Der Hodscha und die Piepenkötter - Birand Bingül

  • Der Autor:


    Birand Bingül, geb. 1974, ist Journalist und Autor. Der WDR-Redakteur hat sich viele Jahre intensiv mit den Themen Integration und Migration beschäftigt und war u.a. Kommentator der ARD Tagesthemen. «Der Hodscha und die Piepenkötter» ist sein zweiter Roman.



    Der Inhalt (von Amazon):


    Treffen sich zwei Kulturen...
    In ihrer Stadt ist Ursel Piepenkötter ist die unangefochtene Nummer eins. Als amtierende Oberbürgermeisterin liebt sie das Bad in der Menge, sie ist resolut und kämpferisch. Ihre Spezialdisziplinen: Tricksen, tarnen, täuschen. Ihr oberstes Ziel: die Wiederwahl. Doch die gerät in Gefahr, als Nuri Hodscha, der neue Geistliche der türkischen Gemeinde, zum Einstand ankündigt, eine prächtige Moschee bauen zu wollen. Vielen Bürgern der Stadt ist der Islam nicht geheuer - muss eine Bürgermeisterin da nicht eingreifen und Profil zeigen? Ursel Piepenkötter wittert die Chance, durch eine wohldosierte Portion Populismus die Wahl für sich zu entscheiden. Doch als sie Nuri Hodscha den Marsch blasen will, ist sie an den Falschen geraten: Der Mann Allahs ist ein Schlitzohr ohnegleichen. Ob Kuhhandel oder Erpressung - auch ihm sind alle Mittel recht. Noch 42 Tage bis zur Wahl. Zwei Gegner, die sich nichts geben. Der Kampf ist eröffnet ...



    Meine Meinung:


    Meiner Meinung nach hat Birand Bingül das mit Bravour gemeistert, was Nuri Hodschas Vater seinem Sohn immer und immer wieder eingebläut hat: Was man macht, soll man richtig machen! Ich habe selten ein Buch (und dann auch noch über ein vielleicht eher kritischeres als unterhaltsames Thema) gelesen, das so viel Situationskomik und gleichzeitig so viel Detailliebe zu seinen Figuren und deren Charaktern aufgewiesen hat.


    Nuri Hodscha kommt (mit variierenden Deutschkenntnissen - je nachdem mit wem er es gerade zu tun hat) ins "Revier" von Ursel Piepenkötter, die (wie jeder Politiker?!) mit einigen dunklen Geheimnissen oder gerade diesen zum Trotz kurz vor der Wiederwahl als Oberbürgermeisterin steht.


    Nuri kommt in Begleitung seiner Tochter Hülya und natürlich auch mit Allah im Gepäck, mit dem er sich fantastische (Streit-)Gespräche liefert, die ihn immer mal wieder daran erinnern, dass zwar Er über allem steht, aber nicht hinter allem. Natürlich werden auch einige Klischees bedient, aber seltsamerweise trotz mancher Häufung wirken sie nicht überstrapaziert.


    Die Tage bis zur Wahl werden sowohl in Betrachtung von Nuri als auch von Hülya erzählt (aber nicht in Ich-Form, was ich sehr angenehm fand) und so möchte man immer mal wieder wie Nuri den Kopf schief legen, überlegen was nun der oder die jeweils andere wohl dazu gemeint hat oder meinen wird.


    Ich habe die Personen allesamt lieb gewonnen, da die Angewohnheiten so schön überzeichnet sind, aber dennoch nie langweilig wirken. Auch die ernsteren Stellen im Buch wie z.B. Diskussionsrunden oder Streitgespräche sind nie phrasendrescherisch geschrieben sondern immer im Stil des Buchs, lustig, leicht, aber immer mit dem Funken (oder Feuer) Wahrheit darin. Während des gesamten Lesens hatte ich immer Spaß an dem Buch, seinen doch immer wieder unerwarteten Wendungen und den Geschichten, die sich Birand Bingül ausgedacht hat.


    Und vielleicht - das ist meine Hoffnung - gibt es ja schon vor der nächsten Wahl etwas Neues über den Hodscha und die Piepenkötter? Denn wenn Birand Bingül eins richtig macht, dann ist es tolle Geschichten schreiben!

  • Meine Rezension
    Da haben heute wohl zwei Eulen dasselbe Buch in der Sonne gelesen? :lache Ganz kann ich mich Dschaennas Meinung aber nicht anschließen.


    Der Hodscha (mit den wechselnden Sprachkenntnissen *grins*, sehr raffinierter Schachzug!) und die Piepenkötter treffen nicht nur im sprichwörtlichen Sinn aufeinander, nein sie geraten auch so richtig aneinander.


    Beide haben ein Ziel: die Piepenkötter will als Bürgermeisterin wiedergewählt werden, der Hodscha will für seine Gemeinde eine neue Moschee. Dieses Ziel verfolgen beide ohne Rücksicht auf Verluste. In ihrem Bestreben schrecken sie nicht einmal davor zurück, ihre Kinder zu manipulieren, zu erpressen und für ihre Zwecke einzuspannen.


    Beide verbindet dabei mehr, als sie ahnen: beide haben quasi eine Leiche im Keller und dann ist da noch die Sache mit ihren Kids. Die beiden erkennen ebenso schnell wie widerwillig, daß sie manchmal doch irgendwie kooperieren müssen, auch wenn der eine dem anderen nicht über den Weg traut.


    Auf dem Klappentext heißt es: 'Der humorvollste Zweikampf seit Don Camillo und Peppone'

    Ja und nein. Die nächtlichen Treffen in der Laube sind schon witzig, aber ansonsten ist es ein Hauen und Stechen. Es wird mit harten Bandagen gekämpft und beiden schämen sich nicht, ihre Kinder mit einzuspannen und durch Geld bzw. Erpressung mit in ihr schmutziges Spiel einzuspannen. Sie wollen es nicht, sind aber ihren manipulativen Eltern unterlegen und so werden die beiden gegeneinander ausgespielt, was wiederum den Eltern gefällt, die sich diesen Umgang nicht wünschen.

    Beide denken dabei nur an sich, ihren Posten und ihre Macht - die anderen bleiben auf der Strecke und darin stehen sie sich in nichts nach. Eigentlich ist das ekelhaft und nicht lustig, denn sie überspannen den Bogen bei weitem und benehmen sich richtig unanständig. Eine Intrige jagt die andere…

    Es ist - zumindest für mich - keine "leichte Komödie", sondern unterschwellig ein richtig harter Brocken. Doch dabei sehr unterhaltsam und lesenswert. Und das Ende versöhnt dann doch auch irgendwie mit dem ganzen Hickhack vorher.

    Versteht mich nicht falsch – mir hat das Buch wirklich gut gefallen, aber der Kampf dieser beiden ist bei weitem nicht so „humorvoll“ wie Don Camillo und Peppone, denn wo dort mal Rizinus ins Essen gekippt wird, wird hier mit harten Bandagen und richtig verbissen gekämpft. Das Buch war in meinen Augen interessant, teilweise lustig aber auch ernst und tiefgründig … und das Verhalten der beiden Protagonisten war sehr fragwürdig. Ich würde weder so einen Bürgermeister noch so einen geistlichen Vorstand haben wollen. Pfui.


    Dennoch: sehr unterhaltsames Buch, aber man darf kein harmloses Schelmenstück erwarten.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Keine Frage, Birand Bingül liefert hier sicherlich ein humorvolles aktuelles Buch ab. Das eine brisante Thematik mit Witz und Leichtigkeit anzugehen versucht und dieser Versuch gelingt auch auf weiten Strecken, allerdings fühlte ich als erwachsener halbwegsintelligenter Leser mich an manchen Stellen des Buches ein wenig unterschätzt. Hier und da entwickelt der Autor eine gewisse Erklärbärmentalität und nutzt eine so simple Sprache, daß ich mich eher auf den Seiten eines Jugendbuches wähnte als auf denen eines kritischen Romans für Erwachsene, der sich mit einer zeitgemäßen Problematik auseinandersetzt. Da es Birand Bingül jedoch trotzdem gelingt den Leser zu fesseln, Berührungspunkte und Denkansätze aufzuzeigen und auch Unterschiede und Möglichkeiten des Miteinander zu erläutern, ist das Buch dennoch sicherlich ein empfehlenswertes und eigentlich sagt ja auch bereits der Titel, daß es sich selbst nicht so ganz ernst nimmt.


    Ich hab Nuri Hodscha und Frau Piepenkötter gerne bei ihren kleinen Scharmützeln begleitet und fand auch die hier und dort eingesprenkselten Türkischen Sätze nicht so schwer, allerdings bin ich des Türkischen auch ein wenig mächtig, ich könnte mir vorstellen, daß der ein oder andere ohne Erläuterung im Buch stehende Satz einen Leser ohne rudimentäre Kenntnisse der Sprache ein wenig verärgern oder gar irritieren könnte.


    Trotzdem gute und interessante Unterhaltung.


    Allerdings würde ich gerne noch den etwas popeligbilligen Einband bemängeln, diese Soft-Hardcover gehen wirklich gar nicht, die sehen trotz vorsichtiger Behandlung so schnell, so zerlesen aus... sehr ärgerlich!

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Allerdings würde ich gerne noch den etwas popeligbilligen Einband bemängeln, diese Soft-Hardcover gehen wirklich gar nicht, die sehen trotz vorsichtiger Behandlung so schnell, so zerlesen aus... sehr ärgerlich!


    :grin


    ...denn ich hab mich gefreut über das "bessere" Taschenbuch-Cover.
    Aber du hast recht, als Hardcover geht das wirklich nicht durch!

  • Ach ja - ich denke, an diesem Buch lässt sich wunderbar zeigen, wie "vermint" das Feld um die allgegenwärtige Integrationsdebatte in Deutschland ist. Wir gehen mittlerweile dermaßen verkrampft mit dem Thema um, dass wir selbst von reiner Unterhaltungslektüre verlangen, tiefgründige und vielschichtige Themen aufzugreifen - und dann auch noch, bitteschön, politisch korrekt. So kommt es mir zumindest vor, wenn ich viele Rezensionen hier lese.


    Doch was will und wollte eigentlich der Autor? Schließlich ist er selber Türke, und zwar einer der jüngeren Generation, die bereits hier aufgewachsen ist. Er ist gelernter Journalist, und hat für WDR und ARD gearbeitet. Und da sollte man doch meinen, dass er eine recht zutreffende und vor allem abgeklärte Haltung entwickelt hat. Was tut er also? Er erfindet kurzerhand einen türkischen Geistlichen, Nuri Hodscha, sowie eine deutsche Politikerin, Ursel Piepenkötter (herrlicher Name!), mit ziemlich unverhohlenen Anklängen an Angela Merkel. Und diese beiden lässt er nun symbolhaft für Deutschland die ganze Handlung über gegeneinander in den Ring steigen.


    Schon allein die Gestaltung dieses Bandes, sowie Titel und Inhalt, machen überdeutlich, worum es Birand Bingül hier geht. Er will ja gar nicht politisch korrekt sein, und auch keinen realistischen Roman schreiben. Ich vermute: er hat diese ganzen verbissenen Debatten herzlich satt, und versucht, die Leser mit Humor durch ein vermintes Feld zu führen - um somit BEIDEN Seiten den Spiegel vorzuhalten. Und genau das gelingt ihm hervorragend!


    Das Cover und die Kapitelüberschriften sind im Comic-Stil gehalten. Auf dem vorderen Einband sehen wir den Hodscha und die Piepenkötter, die sich verbissen den Rücken zukehren. Sehr symbolträchtig: jeder ist vor dem Hintergrund des religiösen Gebäudes der jeweils anderen Person abgebildet.


    Die Überschriften haben einen sehr heiteren Ton, und erinnern den Leser an klassische humoristische Romane. "Wie der Hodscha und die Piepenkötter sich das erste Mal trafen", "Wie der Hodscha und die Piepenkötter um das riesengroße Kreuz stritten", "Wie der Hodscha und die Piepenkötter wegen der Rolle der Frau im Islam aneinander gerieten" - das klingt schon fast wie eine Moritat oder ein Märchen, und es zeigt dem Leser vor allem, dass dies alles beispielhaft gemeint ist. Man soll sich darin wiedererkennen - und lachen!


    Ferner finde ich auch die zeitliche Konstruktion pfiffig gemacht. Innerhalb der Kapitel gibt es - szenenweise - wiederum einzelne Abschnitte, die mit Datum versehen sind. Alles wird rückwärts gezählt, bis hin zur ersehnten Wiederwahl von Ursel Piepenkötter. Wie eine kleine Bombe tickt das Buch vor sich hin, bis zum Tag der Wahl. Und da ist es doch logisch, dass es auch hin und wieder einmal "krachen" darf!


    Auffällig ist bei genauem Hinlesen auch, wie gleichmäßig und "gerecht" der Autor die beiden Figuren angelegt hat. Beide Protagonisten haben a) einen Assistenten, der ihm/ihr blind vertraut und alles tut, b) ein pubertierendes Kind, c) eine Organisation hinter sich, die Druck macht, d) einen politischen oder religiösen Gegenspieler, und e) ein Geheimnis, einen Fehltritt, den die Öffentlichkeit besser nicht kennen sollte. Das zeigt mir ganz deutlich, dass der Autor weder Partei ergreift, noch dem Leser die Bewertung in irgendeiner Weise abnimmt. Nachdenken soll man selber.


    Sicher sind die hier ausgewählten Themen, an denen sich die Ringkämpfe von Nuri Hodscha und der Piepenkötter entzünden, ganz typische Vorurteile. Moscheebau, Schwimmunterricht, Kopftuch, Islamismus. Doch das Buch endet ja mit einem "Machtwort" Allahs, worin angedeutet wird, dass "Er" mit Nuri Hodscha noch viel Ärger voraussieht. Daraus lässt sich schließen, dass es noch weitere Bände geben wird, ja, geben muss. Und dann werden sicher auch die Themen noch vielfältiger. Für einen ersten Einstieg aber fand ich die Auswahl recht gelungen.


    Ich habe an diesem Buch vorrangig den Witz genossen. Und der steckte wirklich in vielen Details. Die Beschreibung der deutschen Kleinstadt, der eifrig scharwenzelnde Referent "Meierlein" (köstlich!!), Nuri Hodscha mit seinen heimlichen Lüsten (Plakate beschmieren, Tore schießen üben, und und und), der heimlich schlaue Assistent Osman, der mitternächtliche Schlagabtausch zwischen Hodscha und Piepenkötter in einer Gartenlaube, die Frauenunion, die selbstgerechten Reden anlässlich einer Podiumsdiskussion- ach, es waren fast zu viele Stellen, die ich genossen habe. Und nicht zu vergessen: die Gespräche des Hodscha mit Allah. In diesen Gesprächen wurde auch deutlich, dass sich der Autor kräftig bei Giovanni Guareschi und seinem "Don Camillo" inspiriert hat.


    Muss ich da wirklich noch Haare spalten und anmerken, dass - selbstverständlich - noch die Kinder der Protagonisten mit hineingezogen werden? Dass sowohl Hodscha als auch Piepenkötter recht verbohrt und überzeichnet sind? Dass der Lokalreporter allen gängigen Klischees entspricht? Dass es am Ende denkbar knapp ausgeht? Nein, das muss ich nicht wirklich. Daran bemisst sich nicht der Wert dieses Buches. Nein, der liegt woanders. Nämlich darin, über Sarrazin & Co. endlich einmal hinweg zu sehen. Zu lachen und sich selber nicht mehr so wichtig zu nehmen. Und sich auf weitere Bände zu freuen.

  • Also ich fand das Buch klasse. Hätte ich nicht arbeiten müssen, wäre es an einem Tag durchgelesen gewesen.


    Die Charaktere fand ich durchweg sympathisch und die Geschichte lustig...wenn auch mit ernstem Hintergrund.


    Zwar war mir von vornerein klar, dass das der liebe Hodscha sein Spiel treibt und die Vorurteile so richtig schön ausnutzt, aber es war einfach köstlich, mir das Gesicht der Pieppenkötter auszudenken, wie sie da so vorm Frühstück steht.
    Allerdings ist sie auch nicht besser und gibt dem Hodscha ganz schön saures.


    Das die beiden Kinder sich finden war ja auch eigentlich klar, nett geschrieben war es trotzdem.


    Am besten gefielen mir allerdings die Dialoge zwischen Hodscha und Allah, zeigt das doch so richtig schön, wie man Gottes Wort auslegen kann.


    Ich fand das Buch jedenfalls sehr unterhaltsam und kann es nur empfehlen zu lesen.

  • Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen. Ein wenig traurig bin ich dass ich Hodscha Nuri und die Piepenkötter nun erstmal verlassen muss. Ich hoffe doch auch ein Wiedersehen. Da ist durchaus noch was machbar. :grin


    Die Gespräche zwischen Allah und Nuri sind klasse. Das ein oder andere Mal wollte ich gerne laut auflachen. Im Zug musste ich mich allerdings ein wenig zurückhalten.


    Die ansich ernste Thematik ist in diesem Buch steht geschickt verpackt gewesen. Ein fluffiges Buch zum "Wegschmökern". Vielleicht sollte man tatsächlich diese unsägliche Debatte mit einer gewissen Portion Humor nehmen und sich nicht immer so ernst nehmen. Oder einfach ein Fußball-Spiel entscheiden lassen. :lache

  • Meine Meinung: Ich weiß nicht, was der Autor mit diesem Buch erreichen wollte. Wollte er nur etwas Unterhaltung zu schreiben, oder lag es vielleicht sogar in seiner Absicht, eine politische Botschaft zu vermitteln?
    Die Protagonisten sind auf jeden Fall erst einmal gut ausgesucht für solch ein Vorhaben, doch mit der Umsetzung hatte ich so meine Probleme. Irgendwo in Deutschland - die Oberbürgermeisterin Ursel Piepenkötter (schade, diese Namenswahl, die so sehr nach Klamauk klingt), steht kurz vor der Wiederwahl und alles sieht gut für sie aus, bis Nuri Hodscha der neue Leiter der türkischen Gemeinde eintrifft und sich schon am ersten Abend seines Eintreffens in der Presse für den Bau einer Moschee stark macht.
    Hier treffen zwei Sturköpfe aufeinander, und schnell merkt man, dass beide ihre Ziele unbedingt erreichen wollen und dass ihnen dafür jedes Mittel recht ist. Zufällig hat die Piepenkötter einen Sohn und nur ganz zufällig ist Nuri Hodscha alleinerziehender Vater einer Tochter - beide Teenager sind im selben Alter und gehen in dieselbe Klasse...


    So wirklich begeistert war ich von diesen "Zufällen" nicht, das war mir alles zu glatt. Die ganze Zeit geht es darum, wie die beiden sich gegenseitig ausspielen und wie sie dabei jeglichen Anstand verlieren - aber egal wie schlimm die Dinge sind, die dem Gegner angetan werden - abends treffen sich die beiden meistens, um ihre Sünden noch einmal verbal aufzuarbeiten. (Dass sich die Kinder ebenfalls treffen, war schon vorhersehbar, als ich von ihrer Existenz erfuhr).
    Ziemlich oft spricht Nuri über seine Probleme mit Allah, der ihm zuhört und ihm aber auch oft genug antwortet und der seinem Treiben nicht immer wohl gesonnen zusieht. Diese Dialoge, sowie der Konflikt Politik gegen Geistlichkeit hat es schon einmal gegeben und Don Camillo und Peppone sind nun einmal so unübertroffen, dass es mir schwer fällt, diese Idee mit anderen Protagonisten umgesetzt zu sehen.


    Trotzdem ließ sich das Ganze ziemlich flüssig lesen und teilweise musste ich schon über die einzelnen Vorgehensweisen der beiden Kämpfer schmunzeln. Auf jeden Fall waren (leider nur ein paar wenige) interessante Informationen über den Koran zu finden, doch insgesamt war mir alles etwas zu seicht, zu vorhersehbar, die Figuren recht eindimensional und flach. Man hätte sicher viel mehr aus der Geschichte machen können und so mag ich nur 5 Eulenpünktchen dafür geben.

  • Ursel Piepenkötter ist Oberbürgermeisterin einer Stadt irgendwo in Deutschland. Sie kandidiert für eine konservative Partei und ihre Wiederwahl scheint in trockenen Tüchern zu sein - bis Nuri Hodscha auftaucht. Der islamische Religionsgelehrte kann seinen Jähzorn nicht zügeln und plaudert gerne mal mit Allah. Er ist schon öfter unangenehm aufgefallen und hat eine letzte Chance bekommen. Um sich bei seiner Gemeinde gut einzuführen, fordert er als allererste einen Moscheeneubau. Dass das in der Stadt von Ursel Piepenkötter nicht allzugut ankommt, ist klar und für sie beginnt eine heiße Wahlkampfphase.
    Was dann folgt, ist eine Schlacht. Anders kann man das, was sich Hodscha und Piepenkötter antun, nicht bezeichnen. Jeder versucht sich mit cleveren Schachzügen, mal ist es ein Ausfallschritt, mal ein heimtückischer Dolch im Gewande, Vorteile zu verschaffen. Dabei wird mit harten Bandagen gekämpft und auch die eigenen Kinder müssen mitmachen und herhalten als Waffen.
    Literarisches Vorbild ist hier ganz klar Don Camillo und Peppone. Und das funktioniert. Und man lernt so ganz nebenbei so einiges. Dass ich Allah und Jesus nicht so stark unterscheiden in ihrer Liebe zum Menschen und ihrem Verständnis für die kleinen Schwächen ihrer Schafe. Dass es innerhalb des Islams verschiedene Gruppen gibt, die mal mehr, mal weniger radikal sind. Dass man mit Klischees spielen kann, ohne das sie dem Leser zu den Ohren rauskommen.
    Neben dem satirisch überzeichneten Zweikampf gibt es aber auch noch die zarte Liebesgeschichte von Hülya und Patrick. Auch an ihr zeigt der Autor Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Kulturen auf, dabei fühlt er sich unglaublich gut ein in die Gefühlswelt von Teenagern. Er spricht eine klare, leicht zu verstehende Sprache, die aber immer mit einem humorvollen Augenzwinkern versehen ist.
    Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt und den ein oder anderen Denkanstoß mitgenommen. Lediglich ein Glossar wäre noch hilfreich gewesen.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • ............haben sich der Hodscha und die Piepenkötter.
    Zumindest könnte man beim Lesen diesen Eindruck gewinnen. Die beiden ( ein türkischer Geistlicher und die amtierende Bürgermeisterin ) schenken sich nämlich nichts. Denn Beide wollen sie unbedingt und mit allen Mitteln ein Ziel erreichen: Ursel Piepenkötter will wiedergewählt werden und der Hodscha will eine neue Moschee bauen. Welche Steine sie sich gegenseitig in den Weg legen, wie sie doch immer wieder gezwungen sind, sich gegenseitig zu helfen, welcher Einfallsreichtum und welche Hinterlist hinter ihren Ideen steckt - das liest man am besten selbst. Birand Bingül beschreibt diesen Zweikampf auf sehr amüsante Art und Weise und lässt keine Langeweile aufkommen.
    Zudem spielen auch noch die Kinder der Beiden eine ausschlaggebende Rolle und der Hodscha steht in regem Kontakt mit Allah. Hierbei ergibt sich das eine oder andere Streitgespräch, denn der Hodscha ist kein einfacher Gläubiger. Allah muss hier öfters alle Register ziehen. Zur Freude des Lesers.
    Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Helfer: was wäre die Piepenkötter ohne Meierlein und der Hodscha ohne Osman.
    Der Hodscha und die Piepenkötter bietet kurzweilige Unterhaltung. Im wirklichen Leben möchte ich mich allerdings weder mit dem Einen noch mit der Anderen anlegen müssen. ;-)
    Von mir gibt es für dieses Buch 7 von 10 Punkten.

  • Es ist sein erster Tag in Deutschland, sein erster Tag in der Stadt! Nuri Hodscha wurde von der türkischen Religionsbehörde als neuer Imam eines örtlichen Moscheevereins in die Stadt geschickt . Doch kaum ist Nuri Hodscha angekommen, sorgt er für Aufsehen. Er fordert nämlich sofort eine repräsentative Großmoschee.


    Darüber ist die Oberbürgermeisterin Piepenkötter in keiner Weise erfreut. Tatsächlich kommt der Vorstoß des Imam äußerst ungelegen. In sechs Wochen steht nämlich die Wahl zum Oberbürgermeister an und Ursula Piepenkötter möchte gerne wiedergewählt werden. Der Vorstoß des Hodschas (der Titel eines Religionsgelehrten) könnte der komfortablen Vorsprung der Amtsinhaberin gefährden.


    Aus diesem Grundproblem ergibt sich ein Schlagabtausch, in dem keine Seite vor etwas zurückschreckt.


    Es ist nicht leicht, dass Buch in ein bestimmtes Genre einzuordnen. Thematisch handelt es sich eindeutig um ein Buch zur Integrationsdebatte, die ein Dauerthema der Gesellschaft zu sein scheint. Dabei wirkt das Buch aber insbesondere zu Beginn, als wolle es sich diesem oft hart geführten Thema von eine witzigen und satirischen Seite nähern. Auch das Cover und die Druckart des Titels erwecken den Eindruck, als hätte man es hier mit einem humoristischen Buch zu tun. Es gehört aber definitiv nicht in die Humorabteilung einer Bücherhandlung. Im Verlauf der Geschichte verwischt der Eindruck einer satirischen Geschichte immer stärker. Die Bandagen, mit denen die Protagonisten kämpfen, sind nämlich so hart, dass selbst die immer wieder auftauchenden satirischen Ansätze in den Hintergrund rücken.


    Verwirrend ist auch die Geschichte selbst. Auf der einen Seite wirkt sie realistisch, da sie immer wieder gehörte Vorurteile über Politiker bzw. Muslime mit anschaulichen Beispielen unterfüttert. Damit mögen zwar zum Teil Stereotype bedient werden. Dennoch handelt es sich um die Punkte der öffentlichen Diskussion. Auf der anderen Seite ist die Geschichte aber zu tiefst unglaubhaft. Das Handeln der Bürgermeisterin und des Hodschas sind teilweise derartig verachtungswürdig, dass es geradezu lächerlich ist, wie die daraus eigentlich entstehenden Probleme bei Seite gewischt werden. So lässt der Hodscha den Sohn der Oberbürgermeisterin zusammenschlagen. Die angebrachte Wut der Oberbürgermeisterin über diese Straftat verraucht aber innerhalb weniger Seiten und lässt die Beziehung zwischen den Hauptpersonen, wie es eigentlich zu erwarten wäre, nicht endgültig scheitern. Man hat vielmehr das Gefühl als würden beide Seite über derartige Punkte geradezu hinweggehen. Auch zahlreiche andere Situation bzw. Reaktionen sind derart unrealistisch, dass sie die Glaubhaftigkeit der Geschichte zerstören. Insgesamt wirkt der Plot daher sehr konstruiert. Dies ist umso bedauerlicher, als das Buch – trotz der eher unsympathischen Hauptpersonen der Oberbürgermeisterin und des Hodschas – lehrreich sein könnte, um auch die andere Position nachzuvollziehen. Die Geschichte ist trotz ihrer Schwächen interessant und kurzweilig.


    Bei all den Schwächen in der Glaubhaftigkeit der Geschichte schafft es Bingül dennoch durch eine lebhafte Erzählweise eine gewisse Bindung des Lesers zu den Charakteren aufzubauen. Die Dialoge sind der Alltagssprache abgeguckt und lassen daher (wenn schon nicht den Plot so doch) die Charaktere an sich real erscheinen.


    Fazit: Das Buch hat meine Erwartungen an ein humoristisches Buch nicht erfüllt. Das ernste Thema wird nämlich durchaus ernsthaft und wenig humorvoll behandelt. Das Integrationsthema selbst ist jedoch gut erzählt und getroffen. Die Schwächen in der Glaubhaftigkeit der Situationen und Reaktionen, über die ich mich schon fast hätte aufregen können, verhindern nicht, dass immer wieder Verständnis für die jeweils andere Position aufkommen kann. Hinsichtlich der Bewertung wird das Buch schließlich einigermaßen durch die lebendige Erzählweise und Sprache gerettet, da dadurch Langeweile nicht aufkam. Man bleibt an der (unrealistischen) Geschichte interessiert. Insgesamt ist das Buch daher noch als „gut“ zu bewerten.