Elf Leben - Mark Watson

  • Titel: Elf Leben
    Autor: Mark Watson
    Originaltitel: Eleven
    Verlag: Eichborn
    Erschienen: März 2011
    Seitenanzahl: 266 Seiten
    ISBN-10: 382186124X
    ISBN-13: 978-3821861241


    Der Autor:
    Mark Watson, geboren 1980 in Bristol, ist Romanautor, Kolumnist, Radio- und Fernsehmoderator, Fußball-Experte und international erfolgreicher Stand-up Comedian. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in London. Elf Leben ist sein erstes ins Deutsche übersetzte Buch.


    Klappentext:
    Elf Menschen, die sich niemals begegnen werden. Elf Schicksale, die unabänderlich miteinander verknüpft sind. Und ein Mann, dessen Leben aus den Fugen geraten ist.


    Meine Meinung:
    Vorab - es fällt mir schwer, das Buch in solchen Worten zu rezensieren, die dem Buch wirklich gerecht werden. Ich versuche es dennoch.


    Ich war von der Leseprobe bei vorablesen bereits angetan, wenn ich auch nicht wusste, was mich genau erwartet. Elf Menschen, deren Leben irgendwie miteinander verknüpft sind - nette Vorlage, aber was kann man draus machen? Wie viel Einblick bekommt man in die einzelnen Leben, wie viel erfährt man über die Menschen, wie gut kann die Geschichte werden? Was soll ich sagen? Mark Watson gelingt es meiner Meinung nach sehr gut!
    Xavier Ireland, die Hauptfigur der Geschichte, ist ein beliebter Radiomoderator und sozusagen der Auslöser dieser "Kette von Ereignissen". Alles fängt an, als es ihm misslingt, einen Streit unter Jugendlichen zu verhindern. Obwohl Xavier selbst dieses Ereignis wohl schnell vergessen hat, wird dadurch das Leben anderer Menschen beeinflusst- das Leben von Menschen, die Xavier nicht kennt und die ihm auch nie begegnen werden. Diese Tatsache ist spannend und doch irgendwie erschreckend zugleich. Die Art, in der Mark Watson die weiteren Ereignisse schildert, sorgt dafür, dass das Interesse des Lesers für jedes weitere Ereignis geweckt wird, die Neugier größer wird, dass man aber dennoch nicht vergisst, womit die Kette anfing. Zwar werden die anderen Personen nicht nur einmal erwähnt, dennoch bleibt Xavier eindeutig die Hauptfigur. Man erfährt im Laufe des Buches immer wieder mehr von ihm, seiner Vergangenheit und dem Grund, der ihn von Australien nach London verschlagen hat. Man erlebt ihn bei der Arbeit, bei den Gesprächen mit seinem Kollegen, bekommt Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt und ist irgendwann an einem Punkt, an dem man diesen Mann einfach nur trösten möchte. So ging es mir zumindest.


    Doch Xavier ist nicht nur der Auslöser der Kette - Xavier ist gewissermaßen auch das letzte Glied, bei dem sich der Kreis schließt, und das auf eine Art und Weise, die vielleicht dem einen oder anderen etwas kitschig erscheint, in meinen Augen aber genau das richtige Ende für das Buch ist.


    Elf Leben ist ein einfühlsames Buch, das mich tief in meiner Seele berührt hat. Ein Buch, das mich zum Lachen, zum Weinen, zum Staunen und auch zum Nachdenken gebracht hat. Ein Buch, das wunderbar zeigt, dass diejenigen Aspekte unseres Verhaltens, die wir vielleicht gar nicht mehr wahrnehmen, doch einen Einfluss auf das Leben anderer haben können. Und ein Buch, das zeigt, dass auch ein Ende nicht unbedingt ein Ende sein muss.


    Für mich war es im März das Monatshighlight und wer weiß, vielleicht lese ich es irgendwann noch mal. 10 von 10 Punkten mit einer absoluten Leseempfehlung.


    Ach, nur so nebenbei - auf dem Buchrücken steht "Wenn Sie Zwei an einem Tag von David Nicholls geliebt haben, dann ist das Ihr Buch - es wird sie lange begleiten, nachdem Sie die letzte Seite gelesen haben." Das stammt aus der Cosmopolitan und ich habe keine Ahnung, wie jemand auf so was kommt, denn die Handlung und die Personen in den beiden Büchern ähneln sich meiner Meinung nach so gut wie gar nicht. Und doch stimmt diese Aussage bei mir. Unfassbar! :lache

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    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Gummibärchen ()

  • Herzlichen Dank für diese sehr interessante Buchvorstellung. Ich habe mir den Titel mal notiert und werde mir das Buch unter Garantie wahrscheinlich in der nächsten Zeit kaufen. Gerade die sehr einfühlsam geschriebene Rezi macht neugierig auf das Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Kennt ihr das? Ihr lobt ein Buch bis in den Himmel und habt dann Angst vor der "Tracht Prügel", wenn es andere als Reinfall sehen? :lache
    Naja, ich übernehme keine Garantie. Selbst Bücher sind ja oft Geschmackssache. Aber ich finde, dieses Buch sollte gelesen werden. :-]

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Kennt ihr das? Ihr lobt ein Buch bis in den Himmel und habt dann Angst vor der "Tracht Prügel", wenn es andere als Reinfall sehen? :lache


    Ja, das kenne ich nur zu gut :wave


    Du hast wirklich eine schöne Rezension geschrieben und auch wenn das Buch eigentlich nicht so recht in mein Beuteschema fallen würde, werde ich es mir nach deiner überzeugenden Rezi auf jeden Fall mal anschauen ... :-)

  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Kennt ihr das? Ihr lobt ein Buch bis in den Himmel und habt dann Angst vor der "Tracht Prügel", wenn es andere als Reinfall sehen? :lache
    Naja, ich übernehme keine Garantie. Selbst Bücher sind ja oft Geschmackssache. Aber ich finde, dieses Buch sollte gelesen werden. :-]


    Wieso muss man denn da Angst haben? Du findest ein Buch gut und schreibst das auch auf - wenn andere eine andere Meinung haben, dann ist das deren Sache und hat aber absolut nichts mit einer Tracht Prügel zu tun. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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  • Voltaire, ich weiß, "Tracht Prügel" war auch etwas übertrieben, aber irgendwie fühle ich mich dann mitverantwortlich, wenn man aufgrund meiner Rezi eher zu dem Buch greift und sich dann doch darüber ärgern sollte. :pille

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Voltaire, ich weiß, "Tracht Prügel" war auch etwas übertrieben, aber irgendwie fühle ich mich dann mitverantwortlich, wenn man aufgrund meiner Rezi eher zu dem Buch greift und sich dann doch darüber ärgern sollte. :pille


    Das ist aber nun wirklich nicht dein Problem. Das Risiko ggf. ein Buch zu erwischen was einem nicht so gefällt und welches man gekauft hat weil es jemand anders gut gefallen hat, liegt ausschließlich beim Käufer.


    Würde man deiner Argumentation folgen, dann könnte man jede der Bücherempfehlungen hier in die Tonne treten.


    Du äußerst eine Meinung - und was andere daraus machen ist ganz allein deren Sache. :wave

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    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Würde man deiner Argumentation folgen, dann könnte man jede der Bücherempfehlungen hier in die Tonne treten.


    Nee, das würde ich ja so nicht sehen. Jeder andere halbwegs normale Mensch fühlt sich da ja nicht mit-verantwortlich. :lache


    Zitat

    Du äußerst eine Meinung - und was andere daraus machen ist ganz allein deren Sache. :wave


    Eben. Und genau das will mein Schädel manchmal nicht wahrhaben und fühlt sich dann "mitschuld". Aber das ist mein Dilemma und gehört hier gar nicht rein. Dank buzz weiß ich zumindest, dass das nicht ganz so verrückt ist, wenn auch bei mir wohl etwas extrem (das hab ich nämlich nicht nur bei Büchern, die ich empfehle :pille)

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  • Meine Meinung:


    Der Hauptcharakter des Buches ist Xavier Ireland. Und hauptsächlich geht auch auch darin um ihn. Man erfährt jedoch auch, wie durch eine Handlung, oder besser gesagt durch ein Nicht-Handeln von Xavier, das Leben von elf Menschen verändert wird.


    Ich weiß nicht, was ich nach der Leseprobe erwartet hatte, aber nachdem ich nun das Buch ausgelesen habe, bin ich ein wenig enttäuscht. Dabei ist die Grundidee des Buches sehr interessant und sehr gut. Ich denke, das mir der Schreibstil von Mark Watson nicht besonders gut gefällt. Es gab mehrere Stellen, wo ich mir gedacht hab, dass es ein bisschen schneller vorangehen sollte oder der Autor ein bisschebn mehr Pfiff hätte reinbringen sollen. Wahrlich, die Spannungskurve dieses Werkes kann sich nicht mit besonders hohen Höchstpunkten rühmen.


    Fazit:


    Trotz einiger Längen, dank der Grundidee nett zu lesen. Aber man muss es nicht unbedingt gelesen haben

  • Tja, so unterschiedlich können die Meinungen sein. :grin


    Zitat

    Original von Usra
    Ich denke, das mir der Schreibstil von Mark Watson nicht besonders gut gefällt. Es gab mehrere Stellen, wo ich mir gedacht hab, dass es ein bisschen schneller vorangehen sollte oder der Autor ein bisschen mehr Pfiff hätte reinbringen sollen. Wahrlich, die Spannungskurve dieses Werkes kann sich nicht mit besonders hohen Höchstpunkten rühmen.


    Hm, das ist wohl wirklich Ansichtssache, wie man "Spannung" interpretiert. Ich hatte kurz nach "Elf Leben" das Buch von Arno gelesen ("Das Wesen", ein Thriller) und das war sicher eine andere Art von Spannung, richtige Pageturner, wie man so schön sagt. "Elf Leben" war anders, dennoch konnte ich es kaum aus der Hand legen, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht und vor allem, was es mit Xaviers Vergangenheit auf sich hat. Ich kann nicht sagen, dass ich bestimmte "Spannungshöhepunkte" ausmachen kann, aber auch nicht, dass ich das Buch langweilig fand. Schneller hätte ich es nicht gewollt, weil mir die Geschwindigkeit bei der Thematik genau richtig erschien.


    Aber wie gesagt - da sieht man wieder, wie unterschiedlich die Meinungen sein können. ;-)

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Tja, so unterschiedlich können die Meinungen sein. :grin


    Aber wie gesagt - da sieht man wieder, wie unterschiedlich die Meinungen sein können. ;-)


    Genauso ist es - und darum orientiere ich mich auch an deiner Meinung. :wave
    Da weiß ich was daran habe. :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • *rotwerd*


    Wenn du so weiter machst, Voltaire, steigt mir der Ruhm bald zu Kopf. :grin

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  • Gummibärchen


    Ich glaub, wenn ich keine so große Erwartung an das Buch gehabt hätte, hätte es mir vielleicht auch besser gefallen.
    Ich hab das Buch bei vorablesen gewonnen und nach dem letzten Satz habe ich gedacht: Oh, jetzt gehts los, das muss ich unbedingt lesen.


    Ich glaube ich hatte, einfach eine andere Vorstellung vom Buch.



    Was nicht heißen soll, dass das Buch schlecht ist.


  • Du meinst den letzten Satz der Leseprobe? Wenn ich mich nicht täusche, war es dieser längere Satz (mit einem Teil der "Ereigniskette" auf Seite 82, oder?). Ich muss sagen, dass ich, nachdem ich das Buch gewonnen hatte, gar nicht wusste, was mich erwartet und dachte, dass es vielleicht doch nicht so meins ist. Aber ich wurde - im Gegensatz zu dir - positiv überrascht. Und wer weiß, vielleicht bleib ich die Einzige, die es hier gut findet. :grin

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Voltaire, ich weiß, "Tracht Prügel" war auch etwas übertrieben, aber irgendwie fühle ich mich dann mitverantwortlich, wenn man aufgrund meiner Rezi eher zu dem Buch greift und sich dann doch darüber ärgern sollte. :pille


    Sorry, grade erst gesehen.....neeee, mach Dir doch darüber keine Gedanken, Gummibärchen! Ich freue mich einfach, wenn in einem Beitrag Herzblut und Begeisterung steckt und ich denke, das Buch könnte was für mich sein. Ist doch klar, dass es sich um einen subjektiven Eindruck handelt! :knuddel1


    (Falls es nix ist, haue ich es Dir um die Ohren. :grin)

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von rienchen
    (Falls es nix ist, haue ich es Dir um die Ohren. :grin)


    Ui, jetzt hab ich aber Angst. :lache

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  • Ich bin fast ein wenig "erschlagen" nach der Lektüre. Ich bin so voll von Eindrücken, meine Gedanken schlagen Purzelbaum, und am liebsten würde ich gleich wieder von vorne beginnen. Selten hat mich ein Buch dermaßen beschäftigt, das zuerst doch so harmlos als Unterhaltungsliteratur daherkam. Doch es ist weitaus mehr.


    Nein, es ist kein Philip Roth - obwohl sich hier jemand in seine Putzfrau verliebt. Es ist auch keine russische Weltschmerz-Literatur à la Dostojewski oder Tolstoi - obwohl es hier um nichts weniger geht als das Schicksal in Aktion. Und es ist auch keine reine Pop-Literatur - obwohl die Schreibweise in ihrer ganzen Art sehr frisch und modern ist, und sich etliche stilistische Experimente erlaubt. Aber was ist es dann?


    Man wird dem Buch ganz sicher nicht gerecht, wenn man sich zu sehr auf den Inhalt bezieht. Wie so oft im Leben, ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Ich glaube, man beschreibt das Buch am besten, wenn man sich die Absicht vor Augen führt, die der Autor offenbar verfolgt hat. Er hat ein Gedankenexperiment aufgestellt, und dieses dann anhand von 11 auserlesenen Charakteren durchgespielt. Was ist eigentlich Schicksal? Was kann eine Handlung bewirken, bzw. eine unterlassene Handlung auslösen? Sind wir alle Einzelgänger, oder doch miteinander verbunden? Rund um diese Fragen entwirft der Autor eine Handlung, die das ganze Buch über immer wieder spiralförmig verläuft, deren Fäden sich immer wieder kreuzen - und die am Ende genau zu ihrem Ausgangspunkt zurückläuft. Dennoch bleibt das Ende angenehm offen und nicht-moralisierend. Es bleibt herrlich viel Raum für eigene Gedanken und Interpretationen des Lesers.


    Dieser "Ausgangspunkt" der Handlung ist ein Londoner Radio-Moderator namens Xavier Ireland. Ein komischer Name? Nein, ein bedeutsamer. Denn er hat ihn sich selbst gegeben: seine Initialen, XI, ergeben die römische Zahl 11, zu der der Held ein besonderes Verhältnis hat. Er wohnt auch noch in einem Haus mit der Nummer 11! Zunächst begleiten wir Xavier einige Kapitel lang durch sein relativ kontaktarmes und zurückgezogenes Leben. Seine Nachbarn kennt er zwar, mischt sich aber nicht in deren (offensichtliche) Probleme ein. Und auch das Verhältnis zu seinem Co-Moderator Murray könnte persönlicher sein, da dieser sich ganz offensichtlich mehr erhofft. Das einzig Außergewöhnliche sind die Scrabble-Turniere, an denen Xavier regelmäßig teilnimmt. Doch alles beginnt sich zu ändern, als Xavier bei einem Speed-Dating Piippa, seine spätere Putzfrau, kennenlernt. Und als er eines Tages auf der Straße Zeuge eines Zwischenfalls wird, der im Laufe des Buches Auswirkungen auf die besagten "11 Leben" hat...


    Man sollte sich aber wirklich nicht allzusehr auf diesen Plot konzentrieren und versteifen. Das Besondere an diesem Buch sind vielmehr viele, viele scheinbar nebensächliche Kleinigkeiten und liebevoll ausgeführte Porträts. Grandios authentisch geschildert ist z.B. die Arbeit Xaviers im Radio-Studio. Er ist Moderator einer Late-Night-Sendung, und man sitzt förmlich neben ihm und ergötzt sich an den ganzen Geschichten, die in dieser Sendung zusammenlaufen. Man merkt sofort, dass der Autor selber beim Radio gearbeitet hat! Seine Erfahrungen hat er hier überzeugend umgesetzt.


    Zweitens finde ich vor allem die Liebesgeschichte um Pippa und Xavier herzerwärmend! Es geht eben nicht um rasende Leidenschaft vom ersten Augenblick an. Nein, es ist eher ein wenig wie bei "My Fair Lady" - Pippa hat einen starken Unterklasse-Akzent (der nur leider in der deutschen Übersetzung nicht wirklich rüberkommt), redet ununterbrochen, ist zupackend, und bringt Xaviers Leben erstmal gehörig durcheinander. Sie rührt an seine tiefsten Tiefen - von Kapitel zu Kapitel wird dem Leser klarer, dass da etwas in Xaviers Vergangenheit in Australien gewesen sein muss. Die Situation eskaliert schließlich in einem Streit zwischen Pippa und Xavier - woraufhin Xavier sich endlich seinen lange verdrängten Erinnerungen zuwendet...und sich eventuell sogar wirklich zu ändern beginnt.


    Drittens hat mich die Figurenzeichnung wirklich berührt und begeistert! Sicher ist die Versuchung groß, bei einem Roman, der auf 11 Schicksale gleichzeitig angelegt ist, vieles eher flüchtig zu behandeln. Doch weit gefehlt! Auch wenn manche dieser 11 Personen jeweils nur wenige Seiten lang in dem Buch auftauchen, so hat Mark Watson doch große Sorgfalt darauf verwendet, sie lebendig werden zu lassen. Jeder hat so seine Macken und Schwierigkeiten, die jedoch nie überzogen sind. Außerdem werden diese Episoden so kunstvoll und ausgeglichen "geplottet", so regelmäßig über das Buch verteilt und mit Xavier verknüpft, dass es eine wahre (Lese-)Freude ist. Zu keinem Moment kommt Langeweile auf; immer wieder fragt man sich, was die nächste Verzahnung für Verwicklungen mit sich bringen wird. Das steigert die Spannung ungeheuer.


    Ungeheuer beeindruckt hat mich auch der Kunstgriff des Autors, eben ausdrücklich nicht an der Stelle den Roman zu beenden, an der man es erwartet hätte. Nicht bei der Versöhnung Xavier/Pippa, oh nein! Und er schreibt es auch noch ganz deutlich: "Hier könnte die Geschichte enden." Doch das tut sie nicht. Das Leben ist eben kein Scrabble-Turnier, es gibt vielmehr jedem das zurück, was er (mehr oder weniger) verdient. Alle 11 Schicksalsfäden werden aufgelöst und zusammengeführt, alles kulminiert in einer einzigen Szene, mit der das Buch dann schließlich endet. Ich war sprachlos, geplättet, und begeistert. Das war ein Ende ganz nach meinem Geschmack! Nichts wird in Friede, Freude und Eierkuchen aufgelöst. Nein, vielmehr werden dem Leser die Zutaten präsentiert - was man daraus macht an "Sinngehalt", ist jedem Leser selbst überlassen. Grandios!


    So ist das Leben. Das ist wirklich gute Literatur. Das ist ein Buch, das aufrüttelt, und gleichzeitig unterhält. Das ist eine Sprache, die ich als Leser auch verstehe, und die ich teilen kann. Das sind Menschen, die es tatsächlich so geben könnte. Und das ist ein Autor, den ich im Auge behalten werde. Danke, Mark Watson, für diesen Geniestreich!

  • Es freut mich so sehr, deine Rezi zu lesen, rumble-bee, das glaubst du gar nicht! :anbet

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