Kurzbeschreibung:
Österreich, das Land, das sich als Riese schlafen legte und als Zwerg wieder aufwachte, eingeschlossen in das Innere einer Mozartkugel. Wiener Schnitzel und Schwedenbombe, dramatische Bergkulissen und pompöse Architekturen, Zwölftonmusik und Alpenjodler, Burgtheater und Kasperltheater – Österreich hat viele Seiten, und Heinrich Steinfest kennt sie alle. Der preisgekrönte Krimiautor und leidenschaftliche Österreicher nimmt uns mit auf seine Tauchfahrt in die k.u.k. Seele, weist uns ein in die verborgenen Riten, führt uns zum Heurigen, in die Unterwelten, Schneewelten und Scheinwelten und weiht uns ein in das süße Geheimnis der Mehlspeisen und das dunkle Geheimnis des österreichischen Fußballs. Ein Vademekum für Ihre Reise auf die abgründige »Insel der Seligen«.
Meine Meinung:
Ein Buch über Österreich bzw. die Österreicher und ihre Eigenheiten, noch dazu vom großartigen Heinrich Steinfest, das machte mich sehr neugierig. Eines sei jedoch schon vorweg gesagt: keinesfalls ist dieses Büchlein tatsächlich eine Art Gebrauchsanweisung, ein Reiseführer oder eine allgemein verständliche Einführung in unser schönes Land. Dies sollte einem vor dem Lesen bzw. dem Kauf bewusst sein.
Was Steinfest nun in sprachlich bekannt origineller, um nicht zu sagen genialer Weise abliefert, dürfte selbst für österreichurlauberprobte Deutsche oder Schweizer die meiste Zeit unbefriedigend sein, da der Autor schon eine profunde Kenntnis historischer, politischer und gesellschaftlicher Figuren voraussetzt. Eine Vielzahl an Namen fällt, die mich zeit meines Lebens medial begleitet haben, die allerdings größtenteils kaum ein Ausländer kennen dürfte und die den meisten wohl auch vollkommen egal sind.
Die Betrachtungen zur österreichischen Seele nun sind zwar pointiert und kurzweilig verfasst, tauchen stellenweise aber auch tief in (halbwahre) Klischees ein – wenn der angeblichen morbiden Ader der Österreicher ein eigenes Kapitel gewidmet wird, darf der Hinweis nicht fehlen, dass dies eine typisch Wiener Sichtweise ist. Die Wiener, die eine leicht groteske Sonderstellung in Österreich einnehmen und zu denen Steinfest ja einige Jahre lang gehörte, sind tatsächlich vom Tod fasziniert, für die breite Bevölkerung in den Bundesländern trifft dies doch deutlich weniger zu.
Dies ist auch für mich als Österreicher einer der größten Kritikpunkte: die Sichtweise ist eine Wienerische. Ob es nun um berühmte Mehlspeisen geht, Architektonik oder Gesellschaftslöwen – auch der Autor hält die Wiener anscheinend für den Nabel des Landes und verallgemeinert aus dieser Sicht auf unser ungemein vielschichtiges, eigenwilliges Land. Daß die Wiener vom Rest des Landes natürlich ganz anders wahrgenommen werden als wie von Steinfest als „vergeistigt“ und „intellektuell“ behauptet, sei nur am Rande erwähnt.
Rundum gelungen ist das Kapitel über Sport sowie dasjenige über Theater, hier kann ich Steinfest unbedingt recht geben und erkenne die Österreicher rund um mich wieder. Und wenn er gegen Ende seines essayartigen, hintersinnigen Textes feststellt, dass die Burgenländer „die erhabensten Menschen unter den Österreichern“ sind, beweist er analytische Schärfe und eine Beobachtungsgabe, die ich ansonsten etwas vermisst habe.
Fazit: die eigentliche Zielgruppe des Büchleins, nämlich potenzielle Österreichurlauber, wird höchstwahrscheinlich enttäuscht sein (was ja auch einige amazon-Kritiken beweisen, die ich beinahe ebenso unterhaltsam finde wie Steinfest pointiertere Ausführungen). Für Österreicher ist dieses Werk stellenweise ganz interessant, erzählt aber auch nichts wirklich Neues, dies dafür aber sprachlich großartig und immer wieder zum Lachen reizend.