Insel der Winde - Azouz Begag

  • Originaltitel: L'Ilets-aux-Vents


    Kurzbeschreibung (von amazon):
    Siloo Bali ist auf der "Insel der Winde", einem entlegenen französischen Übersee-Departement, zuhause. Er lebt dort mit einem Hund, zwei Brüdern, drei Schwesten und seinen beiden Bäumen, Arbi und Arbo. Ein Leben von paradiesischer Ereignislosigkeit, wären da nicht der Vertreter, der den Eltern eine hochexplosive Enzyklopädie des Wissens andreht, der Lehrer Albercadaire, der so unerwartet aus "Unseremschönenfrankreich" auftaucht, wie er nach Djibouti entschwindet, nicht ohne Siloo Bali zwei beunruhigende Bücher zu hinterlassen, sowie ein Walfischjunges, welches das Jagdfieber der Insulaner weckt - und Siloo Balis Mitgefühl.
    Begag erzählt voll Witz und Poesie von einem, der auszieht, das Leben und das Lesen zu entdecken - und dabei den seinen immer fremder wird. Vom Abenteuer des Alphabets in einer Welt, in der die meisten noch nicht lesen und schreiben können, vom Verlust der Unschuld, vom Gefühl der Verlorenheit, vom Fernweh und der Suche nach den Wurzeln, in den Geschichten, die Siloo Bali in seinem Baumhaus über den Klippen am Meer verschlingt.


    Über den Autor:
    Azouz Begag, 1957 als Sohn von algerischen Einwanderern in Lyon geboren, ist Wirtschaftswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller. Vom 2. Juni 2005 bis zum 5. April 2007 war er beigeordneter Minister für die Förderung der Chancengleichheit. Er hat zahlreiche Romane und Sachbücher veröffentlicht.
    Ausführliche Informationen gibt es hier.


    Meine Meinung:
    Insel der Winde ist ein Dorf auf der Insel der Winde, wo es mitten im Sonnenschein unverhoffte Wolkenbrüche gibt und ansonsten nicht viel passiert. Die Bewohner von Insel der Winde sind einfache Leute. Sie leben in Großfamilien in armseligen Hütten, halten Hühner und Ziegen, arbeiten als Straßenkehrer oder Mechaniker in der Inselhauptstadt Saint-Arnaud und haben zu tun, ihre Kinder satt zu bekommen.


    Siloo ist ein Junge, der seine Eltern und Geschwister und den Hund Morleut und die Ziege Bichette lieb hat, aber er ist einsam. Die Freundschaft zum Nachbarsjungen Samy ging in die Brüche und seine besten Freunde sind Arbi und Arbo, zwei Bäume auf einer Klippe, von der aus man weit aufs Meer hinaus schauen kann. Und das Meer fasziniert ihn. Er hat Tag- und Nachtträume von Walen und der Unterwasserwelt und er hat Hemingways "Der alte Mann und das Meer" schon achtmal in seinem Baumhaus gelesen und achtmal geweint. Was stimmt nicht mit Siloo? Die anderen sagen, er sei nicht richtig im Kopf. Er bleibt für sich. Eines Tages bekommt die Schule einen neuen Lehrer (sie hat nur einen), Albercadaire. Zu ihm bekommt Siloo eine besondere Verbindung und lernt viel, zum Beispiel, wie wichtig Wurzeln sind - klar, ohne Wurzeln würden Arbi und Arbo sich nicht auf der Klippe halten können. Albercadaire ist auch einsam und irgendwie entwurzelt und plötzlich verschwindet er, geht einfach fort. Was bleibt, ist ein Päckchen, das Siloo später per Post von ihm bekommt.


    Eines Tages verirrt sich ein Wal in die Gewässer vor der Insel der Winde. Ein riesiggroßer, wunderschöner, majestätischer Wal! Ein Grund mehr, sich aufs Meer hinaus zu träumen.


    Dieses Büchlein erzählt auf anrührend-komische Weise und dabei voller Poesie von einem Jungen in großer Einsamkeit, der voller Verzweiflung versucht, der Insel der Winde zu entkommen. Dabei ist das ein idyllischer Ort - manchmal. Wenn er allein in seinem Baumhaus dem Flüstern der Blätter lauscht und das Salz in der Luft riechen kann. Aber da ist auch das harte Leben, der Gegensatz zu den Menschen in der Hauptstadt und, schlimmer noch, der zu den Touristen, die in den feinen Hotels absteigen.


    Auf der Insel der Winde gibt es Touristen? Und große Hotels? Ja, denn die Insel ist gar nicht so klein, wie man anfangs vermutet. Und vielleicht ist es auch gar keine richtige Insel, kein von Wasser umgebenes Land, sondern einfach ein Ort, an dem die Menschen von der übrigen Welt abgeschottet sind, ein Symbol. Und wenn man den Lebenshintergrund des Autors berücksichtigt, dann kann man interpretieren, dass es um die Randgebiete von französischen Großstädten geht, um Immigranten, die in Unsermschönenfrankreich (so heißt das Land in dem Buch) nicht richtig ankommen sondern eher auf der Durchreise nach Irgendwo sind.


    Aber man kann das Buch auch als Geschichte über einen Jungen auf einer Insel irgendwo im Ozean lesen, der auf der Suche nach sich selbst ist. Und alle, die das Meer lieben, können sich in der Geschichte wiederfinden.


    Schön geschrieben, grotesk und traurig, nachdenkenswert.