'Wer die Nachtigall stört' - Kapitel 01 - 10

  • In Kapitel 5 (S. 71) findet sich -meiner Meinung nach- eine bemerkenswerte und einprägsame Aussage von Miss Maudie Atkinson:


    "...manchmal ist die Bibel in der Hand eines bestimmten Mannes schlimmer als eine Flasche Whisky in der Hand..."


    "Es gibt nämlich Menschen, die...die sich so sehr um das Jenseits sorgen, dass sie nie gelernt haben, im Diesseits zu leben."

  • Was für eine zauberhafte Geschichte! Sie gefällt mir heute mindestens genauso gut wie vor vielen Jahren, obwohl ich sie jetzt mit ganz anderen Augen lese. Damals standen für mich vor allem die Abenteuer von Scout im Mittelpunkt. Da ich ebenfalls ein ziemlich wildes und eher jungenhaftes Mädchen war, hat sie mich damals einfach fasziniert.


    Heute berührt mich mehr die Art und Weise wie Atticus seine Kinder erzieht, trotz der Anfeindungen seiner kleinstädtischen Umgebung seinen Überzeugungen treu bleibt und diese aussichtslose Verteidigung übernimmt. An den Vorurteilen und der Engstirnigkeit vieler Amerikaner vom Land hat sich, fürchte ich, bis heute nicht viel geändert.


    Der Schreibstil kommt mir überhaupt nicht altmodisch vor (das Buch ist von 1960) irgendwie zeitlos, ähnlich wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Die Auseinandersetzung zwischen Scout und ihrer neuen Lehrerin über die "besonderen" Mitschüler fand ich besonders gelungen - traurig und putzig zugleich. Obwohl ich es schwierig finde, einzelne Stellen hervor zu heben, es gibt einfach zu viele! U. a. auch die von Athene erwähnten Sätze.

  • Ich lese das Buch zwar zum ersten Mal, denke aber, dass es bestimmt bald zu meinen Lieblingsbüchern gehören wird. "Zauberhaft" und "zeitlos" sind wirklich gute Beschreibungen, Lumos.
    An Scout faszinieren mich v.a. die feinfühligen und analytischen Gedanken (unabhängig von einem gewissen kindlichen Unvermögen), die häufig im Kontrast zu ihrem teilweise harschen Verhalten stehen.

  • So, ich habe gestern abend schon das dritte Kapitel abschließen können und bin ganz angetan von dem Buch.
    Da ich es vermieden habe, mich vorher zu informieren, dachte ich, nach der Aufmachung meiner Ausgabe (Büchergilde, 1964), dass es sich um ein Buch aus dem 19. Jahrhundert handelt. Tut es aber nicht, aus den winzigen Hinweisen lese ich heraus, dass es nach 1945 spielt. Wahrscheinlich später. 1960 also.
    Nun, Cal ist eine schwarze Haushälterin, deren Name mir schon sehr gut gefällt. Sie erzieht die lieben Kleinen mit, und entgegen der Meinung der Lehrerin, nicht schlecht, immerhin kann Scout bereits lesen und macht sich Gedanken über die Welt. Ich schätze, die Kleine ist ca. 6 bis 8 Jahre alt. Die gröbste Beleidigung ist es wohl, sie ein Mädchen zu nennen :grin Verlobt ist sie aber trotzdem schon.
    Atticus ist ein entspannter Vater mit festen Grundsätzen und einem hohen moralischen Wert. Ich halte ihn für einen guten Mann. Der Name ist klasse.
    Harper Lee gelingt es mit wenigen Worten und ohne viel Gewese aus seinen beschriebenen Charakteren echte Menschen zu machen, ohne ausschweifend deren Gedankengänge zu verfolgen. Keiner ist so richtig gut, alle haben ihre Kanten. Das gefällt mir.
    Das Bildungssystem kommt mir trotz der für Scout unverständlichen Neuerungen altmodisch und bildungsfeindlich vor. Vor allem Scout, die lernen will und kann, wird gebremst. Dafür aber lernt sie Dinge, die nicht auf dem Plan stehen: Menschenwürde (Cummingham), Zwischenmenschliches (Dill und Jem), echtes Leben (Atkinson).
    Ein schönes Sittenbild der Zeit.

  • Bin erst auf Seite 21. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist. Aber in meinem Buch ist die Schrift ganz klein. Ich habe die Ausgabe von 1988.
    Im Moment finde ich es noch ein wenig schwierig, in das Buch rein zu kommen.
    Ich lese Namen und muss jedes Mal wieder überlegen, wer war das noch mal? Wer ist zb Dill?

  • Ich lese das Buch zum ersten Mal ( kenne auch den Film nicht .... noch nicht ! ) und bin völlig hingerissen von der Geschichte. Zauberhaft ist wirklich das passende Wort dafür.


    Die Geschichte wird aus der Sicht der 6-jährigen Scout erzählt und diese Perspektive gefällt mir unheimlich gut. Ich mag es generell sehr gerne, aus der Sicht eines Kindes zu lesen, da mir die Erzählperspektive unvoreingenommener vorkommt. Owohl das wohl nur Einbildung ist, da das Buch ja von einem Erwachsenen geschrieben wurde. :lache


    Zitat

    Original von Lumos
    Was für eine zauberhafte Geschichte! Sie gefällt mir heute mindestens genauso gut wie vor vielen Jahren, obwohl ich sie jetzt mit ganz anderen Augen lese. Damals standen für mich vor allem die Abenteuer von Scout im Mittelpunkt. Da ich ebenfalls ein ziemlich wildes und eher jungenhaftes Mädchen war, hat sie mich damals einfach fasziniert.


    Mir geht es genau wie dir beim ersten Lesen .... für mich spielt Scout die Hauptrolle und auf sie bin ich konzentriert. Das mag aber daran liegen, daß der erste Abschnitt fast ausschließlich von den Kindern handelt, der eigentliche Fall, die Verteidigung eines Schwarzen, wird bisher nur angedeutet.


    Überhaupt finde ich, daß sich hier um ganz tolle Kinder handelt, sehr aufgeschlossen und intelligent, dennoch feinfühlig ihrer Umwelt gegenüber ... und vor allem fasziniert von ihrem geheimnisvollen Nachbarn. Das haben sie wohl auch der Erziehung Atticus zu verdanken ... wie Liesbett schon schrieb ist er ein guter Mann und Vater.

  • Zitat

    Original von ChristineÜberhaupt finde ich, daß sich hier um ganz tolle Kinder handelt, sehr aufgeschlossen und intelligent, dennoch feinfühlig ihrer Umwelt gegenüber ... und vor allem fasziniert von ihrem geheimnisvollen Nachbarn. Das haben sie wohl auch der Erziehung Atticus zu verdanken ... wie Liesbett schon schrieb ist er ein guter Mann und Vater

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    Ja, das sind Kinder wie sie sein sollten. Aufmüpfig, wild und selbstbewusst, gleichzeitig auch intelligent, wissbegierig warmherzig. Leider findet man solche Kinter heute eher seltener. Was aber i. d. R. nicht an den Kindern liegt, sondern an gestressten Eltern und der insgesamt schnelllebigen Zeit, in der die meisten Menschen hauptsächlich auf den eigenen und vor allem materiellen Vorteil aus sind.


    Bei mir steht im Klappentext:
    Harper Lee hat hier nicht nur einen durch menschliche Güte und stillen Humor gewinnenden Roman geschrieben, sondern ein gültiges Werk der Literatur von hohem erzieherischen Wert geschaffen.


    Dieser Kommentar trifft es meiner Meinung nach sehr gut! Eigentlich sollten möglichst viele Menschen, vor allem Eltern, dieses Buch lesen und sich vor allem auch zu Herzen nehmen. Die Art und Weise wie Atticus Fink seine Kinder erzieht könnte ein wunderbares Vorbild sein.

  • Nach einigen Widrigkeiten (ich hatte mich so sehr auf ein ruhiges Wochenende gefreut *grummel*), habe ich es dennoch geschafft, den 1. Abschnitt zu lesen. :-)


    Auch ich lese das Buch zum 1. Mal und bin total hin und weg. Ich muss leider eure Beschreibung übernehmen: "zauberhaft" - ja, das trifft es am allerbesten.


    Ich habe zwar das Gefühl, nicht so flüssig wie bei anderen Büchern voran zu kommen. Aber das liegt vielleicht an der kleinen Schrift, so dass ich das Gefühl habe, nur wenige Seiten auf einmal zu schaffen. Allerdings denke ich auch, dass es daran liegen könnte, dass in der Geschichte so viele kleine, liebevoll gezeichnete Details enthalten sind, die ich natürlich nicht einfach überlesen sondern in vollen Zügen geniessen will.


    Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich mir wünschen, sie wäre wie Scout! ;-) Sie ist so grundehrlich und ihre Sichtweise auf die Welt und ihre Mitmenschen ist einfach herrlich. Ich habe sie auf jeden Fall von Anfang an in mein Herz geschlossen. Als sie Dill's Lüge betreffend seines Vaters entlarvt (S. 52) war ich richtig stolz auf sie. :grin


    Ganz besonders mag ich auch Atticus. Seine Art der Erziehung finde ich einfach grossartig und mit seiner ruhigen und besonnenen Art findet er immer die richtigen Worte.


    Obwohl das Buch nicht eine Friede-Freude-Eierkuchen-Geschichte erzählt, habe ich so manches Mal herzlich gelacht. Z.B. in der Szene, wo Mr. Radley die Kinder aus seinem Garten verjagte und Jem unterwegs seine Hose verlor: "Es war aus! Er stand in der Unterhose vor Gott und den Menschen!" (S. 59) :lache


    Jetzt bin ich sehr gespannt, wie es in der Geschichte mit Atticus' Gerichtsfall weitergeht und welche Einflüsse das auf die Kinder noch haben wird.

  • Zitat

    Original von Lumos
    Ja, das sind Kinder wie sie sein sollten. Aufmüpfig, wild und selbstbewusst, gleichzeitig auch intelligent, wissbegierig warmherzig. Leider findet man solche Kinter heute eher seltener. Was aber i. d. R. nicht an den Kindern liegt, sondern an gestressten Eltern und der insgesamt schnelllebigen Zeit, in der die meisten Menschen hauptsächlich auf den eigenen und vor allem materiellen Vorteil aus sind.


    Ach, Lumos, wie recht du hast. Du sprichst mir aus der Seele!


  • :lache :lache :lache Das kann ja noch heiter werden. :-]

  • Irgendwie fühle ich mich in die Zeit von Huckleberry Finn und Tom Sawyer versetzt, obwohl der Roman wohl einige Jahrzehnte später spielt.
    In Maycomb, Alabama scheint die Zeit seit Huck und Tom stehen geblieben zu sein, obwohl wir uns wahrscheinlich Ende der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts befinden.


    Das Stilmittel den Roman aus der Sicht eines Mädchens zu erzählen funktioniert hervorragend.
    Unweigerlich wird eine „heile Welt“-Stimmung erzeugt, die wohl manchen Leser wohlig aufseufzen lässt.
    Nur am Rande scheinen weit entfernt einige Gewitterwolken aufzuziehen, die aber aus der Sicht von Scout nicht wahrnehmbar sind.
    Die Bürgerrechtsbewegung ist in dem Verschlafenen Nest noch nicht angekommen.


    Wir erfahren von einer sorglosen Kindheit und einem Vater, der als beispielhaft gelten kann.
    Funktionierte damals wohl auch nur durch die Abgeschiedenheit. In größeren Städten dürfte das auch damals kaum möglich gewesen sein.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Da ich es vermieden habe, mich vorher zu informieren, dachte ich, nach der Aufmachung meiner Ausgabe (Büchergilde, 1964), dass es sich um ein Buch aus dem 19. Jahrhundert handelt. Tut es aber nicht, aus den winzigen Hinweisen lese ich heraus, dass es nach 1945 spielt. Wahrscheinlich später. 1960 also.


    Zitat

    Original von dyke
    In Maycomb, Alabama scheint die Zeit seit Huck und Tom stehen geblieben zu sein, obwohl wir uns wahrscheinlich Ende der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts befinden.


    Bei mir auf dem Buchrücken steht: "Die Geschwister Jem und Scout wachsen in Alabama der 1930er Jahre auf." Allerdings ist auch von Atticus Finch und nicht Fink die Rede .... wie sehr also kann man diesen Informationen vertrauen ? :lache

  • Zitat

    Original von -Christine-
    Ich lese das Buch zum ersten Mal ( kenne auch den Film nicht .... noch nicht ! ) und bin völlig hingerissen von der Geschichte. Zauberhaft ist wirklich das passende Wort dafür.


    In diesem Fall ist der Film auch sehr empfelenswert. Ich hab den gerne gesehen und er kommt dem Buch relativ nahe. Wenn auch einige Dinge fehlen und einige Schwerpunkte anders gelegt sind.
    Aber Gregory Peck als Atticus ist einfach sehr sehr gut. Als wäre ihm die Rolle auf den Leib geschrieben.


    Ich hab zwar noch nicht wieder begonnen zu lesen, sehe aber den Inhalt noch immer vor mir.
    Nach über 20 Jahren.
    Ich sach ja - es ist nicht umsonst mein Lieblingsbuch. Das hat sich damals so festgesetzt bei mir, daß ich es nie vergessen habe.

  • Zitat

    Original von -Christine-Bei mir auf dem Buchrücken steht: "Die Geschwister Jem und Scout wachsen in Alabama der 1930er Jahre auf." Allerdings ist auch von Atticus Finch und nicht Fink die Rede .... wie sehr also kann man diesen Informationen vertrauen ? :lache


    Beim Stöbern im grossen Netz habe ich gelesen, dass die Geschichte zur Zeit der grossen Depression spielen soll. Das würde ja dann die Theorie der 1930er Jahre bestätigen... :-)