Das Schweigen des Lichts – Tahar Ben Jelloun

  • Tahar Ben Jelloun, Das Schweigen des Lichts
    Aus dem Französischen von Christiane Kayser
    Roman, 252 Seiten
    Berlin Verlag, Berlin 2001 (Dt. Erstausgabe)
    gebundene Ausgabe: 19,90 EUR, ISBN 978-3827004277
    Taschenbuchausgabe: 8,90 EUR, ISBN 978-3833300103


    Inhalt (Klappentext):
    Ein Mann erzählt. Er heißt Salim und hat am gescheiterten Putschversuch gegen König Hassan II. teilgenommen. Er war zwanzig, Soldat und seinen Offizieren blind gefolgt. Er wurde interniert im geheimen Straflager Tazmamart, im Süden Marokkos, verurteilt zu einem langsamen Sterben in Kälte, Schmutz und Angst. Im Gefängnis herrscht ewige Nacht, kein Licht dringt in die fensterlosen, unterirdisch gelegenen, nur 1,50 m hohen Zellen.
    Die einzige Vergünstigung bringt der Tod eines Mithäftlings: dann dürfen die Gefangenen ans Tageslicht, um ihn zu beerdigen, und vielleicht erhaschen sie ein Stück Kleidung des Toten gegen die Kälte.
    Um zu überleben, lernt Salim, sich von den Bildern seiner Vergangenheit zu befreien wie von seinen Gefühlen, der Sehnsucht nach der Familie oder dem Hass auf die Wärter – denn Gefühle schwächen sein Abwehrsystem. Und wie Scheherazade hält er sich und die anderen am Leben, erzählt seine „Tausendundeine Nacht“, wenn er Romane von Balzac oder Camus rezitiert, und wenn sein literarisches Gedächtnis versiegt, memoriert er die Filme, die er als Jugendlicher in Marrakesch sah.
    Die Wörter sind der einzige Widerstand gegen das tödliche, allumfassende Schweigen. „Das härteste, unerträglichste Schweigen aber war das des Lichts.“
    Ben Jellouns Roman basiert auf dem Zeugnis eines Überlebenden von Tazmamart. Dieses geheime Straflager war 1973 eigens für die Teilnehmer an dem gescheiterten Putsch gegen Hassan II. am 10. Juli 1971 errichtet worden. 1991 wurde es auf internationalen Druck geschlossen.


    Über den Autor:
    Tahar Ben Jelloun wurde 1944 in Fès, Marokko, als Sohn eines Tuchhändlers geboren. Er studierte Philosophie und war nach dem Studium zunächst als Lehrer in Marokko tätig. 1971 emigrierte er nach Frankreich, da die Lehre der Philosophie in seinem Heimatland arabisiert wurde und er dafür nicht ausgebildet war. Seinen Durchbruch als Schriftsteller hatte Ben Jelloun 1985 mit dem Roman „L’enfant de sable“ (dt. „Sohn ihres Vaters“, 1986). Für den Folgeroman „La nuit sacrée“ (dt. „Die Nacht der Unschuld“, 1987) erhielt er 1987 als erster Autor des Maghreb den Prix Goncourt. Beide Bücher wurden in 43 Sprachen übersetzt. Er gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur des Maghreb.
    „Das Schweigen des Lichts“ ist Jellouns zwölfter Roman, für den er 2004 mit dem International IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet wurde.


    Meine Meinung:
    Der Autor hat sich hier ein Thema ausgesucht, welches meiner Meinung nach literarisch sehr schwer umzusetzen ist. Wie will man 18 Jahre Kerkerhaft, während derer eine unvorstellbare Menge an Leid angehäuft wird und ansonsten ewige Dunkelheit und Langeweile herrscht, in einem Roman beschreiben? Ich war zu Beginn der Lektüre skeptisch und fragte mich, ob die Prosaform hierfür überhaupt geeignet ist. Zumal es mittlerweile über Tazmamart auch schriftliche Berichte Überlebender gibt. Tahar Ben Jelloun ist es jedoch gelungen, diesen Stoff angemessen und gut in Romanform zu bringen.
    Die Gefangenen werden in Einzelhaft gehalten, können aber miteinander reden. So erzählen sie sich gegenseitig Geschichten und entfliehen mit Hilfe ihrer Phantasie der Realität. Selten wird die Eintönigkeit der Haft durch kleine Ereignisse unterbrochen, etwa, als sich eine Taube in das Verließ verirrt und einen Monat lang von Gefangenem zu Gefangenem gereicht und schließlich wieder frei gelassen wird. Zudem sind im Roman immer wieder Rückblenden und Erinnerungen an das Leben in Freiheit, an die Familie eingestreut, hierdurch lernt man die einzelnen Inhaftierten und vor allem den Ich-Erzähler sehr gut kennen. Aus diesem Wechsel von Eintönigkeit und kleineren Ereignissen sowie Rückblenden und Erinnerungen bezieht der Roman seine Spannung und entwickelt einen regelrechten Sog, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte.
    Auch sprachlich ist der Roman sehr gut gemacht – mitunter klingt die Sprache sogar poetisch. Man merkt jedenfalls, dass Tahar Ben Jelloun ein versierter Schriftsteller ist. Da klingt nichts holprig oder sperrig und die Anordnung der Szenen wirkt durchdacht.


    Es ist ein Buch gegen das Vergessen. Denn, so lässt es der Autor seinen Ich-Erzähler sagen (Seite 235): "Schlimmer noch als erlittenes Grauen ist seine Verleugnung."


    Ich vergebe 9 Punkte und empfehle den Roman denjenigen, die sich von dem schweren Thema nicht abschrecken lassen.

  • Danke für die Rezi - ich habe bisher noch nichts von dem Autor gelesen. Habe mich gerade umgeschaut und seine Themen hören sich sehr interessant an - leider sind hier nicht so viele Meinungen über ihn zu lesen..

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Rezensionen zu 6 Büchern sind doch nicht mal so schlecht!


    Ja klar, das auf jeden Fall! Aber jeweils zu diesen 6 Büchern sind leider nicht allzuviele Meinungen dabei..
    Vielleicht werde ich es einfach mal mit einem versuchen :wave

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Zitat

    Original von verena


    Ja klar, das auf jeden Fall! Aber jeweils zu diesen 6 Büchern sind leider nicht allzuviele Meinungen dabei..
    Vielleicht werde ich es einfach mal mit einem versuchen :wave


    Naja, wenn alle so denken wie du, würden da auch keine weiteren neuen hinzukommen. Vielleicht musst du dich auch einfach mal an ein Buch ranwagen, zu dem es noch nicht so viele Meinungen gibt. Es kann ja eigentlich nichts schief gehen. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du es ja immer noch irgendwo verkaufen ... :wave