# Broschiert: 541 Seiten
# Verlag: Fischer (Tb.), Frankfurt; Auflage: 1., Aufl. (1. April 2011)
# Sprache: Deutsch
# Originaltitel: Et annat liv
Kurzbeschreibung
Von einem, der als Sohn einer strenggläubigen Volksschullehrerin in einem Dorf in Schweden aufwuchs und zu einem der angesehensten europäischen Schriftsteller wurde. Per Olov Enquist erzählt seine Lebensgeschichte, als ob es die eines anderen wäre: Er studierte in Uppsala, erlebte die RAF-Zeit in West-Berlin, schrieb in München als Journalist über die Olympiade und debütierte mit seinem ersten Theaterstück am Broadway in New York. "Wenn alles so gut ging, wie konnte es dann so schlimm werden?" - steht als Leitfrage über Enquists Biografie, die auch tief in die Alkoholabhängigkeit und an den Rand des Todes führte. Ein außergewöhnliches Buch, das sich liest wie ein zeitgenössischer Roman.
Über den Autor
Per Olov Enquist, 1934 in einem Dorf im Norden Schwedens geboren, lebt in Stockholm. Er arbeitete als Theater und Literaturkritiker und zählt zu den bedeutendsten Autoren Schwedens. Der internationale Erfolg seines "glanzvollen, hinreißend erotischen, politischen Großwerks" ("Ekstra Bladet") bei Presse und Publikum war das Ereignis des literarischen Bücherfrühlings 2001. Zuletzt erhielt Per Olov Enquist den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur 2009.
Meine Meinung
"Man musste sich wohl auf seine eigene Beine stellen und zu gehen versuchen."
In "Ein anderes Leben" schreibt Per Olov Enquist (oder auch PO, wie er im Buch immer wieder genannt wird) über sein Leben. Im ersten Teil skizziert er seine Kindheit und das Aufwachsen in einem kleinen schwedischen Dorf. Seine Kindheit ist vor allem durch die Religiosität seiner Mutter geprägt. Schon sehr früh versucht Enquist Auswege zu finden, aus dieser religiösen Enge und Starrheit. Und dennoch glaubt er
Zitat"[…], dass die Mutter der Mensch ist, der ihn am stärksten beeinflusst hat in seinem Leben, ja eigentlich geschaffen hat."
Der zweite Teil ist geprägt von Beschreibungen seines Studiums und seinen politischen Aktivitäten. Als Student ist Enquist noch ein begeisterter Hochspringer, der seinen Sport liebt. Diese Liebe zum Sport verliert er auch im späteren Leben nie. 1972 schreibt er zum Beispiel eine Reportage über die olympischen Spiele in München und erlebt den Attentat auf die israelischen Athleten mit. 1968 lebt Enquist in Berlin und erlebt die Hochzeit der 68er mit; auch Ulrike Meinhof lernt er beispielsweise auf einer Diskussionsrunde kennen. Daneben schreibt er über seine Tätigkeit am Theater, was sehr eindrückliche Passagen sind, da sein Stück am Broadway ein großer Misserfolg wird. Auch die Arbeit an dem Roman "Die Ausgelieferten" wird sehr detailliert beschrieben.
Mir hat dieser Abschnitt sehr viel Spaß gemacht, da Enquist viele interessante Persönlichkeiten erwähnt, von denen ich leider nicht immer alle gekannt habe. Mit Lars Gustafsson lebt Enquist beispielsweise in seiner ersten Studenten-WG zusammen.
Zitat"Wie Dante befinde ich mich in der Mitte meines Lebens, denkt er, aber es hilft nicht. Es macht keinen Spaß mehr, das Studium nicht, die Liebe nicht, der Sport nicht. Das einzige, was Spaß macht, ist das Schreiben. Da versteckt er sich."
Im letzten Teil konzentriert Enquist sich auf vor allem auf seinen Kampf mit dem Alkohol, den er sich lange weigert zu führen – nicht nur einmal wird er mit mehr als 1,5 Promille von seiner Frau oder seinen Kindern in eine Entzugsklinik eingeliefert.
Mir hat "Ein anderes Leben" sehr gut gefallen. Enquist schreibt in kurzen und nüchternen Sätzen und schon nach ein paar Seiten hat das Buch einen sehr großen Sog auf mich entwickelt. Enquist kann auf ein sehr ausgefülltes Leben zurückblicken und hat dementsprechend sehr viel zu erzählen – sehr viel spannendes und lustiges, aber auch sehr viel trauriges. Am beeindrucktesten war für mich deshalb auch der Abschnitt über seinen Alkoholismus, in dem er schonungslos über sich und seine Krankheit schreibt.
Ich habe Schwierigkeiten, das Buch einzuordnen, da es für mich keine klassische Autobiographie ist, dennoch denke ich, dass es hier am besten aufgehoben ist. Für mich eines der Lesehighlight in diesem Jahr, dem ich noch viele weitere Leser wünschen würde.
10 Punkte