Der große Fall - Peter Handke

  • # Gebundene Ausgabe: 280 Seiten
    # Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (19. März 2011)
    # Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Die Geschichte eines müßiggängerischen Schauspielers, an einem einzigen Tag, vom Morgen bis tief in die Nacht: Das Gehen durch eine sommerliche Metropole, von den Rändern bis in die Zentren. Die Begegnungen: mit den Läufern, den Obdachlosen, den Paaren, dem Priester, den Polizisten. Ein Weg mitten durch Nachbarnkriege, vorbei an überlebensgroßen Leinwandpolitikern, dann inmitten von Untergrundfahrern aus einer anderen Welt. Wetterleuchten in der Stadtmitte. Und das Gesicht einer Frau.


    Über den Autor
    Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen geehrt.
    Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen (auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten) erklärte er selbst 2007 mit den Worten: »Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.«


    Meine Meinung

    "Jener Tag, der mit dem Großen Fall endete, begann mit einem Morgengewitter."


    Peter Handke schreibt in seinem neuen Roman "Der große Fall" über einen namenlosen Schauspieler. Eines Morgens erwacht er im Bett einer fremden Frau, die schon bevor er erwacht war, leise das Haus verlassen hatte. Dieser - für mein Empfinden - eigentlich spannende Auftakt in die Erzählung, wird später nicht mehr weiter verfolgt. Der Leser erfährt nicht mehr über die Frau, die Beziehung zwischen ihr und dem Schauspieler und was in der Nacht vorgefallen ist.


    In der Folge wandert der Schauspieler von der "Peripherie", bis in das Zentrum der Stadt - als querwaldein oder auch querstadtein wird dies an einer Stelle bezeichnet. Diese Wanderung umfasst den ganzen Tag und endet mit dem großen Fall. Was ich herauslesen konnte, war, dass der Schauspieler nicht mehr weiter als Schauspieler arbeiten möchte, aber auch das spielt nur am Rande eine Rolle.


    Was dieser große Fall eigentlich sein soll, wird nicht aufgelöst - oder ich habe die Stelle überlesen, beziehungsweise fehlt es mir wahrscheinlich einfach an Tiefe um die Auflösung zwischen den Zeilen zu erkennen. Für mich war "Der große Fall" vor allem ein unheimlich frustrierendes Leseerlebnis: auf beinahe 280 Seiten beschreibt Handke nichts weiter als eine - vor allem ermüdende - Wanderung. Natürlich, die Erzählung ist schon ganz nett geschrieben und es gibt auch einige amüsante Passagen - es gibt jedoch keine stringente Geschichte (oder ich habe sie nicht erkennen können), keinen roten Faden, keine Auflösung, keine Tiefe. Kurz zusammengefasst beschreibt das Buch eigentlich nichts. Es ist natürlich möglich, dass alle diese Elemente, die mir gefehlt haben, auf einer Dimension liegen, die sich mir nicht erschließen konnte.


    Beim Lesen habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, ob man auch als unbekannter Debütant ein solches Buch veröffentlichen könnte, unter ob diese Erzählung es lediglich in die Buchläden schafft, weil vorne der Name Peter Handke draufsteht.


    Dies war mein erstes Buch von Peter Handke und sobald werde ich sicherlich nicht ein weiteres lesen wollen.


    ASIN/ISBN: 3518423223

  • Herzlichen Dank für diese Buchvorstellung. Dann werde ich wohl besser die Finger von diesem Buch lassen. Zudem habe ich ganz persönlich den Eindruck, dass Handke immer mehr nachlässt, vielleicht meint er aber auch, dass sein Name für die Leser genug zu sein hat, egal was sich da zwischen den Buchdeckeln befindet. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • buzzaldrin



    ich verstehe Deinen Frust. Er ist verständlich und hat seine Gründe.
    Ich liebe Handkes Prosa. Das Problem ist, daß er kein Autor ist, bei dem man einfach irgendwo einsteigen kann. Was er schreibt, ist ein einziges Kontinuum seiner Auseinandersetzung mit allem, was um ihn herum vorgeht und ihn angeht. Er ist ein Beobachter. Beobachtet wird soviel, wie nur möglich, das, was er sieht, löst Überlegungen aus, die sich in Worte verwandeltn, die er dann aufschreibt. Das ist ein fließender Schöpfungsprozeß, der offenbar unablässig in Gang ist. Es klingt pathetisch, aber Handke ist so etwas wie Mensch gewordene Sprache oder ein zur Sprache gewordener Mensch, etwas höchst Seltenes und Besonderes.


    Herumwandern, bebobachten und wiedergeben ist Teil seiner ureigenen Ästehik und wahrscheinlich längst Poetik. Auf seine Art ist er ein hermetischer Dichter. Man muß sich auf seine Welt einlassen, ihm die Führung überlassen, dann erst merkt man, daß es gar nicht nur um Handke, sondern um Dinge geht, die fundamental alle angehen.
    Und so schreibt er keineswegs wie ein Debütant, noch könnte ein Debütant so schreiben, weil man mit dem allerersten Buch eben noch keine fertige eigene Poetik und Ästhetik hat.


    Handkes Prosa ist darüberhinaus etwas, für das man viel, viel Leseerfahrung braucht. Seine Bezugnahme auf andere Bücher, auf Kunst, historische Ereignisse, Zitate was auch immer ist häufig, seine Prosa ist ein Stückweit auch ein Gespräch mit oder ein Sprechen zu Menschen, die eben auch viel gelesen haben. Dabei geht es nie um Gelehrsamkeit, wohlbemerkt, sondern darum Zusammengehöriges zusammenzufügen.


    Wenn Du wieder etwas Mut gefaßt hast, probiere mal, in frühe Texte hineinzulesen. Texte aus den 1970ern, Prosa und Gedichte vermischt. Schräg ist es aber damals schon. Oder schau Dir in einer Bibliothek diese Aufzeichnungen 'Gestern unterwegs an', da sieht man diesen Beobachtungs'zwang' ganz deutlich.
    Man braucht aber unbedingt ein wirklich großes Interesse an Sprache und ihren Ausdrucksmöglichkeiten. Ich bin ein Sprach-Junkie, deswegen hat es zwischen und Handke wohl auch gefunkt. :lache


    Ich habe übrigens bei weitem nicht alles von ihm gelesen, die letzten sechs oder sieben Bücher gar nicht. Obwohl sie im Regal stehen. :cry
    Zur Zeit produziert er auch unablässig, was ein großes Glück ist, aber eine/n auch in Verwirrung stürzen kann.
    Ich kann ihn auch nur in kleinen Portionen lesen, weil eine solchen Fülle vermittelt (mir, meine ich), daß ich das gar nicht auf einmal schlucken kann.


    Handke lesen heißt auch, auf eine andere Art lesen. Das muß man weder können, noch muß man es mögen.
    Man kann sich aber daran gewöhnen. :grin



    magali



    edit: ein 'r' in ein 'e' verwandelt

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Hallo magali,


    danke für deine weiterführenden Erläuterungen, die ich mit Interesse gelesen habe - auch wenn sie mich keineswegs davon überzeugen konnten, ein weiteres Buch von Peter Handke in die Hand zu nehmen. ;-)
    Auch ich habe ein großes Interesse an Sprache und bin dazu bereit auch anstrengendere Bücher zu lesen. In meinen Augen hat "Der große Fall" jedoch einfach nichts zu bieten: weder einen faszinierenden, interessanten, wieauchimmer Umgang mit Sprache, noch eine in irgendeiner Form mitreißende Geschichte.


    Vielleicht können wir uns darüber noch weiterführender unterhalten, wenn du das Buch auch gelesen haben solltest.


    Zitat

    Original von magali
    buzzaldrin



    ich verstehe Deinen Frust. Er ist verständlich und hat seine Gründe.
    Ich liebe Handkes Prosa. Das Problem ist, daß er kein Autor ist, bei dem man einfach irgendwo einsteigen kann. Was er schreibt, ist ein einziges Kontinuum seiner Auseinandersetzung mit allem, was um ihn herum vorgeht und ihn angeht.


    Das kann ja gut sein, dann sollte man diese Erzählung aber auch als Teil einer Trilogie oder ähnliches ankündigen. Ich habe "Der große Fall" im Glauben daran gekauft, dass es sich um ein eigenständiges Werk handelt und dann erwarte ich auch, dass ich das Buch lesen kann, ohne den Kontext von Handkes anderen Werken zu kennen.


    Dein Posting hat auf mich ein wenig so gewirkt, als würde es mir an irgendwas fehlen (Intelligenz, Interesse an Sprache, etc.), um dieses Werk zu verstehen und mein Punkt ist - glaube ich - einfach, dass ich bereit und offen dazu war, mich von Peter Handke begeistern zu lassen, dass dieses Buch aber einfach nichts begeisterungswürdiges hat. Kann sein, dass das bei anderen Büchern anders wäre.


    :wave

  • buzzaldrin


    nein, Dir fehlt nichts.
    Wie kommst Du denn darauf? :wow
    Es kommt vor, daß auch Menschen mit vierzig Jahren Leseerfahrung mit Handke nichts anfangen können. Oder mit Kafka. Oder mit Goethe. Oder Mayröcker. Oder ...


    Es gibt SchriftstellerInnen, bei denen ist der Zugang holprig oder auch unmöglich. Es kann vorkommen, daß es tatsächlich an den SchriftstellerInnen liegt. Es kann aber auch vorkommen, daß es daran liegt, daß Leserin/Leser das Buch zu einem falschen Zeitpunkt erwischt haben.
    Wenn sie dann sagen: das ging an mir vorbei oder sogar: 'das hat mich totgenervt', dann ist das völlig okay.


    Wenn sie aber nach einem einzigen Buch aus einem Werk, das seit über vierzig Jahren grandios zusammenwächst, und von dem sie sonst nichts, aber auch gar nichts kennen, sagen: mit dem Buch wäre ein Anfänger nie durchgekommen, dann müssen sie darauf gefaßt sein, daß sie Widerspruch bei denen auslösen, die sich ein bißchen mit dem Werk beschäftigt haben, selbst wenn sie das zur Diskussion stehende Buch noch nicht kennen.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali


    Wenn sie aber nach einem einzigen Buch aus einem Werk, das seit über vierzig Jahren grandios zusammenwächst, und von dem sie sonst nichts, aber auch gar nichts kennen, sagen: mit dem Buch wäre ein Anfänger nie durchgekommen, dann müssen sie darauf gefaßt sein, daß sie Widerspruch bei denen auslösen, die sich ein bißchen mit dem Werk beschäftigt haben, selbst wenn sie das zur Diskussion stehende Buch noch nicht kennen.


    Ich finde solche "Blindtests" können schon interessant und durchaus legitim sein. Natürlich kann es in einem Gesamtwerk Zusammenhänge geben, die ein einzelnes Werk in einem anderen Licht erscheinen lassen, aber sollte ein Autor es mit einem Einzelwerk nicht schaffen, die Qualitäten des Gesamtschaffens zu kondensieren und es bleibt auch sonst nichts übrig, dann hat der Autor für mich mit diesem Werk versagt. Es ist ein wenig so, als würde ein Autor beim Bachmann-Preis mit einem Romanausschnitt antreten und erwarten, dass er aufgrund von Qualitäten, die in dem Ausschnitt überhaupt nicht enthalten sind, einen Preis zu gewinnen. Die Konkurrenz auf dem Buchmarkt ist groß und ein unbekannter Autor kann natürlich nicht damit rechnen, dass ein Lektor in mühevoller Kleinarbeit außertextuelle Zusammenhänge ausarbeitet. In vielen Fällen mag ein "Großautor" diese Mehrarbeit bzw. das blinde Vertrauen rechtfertigen und aufgrund der Gesamtleistung verdient haben, aber die Frage dürfte schon legitim sein, wer bei solchen Autoren überhaupt für die Qualitätskontrolle sorgt, wenn man sich als Verleger praktisch nicht trauen darf, ein Werk abzulehnen oder gründlich lektorieren zu lassen.

  • Zitat

    Original von magali
    Wenn sie aber nach einem einzigen Buch aus einem Werk, das seit über vierzig Jahren grandios zusammenwächst, und von dem sie sonst nichts, aber auch gar nichts kennen, sagen: mit dem Buch wäre ein Anfänger nie durchgekommen, dann müssen sie darauf gefaßt sein, daß sie Widerspruch bei denen auslösen, die sich ein bißchen mit dem Werk beschäftigt haben, selbst wenn sie das zur Diskussion stehende Buch noch nicht kennen.


    Ich glaube, dass du mein Posting falsch zusammengefasst hast, magali, und ich erlaube mir zu korrigieren: ich habe mir lediglich die Frage gestellt, ob ein Anfänger mit einem solchen Text durchkommen würde, nirgendwo habe ich geschrieben, dass das so ist. Eigentlich hast du mir meine Frage ja auch selbst beantwortet: der Text ist scheinbar nur im Zusammmenhang mit dem restlichen grandiosen Werk Handkes zu verstehen, was ja gleichzeitig ausschließt, dass ein Autor mit einem solchen Werk debütieren könnte. Eigentlich dürfte meine Feststellung also nur wenig Widerspruch auslösen. ;-)


    Ich finde es interessant, wie flammend du Peter Handke hier verteidigst, ohne "Der große Fall" gelesen zu haben. Es kann ja wirklich gut sein, dass Handke ansonsten nur grandiose Texte produziert hat - das macht dieses einzelne Buch leider aber kein Stück besser.

  • buzzaldrin
    Googol


    die Frage, ob ein Anfänger 'mit einem solchen Text' 'durchkommen würde' ist eine sinnlose Frage. Diesen Text hat kein Anfänger geschrieben. Die, die dieses Buch schätzen, wissen das.
    Gerade Handke ist niemand, den das Feuilleton vorbehaltlos lobt. Noch liebt. Er wurde auch nicht von der Literaturkritik 'gemacht'.


    Es geht auch nicht darum, Handke zu verteidigen, sondern um ein Grundprinzip. Auf Grund der Lektüre eines einzigen Buchs eines schwierigen und nicht leicht zugänglichen Autors ein Werk zu beurteilen, ist etwas, das man nicht tut. 'Blindtests' in der Kunst funktionieren nicht.
    Natürlich kann man es machen, es gibt ja kein Sprechverbot, aber es sagt im Endeffekt nichts über Autorin/Autor aus, sondern bloß darüber, daß man selbst frustriert war von der Lektüre.
    Ich erinnere an den Satz Lichtenbergs über den Kopf und das Buch, die zusammenstoßen.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Auf Grund der Lektüre eines einzigen Buchs eines schwierigen und nicht leicht zugänglichen Autors ein Werk zu beurteilen, ist etwas, das man nicht tut. 'Blindtests' in der Kunst funktionieren nicht.


    Also ich werde das Bedarf weiter tun und schäme mich noch nicht einmal dafür :-)


    "Bei Bedarf" weil es Umstände gibt, auf die man in Rezensionen ggf. gerne hinweisen darf, die für die Rezeption zu berücksichtigen sind (Beispiel: ich lese gerade Orhan Pamuks nachträglich veröffentlichten Erstlingsroman, der tatsächlich etwas schwächer geschrieben ist und natürlich würde ich ihn daher nicht zur Beurteilung eines Gesamtwerkes empfehlen wollen).


    Zumindest für mich stand die mitunter kritische Rezeption solcher Großautoren im Feuilleton nicht zur Debatte. Die sind wirklich oft weniger gnädig als Verlag oder Lektor und das ist auch oft gut so. Ich werde mir auch weiter wünschen, dass ein Verlag bei so manchen Alterswerk nicht alles durchgehen lässt, auch um den Autor selbst zu schützen. Für mich funktionieren "Blindtests" tatsächlich besser als "literarische Persilscheine".


    Alles sehr subjektiv wie so vieles in der Rezeption von Literatur oder Kunst im allgemeinen, also sollten wir vielleicht ein bisschen zurückhaltender im Verbreiten vermeintlich allgemeingültiger Grundprinzipien werden. Es ist doch wirklich absurd andere Meinungen nur zu tolerieren, weil es kein Sprechverbot gibt. Also mal halblang.

  • magali,


    ich befürchte, dass wir mit dieser Diskussion leider zu keiner zufriedenstellenden Lösung kommen können, da wir aus verschiedenen Perspektiven schauen.


    Ich spreche ausschließlich über das Buch "Der große Fall", als singuläres Lektüreerlebnis, meine Eindrücke und den Geschmack, den es bei mir hinterlassen hat. Wenn ich unseren Diskussionsverlauf noch richtig durchschaue, beziehst du dich durchgehend auf das Gesamtkunstwerk Peter Handkes. Dieses Lektüreerlebnis war für mich wie erwähnt frustrierend und regt mich nicht dazu an weiteres von ihm zu lesen. In diesem Zusammenhang habe ich mir auch die Frage gestellt, ob ein Anfänger einen solchen Text hätte veröffentlichen können.


    Du sprichst ständig von dem grandiosen Gesamtwerk Handkes, was ich mit keinem Wort in Frage gestellt oder kritisiert habe. Das würde ich mir nicht anmassen. Mich hat es geärgert, dass du mir das vorwirfst, denn ein so schnelles Urteiles sehe mir nicht ähnlich:


    Zitat

    Original von magali
    Auf Grund der Lektüre eines einzigen Buchs eines schwierigen und nicht leicht zugänglichen Autors ein Werk zu beurteilen, ist etwas, das man nicht tut.


    Ich glaube nicht, dass du mir Stellen aus unserer Diskussion wirst nennen können, in denen ich das Werk von Peter Handke explizit oder implizit einer Bewertung unterziehe. Aber ich möchte es mir nicht nehmen lassen, meine subjektiven und vielleicht auch naiven Lektüreeindrücke hier zu schildern. Der Roman für sich gesehen hat mir nicht gefallen - ich glaube schon, dass das etwas ist, was man zum Ausdruck bringen darf.


    Zitat

    Original von magali
    'Blindtests' in der Kunst funktionieren nicht.


    Zitat

    Original von magali
    Alles sehr subjektiv wie so vieles in der Rezeption von Literatur oder Kunst im allgemeinen, also sollten wir vielleicht ein bisschen zurückhaltender im Verbreiten vermeintlich allgemeingültiger Grundprinzipien werden.


    Ich schließe mich Googol an. Ich finde besonders die Unvoreingenommenheit mit der Kinder ein Bild im Museum rezipieren schön. Es hat wenig affektiertes, es gefällt ihnen oder nicht und ich denke auch aus dieser Perspektive geht viel wertvolles hervor.


    Zitat

    Original von magali
    buzzaldrin
    Googol


    die Frage, ob ein Anfänger 'mit einem solchen Text' 'durchkommen würde' ist eine sinnlose Frage. Diesen Text hat kein Anfänger geschrieben. Die, die dieses Buch schätzen, wissen das.
    Gerade Handke ist niemand, den das Feuilleton vorbehaltlos lobt. Noch liebt. Er wurde auch nicht von der Literaturkritik 'gemacht'.


    Ich empfinde diese Frage nicht als "sinnlos", im Gegenteil fände ich eine Diskussion über die von Googol aufgeworfene Qualitätskontrolle interessant. Mich irritiert etwas die Vehemenz mit der du dieses Buch ("Der große Fall") beurteilst, ohne es selbst gelesen zu haben. Ich bin ein großer Fan von Philip Roth, aber wenn du hier eine Rezension veröffentlichen würdest über deinen Frust, den du bei der Lektüre eines Roth-Buches empfunden hast, dann wäre ich vielleicht überrascht und traurig darüber, dass das einzelne Buch dich nicht begeistern konnte. Doch bevor ich es nicht selbst gelesen habe, würde ich es nicht im Kontext, dass Roth aber noch fünfzehn weitere tolle Bücher geschrieben hat, aus denen sich dieses vielleicht besser erschließen würde, verteidigen. Selbst als Fan ist mir bewusst, dass Roth bessere, aber auch schlechtere Bücher produziert und da stelle ich mir häufig die Frage, ob auch ein junger, unbekannter Autor ein solches Buch hätte veröffentlich können. Wenn ein Buch nicht anders deklariert ist (Trilogie, Serie), empfinde ich, dass man ein Buch als Einzelbuch lesen und auch beurteilen darf. Ich finde die Frage nach einer Qualitätskontrolle also legitim und auch sehr spannend, dort mal hinzuschauen.

  • Das erinnert mich an eine Untersuchung, bei der ein Großteil von Kunststudenten nicht unterscheiden konnte, ob ein Bild von einem Affen oder einem großen Künstler gemalt wurde. Ich finde jetzt den Originalartikel nicht wieder, aber er führte zu einer Seite, auf der man verschiedene Selbsttests machen kann (auf Englisch). Auch aus dem Bereich der Literatur.


    http://reverent.org/quizzes.html


    Beim Affenkunsttest hatte ich 100 %, ich fand das nicht so schwer, wobei ich ja auch nicht Kunst studiert habe. ;-)


    Gut fand ich auch "Pollock oder Vogelscheisse?" :lache

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Ich glaube nicht, dass du mir Stellen aus unserer Diskussion wirst nennen können, in denen ich das Werk von Peter Handke explizit oder implizit einer Bewertung unterziehe. Aber ich möchte es mir nicht nehmen lassen, meine subjektiven und vielleicht auch naiven Lektüreeindrücke hier zu schildern. Der Roman für sich gesehen hat mir nicht gefallen - ich glaube schon, dass das etwas ist, was man zum Ausdruck bringen darf.


    Die folgende:


    Zitat

    Original von buzzaldrin
    Beim Lesen habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, ob man auch als unbekannter Debütant ein solches Buch veröffentlichen könnte, unter ob diese Erzählung es lediglich in die Buchläden schafft, weil vorne der Name Peter Handke draufsteht.


    Zum Rest:


    Das Argument mit dem Blick von Kindern auf Kunst kann hier nicht angeführt werden. Kinder haben eine kleinen Erfahrungshorizont, sie sind noch dabei zu lernen. 'Gefallen' oder 'nicht gefallen' ist ein Einstieg, für sehr junge, sehr unerfahrene Menschen. Aber man lernt dazu. Man lernt von Technik, Material, Farbwahl, Komposition, über Sujets, über Dimension, Raum, über Licht und Lichtwirkung.
    Das reine Gefallen an etwas mag ausschlaggebend sein für das, was man hinterher an die Wand des eigenen Zimmers hängt. Für die Einschätzung einer Künstlerin und ihres Schaffens hat das 'Gefallen', der positive oder negative Eindruck beim Publikum keinen Wert mehr. Er ist kein Maßstab. Er entscheidet nicht über Qualität.
    Ebenso ist es bei Literatur.


    Es geht hier nicht darum, daß man einen Leseeindruck nicht äußern darf. Es geht nicht darum, daß man nicht sagen darf: das Buch habe ich nicht kapiert, ich hab mich verschaukelt gefühlt, das war unmöglich, ich konnte nichts damit anfangen etc,.pp.
    Ich habe oben bereits zweimal gesagt, daß man die eine solche Meinung äußern darf.
    Sie drückt aber nichts weiter aus, als daß man von dem Leseerlebnis frustriert ist. Auch das sagte ich oben schon.
    Wenn die Abneigung so groß ist, daß man sie auf Autorin/Autor überträgt und diese zukünftig meidet, ist das eine prsönliche Entscheidung, die man selbstverständlich treffen kann. Aber auch sie hat keine Bedeutung für die 'Qualität' des Buchs.


    Ich habe mich eingemischt, weil mich das Ausmaß an 'Frust' von jemand, die Literatur liest, sich dafür interessiert und auch gute Rezis schreibt, gründlich verblüfft hat.
    Da landete jemand unvermutet im Nebel, daher habe ich versucht, Hinweise zu geben, wo sich der eine oder andere Lichtschalter befindet, der ein bißchen Licht hinein bringt.


    Zorn macht deutlich blind, wie dieses Gespräch zeigt.
    Ich muß sagen, daß die heftige Reaktion für das Buch spricht, ich freue mich auf die Lektüre.


    Delphin


    die Untersuchung würde mich wirklich interessieren. Vor allem unter sozialpsychologischen Gesichtspunkten und zwar hinsichtlich der Fragestellung. Schon wer auf eine solche Frage kommt, hat ein Verständnis von Kunst, das man mit Gewinn diskutieren kann.


    Danke für den Link zu den Tests, immer ein netter Zeitvertreib, so etwas.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • *such*


    Leider ist das natürlich nicht der Originaltext, sondern einer, der populärwissenschaftlich aufbereitet wurde. Beim Orginialartikel kommt man nur an das Abstract ran.


    http://www.psychologytoday.com…could-have-painted-really


    Aber ok, ich hab Mist erzäht, ich hatte das irgendwie anders in Erinnerung. :schaem Meistens (zu etwa zwei Dritteln, wenn ich die Tabelle richtig interpretiere) fanden sie schon das echte Kunstwerk qualitatitv besser, insbesondere die Kunststudenten, während sich die Psychologiestudenten anscheinend mehr von den Labels beeinflussen ließen. :lache


    Zitat

    Participants preferred professional paintings and judged them as better than the nonprofessional paintings even when the labels were reversed. Art students preferred professional works more often than did nonart students, but the two groups’ judgments did not differ. Participants in both groups were more likely to justify their selections of professional than of nonprofessional works in terms of artists’ intentions.

  • Das lässt mich übrigens überlegen, um mal zu Handke zurückzukommen, ob Leute, die keine Ahnung von Literatur haben (also Psychologiestudenten :grin) Bücher von Peter Handke besser finden, wenn sie wissen, dass es von ihm geschrieben wurde und nicht von irgendeinem unbekannten Autoren. :gruebel

  • Delphin


    ja, so. Und schon ergibt es Sinn.
    :grin


    Der letzte Satz des englischen Zitats ist absolut faszinierend. Ich muß das wirklich mal in toto nachlesen.


    zu Deiner Fragen wegen Labels:


    wenn sie keine Ahnung von Literatur haben, wie sollen sie dann wissen, wer Handke ist bzw. ob und welche Bedeutung er hat?



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ach, irgendwas weiss man doch immer. Ich habe zum Beispiel, ohne jemals etwas von dem Mann gelesen zu haben, eine vage Vorstellung, dass die Bücher von Herrn Handke im Feuilleton der FAZ besprochen werden und dass ich sie wahrscheinlich nicht richtig zu würdigen wüsste. Aber dass es angemessen wäre, vor Ehrfurcht zu erblassen.

  • Ich wollte nicht den Eindruck erwecken zornig zu sein, nicht auf das Buch, noch zornig auf Peter Handke - wozu auch. Ich habe das Buch gelesen und es hat mir nicht gefallen, das macht mich nicht zornig.


    Ich versuche zu vermeiden, dass diese Diskussion aus dem Ruder läuft aber ich würde lügen, wenn ich schreiben würde, in meinen Worten stecke kein Funken Ärger ;-)
    Mich haben deine Formulierungen an einigen Stellen irritiert, gereizt, da sie bei mir wie vermeintliche Naturgesetze ankamen:
    'die Frage ist sinnlos', 'Blindtests funktionieren in der Kunst nicht', 'das Argument kann hier nicht angeführt werden', 'das ist etwas, was man nicht tut'.


    Vielleicht ist das Buch im gesamten Kontext aller Werke Peter Handkes tatsächlich ein gelungener Wurf, als einzelnes Buch hat es mich nicht überzeugen können.
    Meine Frage, ob ein Debütant dieses Buch hätte veröffentlichen können ist von Googol zutreffend mit einem Prinzip wie "Qualitätskontrolle" aufgegriffen worden, über das man sich in anderen Zusammenhängen vielleicht austauschen könnte. Mit dieser Aussage habe ich aber nicht alle Bücher Handkes kritisieren wollen, dieser Satz spricht weder für noch gegen Handke und sagt nichts über sein Werk aus.


    Zitat

    Original von magali
    Das Argument mit dem Blick von Kindern auf Kunst kann hier nicht angeführt werden.


    Hier sind wir wahrscheinlich einfach unterschiedlicher Meinung. Slebstverständlich ist das Leben van Goghs im Hinblick auf seine einzelnen Werke interessant, ich höre mir gerne die Meinung von Experten an, ich genieße eine ordentliche Führung durch - um bei dem Beispiel zu bleiben- ein Museum und dennoch möchte ich auf einen naiven Einwurf, möglichst unverfälscht von Normen und Werten, nicht verzichten müssen.
    Vielleicht klingt es etwas scharf, aber ich muss bei diesem Punkt an des Kaisers neue Kleider denken.


    Abschließend ist es mir wichtig, noch etwas anderes zum Ausdruck zu bringen: Ich finde ich es einfach schade, dass es mir nicht gelungen ist, unsere Diskussion auf ein freundliches Level zu führen. Ich habe mich darum bemüht. In Sätzen wie:


    "Da landete jemand unvermutet im Nebel, daher habe ich versucht, Hinweise zu geben, wo sich der eine oder andere Lichtschalter befindet, der ein bißchen Licht hinein bringt."


    fühle ich mich abgewertet. Bisher ist mir dies in Buchdiskussionen hier zum Glück nicht passiert. Vielleicht stimmt aber die Chemie zwischen uns auch einfach nicht.

  • buzzaldrin


    in meiner ersten Antwort auf Deine Meinungsäußerung zum neuen Buch von Handke habe ich geschrieben, daß ich Dich verstehe.
    Ich habe darauf Hinweise gegeben zu einem möglichen Weg zum Verständnis Handkes.
    Dazu habe ich Lesetips angeführt, für den Fall, daß Du Dich noch einmal daran versuchen möchtest.


    Wenn Du der Ansicht bist, daß ein Satz; wie: 'ich kann ich verstehen' sowie Lesetips herabsetzend sind, dann bist Du eben dieser Ansicht. Dann ist es auch klar, daß jedes weitere Wort meinerseits nicht zur Klärung beiträgt.



    Delphin


    wenn Du glaubst, bei der Nennung des Handkes vor Ehrfurcht erblassen zu müssen, kann ich bloß sagen, daß Du zuviel Feuilleton gelesen hast. Mit Handke hat das nichts zu tun.
    :lache





    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Delphin


    wenn Du glaubst, bei der Nennung des Handkes vor Ehrfurcht erblassen zu müssen, kann ich bloß sagen, daß Du zuviel Feuilleton gelesen hast. Mit Handke hat das nichts zu tun.
    :lache


    Ich muss sagen, dass mir auch die ganze Zeit der Begriff des Kaisers neue Kleider auf der Zunge lag. Ich würde wahrscheinlich nicht vor Ehrfurcht erblassen, aber unabhängig davon, wie mir das Buch gefällt oder wie gut es wirklich ist, würde ich bei dem Namen denken, dass man es von mir erwartet.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ich muss sagen, dass mir auch die ganze Zeit der Begriff des Kaisers neue Kleider auf der Zunge lag. Ich würde wahrscheinlich nicht vor Ehrfurcht erblassen, aber unabhängig davon, wie mir das Buch gefällt oder wie gut es wirklich ist, würde ich bei dem Namen denken, dass man es von mir erwartet.


    Hallo Delphin,


    ich muss sagen, dass ich den Namen Peter Handke schon kannte, bevor ich das Buch gelesen hatte - ich hatte einen sehr interessanten und faszinierenden Artikel über ihn in "Die Zeit" gelesen, ansonsten bin ich aber doch eher unbedarft an die Lektüre herangegangen.
    Aber ich glaube, ich würde mir immer das Recht nehmen, meine eigenen Eindrücke über ein Buch zu äußern, unabhängig davon, was Handke-Freunde möglicherweise von mir erwarten könnten oder nicht. Das mache ich aber auch bei jedem Buch und jedem Autor ... :wave