Winterlicht - Melina Marchetta

  • Inhalt:
    Seit den Fünf Tagen des Unsagbaren ist das Land Lumatere durch einen Fluch von der Außenwelt abgeschnitten. Niemand kann hinein oder hinaus, Familien wurden getrennt und viele Menschen heimatlos. Auch Finnikin, dessen Vater Hauptmann der königlichen Garde war, verlor seine Familie und ist seitdem rastlos auf der Reise. Er sucht den verschollenen Thronerben Prinz Balthasar, denn nur dieser kann Lumatere von dem schrecklichen Fluch befreien. Während seiner Suche trifft Finnikin auf Evanjalin, die auch unter dem Fluch leidet. Er verliebt sich in sie, doch sie ist dem König versprochen – dem König, der für das Elend und Leid Lumateres verantwortlich ist…


    Meine Meinung:
    Melina Marchettas „Winterlicht“ fällt einem direkt beim ersten Hinsehen durch seine großartige Umschlaggestaltung ins Auge. Ein wunderschönes Blau mit schwarzem und silbernem Spotlack, im Hintergrund wie hinter Nebel das Gesicht einer jungen Frau – dieses Cover hat es wirklich in sich.
    Schlägt man das Buch auf finden sich nach einem rätselhaften Gedicht zwei Landkarten, eine von Lumatere, eine vom Land Skuldenore, so dass man sich die Welt, in der „Winterlicht“ spielt, genau ansehen kann. Dies ist auch wirklich nötig, denn die Geschichte startet von der ersten Seite an ohne großartige Einführung direkt durch. Man ist sofort mitten drin in Finnikins Leben und muss sich dort irgendwie zurechtfinden. Dies gestaltet sich vor allem am Anfang ziemlich schwer, denn die Autorin konfrontiert den Leser mit eine wahren Flut an Personennamen und Ländern, ohne dass man erfährt, wer wer ist und was er mit Finnikin zu tun hat. Zu den meisten Personen und Ländern erfährt man im Laufe der Geschichte noch mehr, aber bis die Verwirrung etwas nachlässt vergehen schon 100 bis 150 Seiten.


    Insgesamt ging mir bei diesem Buch alles zu schnell. Man bekommt keine vernünftige Einführung um in die Geschichte hineinzufinden, Figuren kommen und gehen ohne dass sie vorgestellt und erklärt werden und Ereignisse werden mit ein paar Sätzen einfach abgehandelt. Stattdessen werden die Seiten gefüllt mit Dialogen, in denen es um Vergangenes geht oder Personen, die der Leser noch nicht kennt, so dass man sich eigentlich die ganze Zeit über fragt um wen es gerade geht und was er mit der Geschichte zu tun hat. Ich muss ehrlich sagen, dass ich die meiste Zeit des Lesens einfach nur verwirrt war.


    Leider fällt es so auch entsprechend schwer, in die Geschichte hineinzukommen und zu den Charakteren eine Beziehung aufzubauen. Finnikin scheint ein netter Kerl zu sein, aber ich konnte aus ihm nicht wirklich schlau werden, was wohl auch der Sprunghaftigkeit der Autorin zuzuschreiben ist. Zuerst ist Evanjalin ihm ein Klotz am Bein, dann redet er drei Sätze mit ihr und plötzlich hat er Gefühle für sie. Die Handlungen sind überhaupt nicht nachvollziehbar, ebenso wenig wie die Liebesgeschichte zwischen den beiden, die das Buch auch nicht retten kann.


    Hinter dem wunderschönen Cover versteckt sich eine unausgereifte, wenig durchdachte Geschichte, die den Leser weniger begeistert, aber umso mehr verwirrt. Sehr schade, denn diese Geschichte hat durchaus Potenzial!

  • Auch hier zeigt sich - zwei Leser bringen unter Umständen zwei Meinungen. Mir hat die Geschichte gefallen, weshalb ich meinen Eindruck hier posten möchte:


    Im März 1965 wurde die in Sydney lebende Autorin italienischer Abstammung geboren. Nachdem sie mit 15 Jahren von der Schule abging, gelangte sie auf einigen Umwegen an eine Schule zurück und unterrichtete 10 Jahre lang Geschichte und Englisch. Im Jahr 1992 erschien ihre erste Novelle, die einige Jahre später nach ihrem eigenen Drehbuch verfilmt wurde. Nachdem Marchetta während ihrer Tätigkeit als Lehrerin ihre zweite Novelle vollendete, gab sie ihre Lehrtätigkeit 2006 auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Bereits 2008 erschien dann die englische Originalausgabe (Finnikin of the Rock) der mir vorliegenden deutschen Hardcoverversion Winterlicht. Es handelt sich dabei um den Auftaktroman einer Jugendbuch-Fantasyreihe mit dem Titel Lumatere Chronicles und es ist nur eines von weiteren Projekten der Autorin. Ihre Novellen wurden bislang in 17 Sprachen übersetzt und sie erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen für ihre Arbeiten.


    Optisch ist mir der Roman von Melina Marchetta ebenfalls sofort ins Auge gestochen. Ich liebe Hardcoverbücher, meist schon wegen der Umschläge. Im Fall von Winterlicht ist dieser in bläulich-schwarzen Tönen gehalten (hinten hell, vorne dunkel), und darüber hinaus noch vorne mit einer schwarz glänzenden Prägung mit silbrigen Lackglanzelementen versehen, die Eiskristallen oder Schneeflocken ähneln. Er zeigt ferner das Gesicht eines Mädchens und im Hintergrund Äste sowie einen zunehmenden Mond rechts und links von ihr. Das Motiv der Prägung findet sich übrigens auch im Inneren des Buches an den Kapitelanfängen wieder. Dort natürlich einfach grau gedruckt. Im Buch finden sich gleich anfangs auch zwei gezeichnete Landkarten.


    Mit Winterlicht überrascht die Autorin ihre LeserInnen mit sehr realistischen Darstellungen, schneidet ethische Themen genauso an wie politische. Dadurch fällt es etwas aus dem Rahmen dessen, was ich erwartet habe. Die Idee dazu ist zugegebenermaßen nicht neu (ein verratenes, verfluchtes Land hofft auf Rettung, diese wird durch eine rätselhafte Prophezeiung in Aussicht gestellt). Doch das muss sie auch nicht sein, wenn die Umsetzung gut ist. Im Fall von Winterlicht finde ich die Geschichte über Freundschaft und Liebe, Hoffnung und Mut und von Zusammenhalt auch in Zeiten der Entwurzelung, der Trauer, des Verrats und des Leids gelungen.


    Marchetta zeichnet ganz eigene Figuren und lässt diese einiges erleben. Wie bei vielen Fantasygeschichten dauert es auch bei Winterlicht, bevor man darin abtauchen kann und sich dort sicher zurechtfindet. Bevor die eigene Fantasie sich auf die der Autorin einstimmt sozusagen. Doch wenn das geschieht, dann fällt es schwer, das Buch beiseitezulegen und wieder in der Realität aufzutauchen.


    Der Klappentext verrät, dass auf Lumatere eine dunkle Bedrohung liegt. Ein Fluch verhindert, dass man es einfach so betreten oder verlassen kann. Doch jeder Fluch lässt sich bekanntlich brechen. Finnikin (einer von vielen Flüchtlingen, die gerade noch so aus Lumatere herauskamen) etwa weiß, wie man speziell diesen Fluch brechen kann. Man muss den rechtmäßigen Thronerben zu seinem Thron verhelfen. Als er sich aufmacht, seine Aufgabe zu erfüllen, treffen er und sein Begleiter auf Evanjalin. Finnikin verliebt sich in sie, obwohl sie eigentlich dem neuen König versprochen ist. Mit ihr an seiner Seite versucht er, die Bedrohung für Lumatere abzuwenden.


    Wie bereits erwähnt, zeichnet die Autorin ganz eigene Figuren. Sie erscheinen fragwürdig und unsympathisch oder genau gegenteilig. Immer jedoch authentisch und individuell. Man fühlt ihre Emotionen – Freude wie Hass, Ängste wie Stärken, Hoffnungslosigkeit wie Mut. Oder immer wieder die in einem Jahrzehnt gewachsene Sehnsucht, in die Heimat zurückzukehren, zu den eigenen Wurzeln. Bildhaft und facettiert führt Marchetta ihre LeserInnen in eine ganz eigene Welt (die der unseren vor vielen, vielen Jahren stellenweise vielleicht nicht ganz unähnlich ist, sofern man die fantastischen Elemente weglässt).


    Was anfangs idyllisch wirkt, wird gleich darauf durch die Schilderung dessen zerstört, was mit der Königsfamilie und den Bewohnern Lumateres passiert. Das geschieht in wenigen Absätzen, recht grob umfasst. Warum und weshalb es geschehen ist, stellt sich erst im Laufe der größtenteils aus Finnikins Sicht erzählten Geschichte und seiner Reise mit seinen Mitstreitern heraus. Es fehlen anfangs Informationen zu den darin erwähnten Ereignissen, Namen und Ländern. Doch diese offenbaren sich sukzessive und nach und nach zeichnet sich das Ausmaß des Leides von Lumatere und seinen Bewohnern beziehungsweise den Flüchtlingen ab. Obwohl Marchetta an schönen Erlebnissen und Gegebenheiten teilhaben lässt, verschont sie ihre Figuren und LeserInnen andererseits auch nicht vor weniger schönen und gewaltreichen Einblicken. Trotz überraschender Wendungen steuern die Figuren beharrlich ihre Ziele an.


    Hierbei allerdings gibt es ein kleines Manko, denn die Autorin bemüht selbst für einen Fantasy-Roman etwas zu oft den guten alten Zufall, was die eine oder andere Szene konstruiert wirken lässt. Und wer vermutet, dass der Fokus auf der im Klappentext angedeuteten Liebesgeschichte liegt, liegt falsch. Sie bleibt genau das: eher angedeutet. Allerdings fehlt sie nicht unbedingt zwingend, da sie sich bei aller Knappheit nachvollziehbar und still entwickelt. Kapitelübergreifend gibt es leider trotz aller Bildhaftigkeit auch die eine oder andere Länge. Doch all das wird durch das sprachliche und erzählerische, lesenswerte Niveau der Geschichte überspielt, die etwas abseits des Mainstream-Geschmacks liegen dürfte.


    Fazit:


    Ich gebe zu, ich bin weit außerhalb der eigentlichen Zielgruppe, die der Ravensburger Buchverlag mit diesem Titel ansprechen möchte. Dennoch habe ich mich trotz der gerade erwähnten kleineren Schwächen mit Winterlicht gut unterhalten gefühlt. Und ich frage mich schon, wie Froi – einer der Figuren – sich im zweiten Teil der Chroniken von Lumatere weiterentwickelt. Deshalb möchte ich dem Roman vier von fünf Punkten geben.

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain