Empört euch! - Stéphane Hessel

  • Klappentext
    Stéphane Hessels Streitschrift bewegt die Welt. Mit eindringlichen Worten ruft er zum friedlichen Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft auf. Gegen die Diktatur des Finanzkapitalismus, gegen die Unterdrückung von Minderheiten, gegen die Umweltzerstörung auf unserem Planeten


    Empört euch! ist die leidenschaftliche Aufforderung eines alten Mannes, dessen eigene Empörung ihn einstmals dazu getrieben hat, Widerstand zu leisten gegen das große Verbrechen des zwanzigsten Jahrhundert, dem Nationalsozialismus. Heutzutage liegen die Gründe, sich zu empören, weniger offen zu Tage, man muss schon etwas genauer hingucken., um die himmelschreienden Ungerechtigkeiten dieser Welt zu entdecken. Und Hessel guckt immer noch hin, empört sich immer noch.
    Dieses Essay ist keine Enthüllung, sondern der eindringliche Aufruf eines, wie er selbst schreibt, alten Mannes, es sich nicht im Nest des materiellen Wohlstands gemütlich zu machen oder sich von den Versprechungen uneingeschränkten Konsums einlullen zu lassen, sondern immer für eine bessere Welt einzustehen. Dabei erzählt er freilich nichts Neues, die Miseren, die er anspricht, sind bekannt. Es ist vielmehr diese ungebrochene Begeisterung für gesellschaftliches Engagement, dieser Glaube an die Menschen und vor allem die fortwährende Hoffnung, dass es Gerechtigkeit geben kann, die nicht von einem jugendlichen Heißsporn kommt, sondern von einem Menschen, der fast alle Katastrophen der letzten hundert Jahre am eigenen Leib erfahren hat.
    Zyniker mögen diesen Essay als Aufruf zum Gutmenschentum betrachten, für mich war es die glaubwürdige Bestätigung meines Glaubens, dass es sich immer lohnt, Missstände nicht einfach als alternativlos hinzunehmen oder durch den Rückzug ins Private die Ungerechtigkeiten dieser Welt auszublenden.
    Gerade auch als Schullektüre unbedingt zu empfehlen, ich habe Hoffnung, dass dieses kleine Buch bei der angeblich so unpolitischen Jugend von heute, die in nie dagewesenem Wohlstand aufgewachsen ist, als Denkanstoß dienen könnte.


    Über den Autor
    Stéphane Hessel, Sohn des Schriftstellers Franz Hessel, wurde 1917 in Berlin geboren. 1924 zog er mit seinen Eltern nach Paris; seit 1939 ist er französischer Staatsbürger. Ab Oktober 1945 war er Vertreter Frankreichs bei den Vereinten Nationen in New York, 1948 Mitunterzeichner der Charta der Menschenrechte. Anschließend bereiste er im Auftrag der UNO und des französischen Außenministeriums als Diplomat die Welt; der französische Staat verlieh ihm den Titel »Ambassadeur de France«. Stéphane Hessel lebt in Paris.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Dies wird das naechste "Buch" fuer unseren neuen deutschen Lesekreis sein. Ausgesucht vor allem, weil es kurz ist und zur Not kopiert werden kann, wenn wir nicht so schnell die Titel aus D beschaffen koenne.


    Weisst du ob es irgendwo Diskussionsfragen im Internet zu finden gibt, die man in Schulen und/oder Buchclubs verwenden koennte?

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Hmm, keine Ahnung, aber im Grunde gibt es da auch nicht viel zu diskutieren.


    Empört euch! ist einfach nur der Aufruf eines alten Mannes, etwas zu tun, sich die Welt genau anzugucken, sich nicht verarschen zu lassen. Dabei ist es nicht eine ausgefeilte Argumentation, durch die dieses Buch beeindruckt, und für jeden, der sich auch nur ein bisschen für Politik interessiert, steht hier nichts Neues drin.
    Es ist ein Aufruf wider die Gleichgültigkeit, nicht mehr und nicht weniger. Ob dies notwendig ist, darüber kann man vielleicht diskutieren. Oder warum es in Frankreich ein derartiger Renner war. Und ob es die Gleichgültigen überhaupt erreicht.
    Das Buch selbst jedenfalls bietet recht wenig Diskussionsstoff, obwohl einige Dinge, die er erwähnt, durchaus diskutierenswert sind. Hessel deckt keine Missstände auf, die sind schon längst aufgedeckt, er ruft sie lediglich in Erinnerung, als Anlass, sich zu empören.


    Alle Klarheiten beseitigt :gruebel

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Stand jetzt vor Kurzem eine Rezi in der "Zitty". Interessant. Lese ich mal bei Gelegenheit, also in drei Jahren, wenn ich alle anderen Bücher ausgelesen habe. :grin

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von Alexandermerow
    Ich kenne das Buch nicht, aber Empörung reicht meistens nicht aus, um Zustände zu verändern. Zudem weiß ich auch nicht, wie der Mann politisch denkt und ob ich ihm überhaupt zustimmen würde. Trotzdem - nur so als grundsätzliche Anmerkung.


    Die Empörung über einen Zustand ist bzw. kann immer der erste Schritt sein um den Zustand zu verändern.


    Vielleicht macht es Sinn dieses Buch ersteinmal zu lesen, bevor man dazu eine Meinung äußert. :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Die Empörung über einen Zustand ist bzw. kann immer der erste Schritt sein um den Zustand zu verändern.


    Vielleicht macht es Sinn dieses Buch ersteinmal zu lesen, bevor man dazu eine Meinung äußert. :-)


    Exactement, mon cher Voltaire. Erst lesen, dann motzen.


    Empörung ist nur der erste Schritt, weshalb der Folgeband, der demnächst herauskommen wird, "Engagez-vous!" heißen wird.


    Ägypter und Tunesier haben sich empört und ganz offensichtlich was bewegt. Und die Demonstranten in Spanien, die sich für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen, beziehen sich explizit auf Hessel und nennen sich "die Empörten".

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • So, habe mir diesen Essay bestellt. Bin sehr gespannt. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Die Einwände, die oben gegen diese kleine Streitschrift geäußert wurden, hatte ich zunächst auch. Sie haben mich eine Zeitlang auch davon abgehalten, mich damit zu beschäftigen. Die Lage ist so ernst, daß einer ein Aufruf zur Empörung vorkommt, wie der Versuch, einen Brand mit einem Wasserglas zu löschen.


    Ein paar Radio-Interviews sowie die Aktivierung einiger Erinnerungsfetzen in puncto Menschenrechtskommission, UNO und französische Intellktuelle, vor allem Sartre und Merleau-Ponty, zwischen 1935 und ca. 1960, später haben mir dann dämmern lassen, daß ich es nicht mit dem üblichen frommen Geschwätz sehr alter Männer zu tun haben werde, die kurz vor ihrem Ende noch einmal laut werden müssen, damit sie merken, daß sie überhaupt noch am Leben sind.
    Hessel ist ein ganz anderes Kaliber.


    Für deutsche Leserinnen und Leser zunächst nicht ohne Hürden zugänglich, zieht er sein Selbstverständnis und damit sie Grundlagen seines poltischen Handelns aus seinen Erfahrungen mit der Résistance und dem Freien Frankreich de Gaulles. Es prasseln viele Namen und Ereignisse auf eine/n ein, die nicht allgemein bekannt sind. Erklärt wird das alles in einem Anhang und im Nachwort.


    Seine Vorstellung einer gerechten Welt sind die Ziele, die sich diejenigen gesetzt haben, die Frankreich von den Nationalsozialisten befreit haben. Hessel gehört zum bürgerlichen Lager und gerade das muß sich den Vorwurf gefallen lassen, weitgehend versagt zu haben. In Kurzkapiteln äußert er sich zu den Problemen, die ihn am meisten 'empören'. Das ist nicht nur die Sozialpolitik in den euröpäischen Ländern, sondern z.B. auch der Palästina-Konflikt. Er besuchte den Gaza-Streifen mehrfach.


    Er benennt die Fehlentwicklungen ebenso klar, wie er seine Enttäuschung über das Dauerversagen bzw. den Unwillen der Staaten, PolitikerInnen und Instutionen äußert, die die Zustände ändern könnten.
    Damit bleiben die Betroffenen. Hessel wehrt sich gegen die Ruheposition, die viele eingenommen haben, berauscht von den Möglichkeiten des allumfassenden Konsums, über dessen tatsächlichen Preis sich keine/r Rechenschaft ablegen will.


    Seine Aufforderung geht dahin, aufzuwachen, sich reizen und ärgern zu lassen, nicht mehr gleichgültig zu sein, sondern sich für Veränderung einzusetzen. Egal, wo, egal, in welchem Zusammenhang. Sein Vortrag ist ein grundsätzlicher Aufruf zum Widerstand.
    Seine Lebenserfahrung ist die, daß vor dem Widerstand Empörung steht. Erst daraus entsteht das Engagement.
    Gerade dem jungen Publikum, an das er sich explizit wendet, gesteht er zu, daß es heute viel schwerer ist, sich gegen bestehende Zustände zu wehren, weil es soviele Fronten gibt, nicht mehr nur einen Gegner, wie eben ab 1940 die Nationalsozialisten in Frankreich.


    Seine Erfahrungen und Beispiele sind, wenn auch immer an Entwicklungen in Frankreich gezeigt, auch auf andere Länder übertragbar. Weil die Grundforderungen alle angehen.


    Der Text ist sehr knapp, er fordert Mitdenken. Er ist eine hervorragende Diskussionsgrundlage.


    In Schulen sollte er nicht gelesen werden. Nichts ist so tödlich für wichtige Gedanken, wie sie im Schulunterricht durchzuexerzieren.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    In Schulen sollte er nicht gelesen werden. Nichts ist so tödlich für wichtige Gedanken, wie sie im Schulunterricht durchzuexerzieren.


    Das würde ich so pauschal nicht sagen. Es gibt engagierte Lehrer, die es verstehen, denkfähigen Schülern etwas beizubringen. Und da diese Schrift zum Denken aufruft und nicht zum Auswendiglernen, werden einige sich über diese Gelegenheit freuen, sich in der Schule mal mit etwas wirklich Sinnvollem zu beschäftigen.
    Zumindest wohnt hier so eine, die das Buch verschlungen hat und mit ihrem Geschichtslehrer (und mir :grin) leidenschaftlich diskutiert hat.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • nein, brauchen sie nicht, aber als Diskussionsgrundlage könnte das Buch durchaus nützlich sein.
    Bei Kindern wie meinen würden sie zwar offene Türen einrennen, aber bei vielen könnte dieses Buch den Denkprozess anleihern. Da sich bei mir gerne die Jugend Leipzigs in der Küche zum Rauchen versammelt (wahrscheinlich, weil ich die einzige Muddi in Leipzig bin, bei der die Kinder in der Küche rauchen dürfen :grin), fanden dort schon einige interessante Diskussionen statt und ich bin immer wieder erstaunt, was für ein Potential an denkfähigen Menschen da schlummert.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • DraperDoyle


    ich hoffe, hier lesen keine Eltern von Kindern aus Deiner Küche mit. Natürlich sprichst Du von Schokoladezigaretten (fair gehandelt).
    :grin


    Klar haben Menschen ungeheueres Denkpotential, auch mich erfreut das immer wieder. Allerdings sehe ich ausgerechnet Schulen eben nicht als den Ort, an dem unangepaßtes Denken gefördert wird.
    Ganz im Gegenteil.
    Aber das ist hier nicht das Thema und ich freue mich auf die nächste Streitschrift von Hessel.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • natürlich, fair gehandelte Schokozigaretten, ich vergaß, das zu erwähnen...


    Was die Schulen angeht: die sind heute besser als ihr Ruf. Die Große hat wahrlich unangepasste Meinungen (zum Beispiel hat sie verhindert, dass der Stadtschülerrat von einer Anlageberatungsfirma gesponsort wird und sich Essenseinladungen eben jener Firma verweigert, weil sie das als Korruption empfand) und fährt für ihre Aufsätze trotzdem immer Bestnoten ein (mit der Bewertung: "unkonventionelle Ansichten, aber gekonnt argumentiert").


    Nichtsdestotrotz, ich freue mich auch auf Engagez-vous!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Mein Philosophielehrer hat und vor einiger Zeit nahegelegt, diese Schrift zu lesen... das werde ich bald wohl auch tun...

    I love books. I like that the moment you open one and sink into it you can
    escape from the world, into a story that's way more interesting than yours
    will ever be.

  • Jetzt hab ich das Buechlein durch und unser Lesekreis hat es auch schon diskutiert. Und eigentlich haben alle Recht, die bemaengeln, dass uns Hessel da nichts Neues erzaehlt.


    Und dennoch. Es wirkt!


    Zum einen sind da einfach ein paar gute Zitate drin, die haengen bleiben und sich obendrein gut bei Facebook posten lassen oder nette Signaturzeilen abgeben :grin


    « l’indifférence, c’est le pire des attitudes »


    « Créer, c’est résister. Résister, c’est créer. »


    Und fuer letzteres hab ich auch die deutsche Uebersetzung zur Hand:

    "Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen."


    Zum anderen regt es aber tatsaechlich gute Diskussionen an, wie wir in unserem Lesekreis erfahren durften. Und genau das soll es doch. Dazu muss man ja nicht an den Worten des Autoren kleben. Ganz im Gegenteil, er sagt uns doch wir sollten unsere eigenen Entscheidungen treffen, welche Situationen es denn nun gerade sind, die uns aufregen und fuer die wir aus unserer Lethargie erwachen und auf die Barrikaden gehen wollen.


    Seine Worte sollen nur der Anstoss dazu sein, viel mehr koennen sie auch nicht tun, dazu fehlt ihnen mehr Konkretes. Es ist der erste Schritt, aber einer der sehr wichtig ist und schwer zu gehen ist, wenn man in einer Welt lebt, in der die Massenmedien der jungen Generation suggerieren das Glueck laege im Massenkonsum und ansonsten sei alles in Butter.


    Fazit: Ein kleines Buechlein mit einer alles anderen als neuen Botschaft, aber einer die heute genauso wichtig ist wie vor 70 Jahren.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Nichtsdestotrotz, ich freue mich auch auf Engagez-vous!


    Ich hab heut ein kurzes Interview mit Hessel gesehen, wo er auch ueber "Engagez-vous!" spricht. Interessanterweise wurde es schon 2009 geschrieben, also ein gutes Jahr bevor "Empoert Euch!" heraus kam. Nur konnte es damals keinen Verleger finden. Jetzt sieht es natuerlich einfacher damit aus.


    Es ist eigentlich nicht 'sein' Buch sondern ein Interview mit dem jungen Journalisten Gilles Vanderpooten.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Zyniker mögen diesen Essay als Aufruf zum Gutmenschentum betrachten, für mich war es die glaubwürdige Bestätigung meines Glaubens, dass es sich immer lohnt, Missstände nicht einfach als alternativlos hinzunehmen oder durch den Rückzug ins Private die Ungerechtigkeiten dieser Welt auszublenden.


    Dem möchte ich mich anschließen. Es ist alles nichts Neues, aber die Tatsache, dass ein Mensch, der so viel erlebt hat, mal so richtig drauflos schimpft und die Missstände in der heutigen Zeit anprangert, hat mich sehr erfrischt.


    "Engagez Vous" werde ich mit höchster Wahrscheinlichkeit auch noch lesen.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

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