wirken lange unnahbar und ich habe ihre Vorgehensweise nicht durchschaut, doch je mehr man von ihnen erfährt, desto besser konnte ich sie in mein Herz schließen. Ihre Gedanken sind zum Teil sehr wirr, aber am Ende macht alles Sinn.
    Vor allem Sammy ist mir in dieser Geschichte ans Herz gewachsen. Von allen ist sie die lebhafteste und legt viel Sarkasmus an den Tag. Aber auch Maries Gedanken und Vorgehensweisen haben mich zum Teil beeindruckt, aber auch schockiert.


    „Sie schließt kurz die Augen. Pulsierende Schmerzen schieben in Wellen durch ihren Körper. Sie fragt sich, ob diese Schmerzen tatsächlich existieren. Vielleicht ist es wie bei einem Menschen, dem man ein Bein amputiert hat. Phantomschmerzen. Brennend. Unsichtbar, aber dennoch vorhanden. Und wenn das Leben eine Täuschung ist? Wenn sie das alles nur träumt? Die Gerüche, die Farben, die Gebäude, ihre Familie. Seltsamerweise macht ihr diese Vorstellung Hoffnung. Alles nur ein Spiel, denkt sie. Alles nur ein großes Theaterstück. Und jetzt ist es an der Zeit, für die letzte Rolle vorzusprechen…“ [Seite 41]


    Interessant ist auch die Vorgehensweise, wie die Jugendlichen untereinander kommunizieren. Während Yoshua lediglich ein stiller Beobachter ist und ständig darauf wartet, dass die anderen wieder miteinander chatten, verbieten sich Marie, Sammy und Nidal gegenseitig, anderweitig Kontakt zueinander aufzunehmen. Auf der einen Seite sind sie neugierig aufeinander und interessieren sich für ihre Beweggründe, auf der anderen Seite wollen sie aber selbst nichts preisgeben und sich erst recht nicht vorher treffen, da sie die Angst haben, sich evtl. anzufreunden und so wieder etwas zu entdecken, für das es sich zu leben lohnt.


    Die Covergestaltung ist schlicht und bildet eines der Mädchen ab. Besonders passend ist hier der leere Blick des Mädchens, dass sehr gut für die Einstellung und das Leben der einzelnen Protagonisten steht.


    „Für niemand“ behandelt das Thema Selbstmord mit dem nötigen Respekt und schockierte mich zutiefst. Empfehlenswert ist dieses Buch jedoch nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene, denn dieses Thema geht jeden von uns etwas an. Unbedingt lesen!

  • Meine Meinung:


    Das Buch ist in zwölf Kapitel aufgeteilt, die Überschriften sind stets Fragen:
    Unter anderem: „Wen wirst du vermissen?“, „Wer kann dich retten?“, „Wer steht an deinem Grab?“


    Die Erzählperspektive (personaler Erzähler) wechselt fortlaufend. Stets steht der Name, aus wessen Sicht berichtet wird, über dem entsprechenden Text. Der Leser erhält Einsichten von den vier Hauptprotagonisten, aber auch Nebenfiguren kommen sporadisch zu Wort.


    Im Laufe der Erzählung lernt man die Jugendlichen kennen, erfährt von ihren Schicksalen, ihren Gründen, warum sie sich das Leben nehmen wollen. Dem Thema geschuldet ist das ganze Buch durchzogen von einer Beklemmung, die sich im Magen festsetzt. Als Leser setzt man alle Hoffnung auf Yoshua, dass er die Selbstmorde doch verhindern möge. Denn dass Sammy, Nidal und Marie es ernst meinen, wird sehr schnell klar. Die Figuren sind sehr unterschiedlich konstruiert und ich mochte sie alle.


    Der nüchterne Ton, mit dem die Geschichte erzählt wird, hatte bei mir nicht den Effekt mich als Leser auf Abstand zu halten. Ganz im Gegenteil. Die Schreibweise passte zur knappen Strukturierung des Textes und spiegelt sich in den Passagen, die die Chatgespräche der drei Jugendlichen wiedergeben. Der Stil hat mich effizient durch die Seiten gezogen.


    Ohne zu moralisieren oder auf die Tränendrüse zu drücken, schafft es der Autor sich diesem diffizilen Thema glaubhaft anzunehmen. Es ist ihm jedoch nicht daran gelegen, Lösungen aufzuzeigen oder einen Allgemeinplatz zu konstruieren, nach dem Motto Selbstmord ist unsinnig. Er zeigt lediglich ein Stück der Wirklichkeit, wie man sie auch außerhalb zweier Buchdeckel finden kann.


    Ein bewegendes Buch, das nicht nur Jugendliche lesen sollte. Vielleicht ist es sogar in erster Linie für Eltern geschrieben worden.


    Ich gebe 9 von 10 Punkten.