Carl Aderhold - Fische kennen keinen Ehebruch

  • Originaltitel: Les poissons ne connaissant pas l'adultère
    Limes-Verlag, März 2011
    288 Seiten


    über den Autor:
    Carl Aderhold (1963) ist Historiker und hat zunächst an Buchprojekten wie Die großen Rätsel der französischen Geschichte mitgearbeitet. 2007 gelang ihm mit Mort aux cons ein Riesenbestseller in Frankreich. Die Kritiker stellen ihn auf eine Stufe mit Anna Gavalda, und wegen seines Gespürs für skurrile Alltagssituationen wurde er mit dem finnischen Erfolgsautor Arto Paasilinna verglichen. Carl Aderhold lebt und arbeitet in Paris.
    Quelle: randomhouse.de


    zum Inhalt:
    Eine fantasievolle und charmante Geschichte über den Kult um den schönen Schein


    Für Valérie hat der Termin bei einer Typ-Beraterin ungeahnte Folgen: Ihr Gatte ist sauer, denn er hätte lieber seine unscheinbare Frau behalten. Und sie selbst zweifelt: Ist sie nun wirklich schön und elegant, vielleicht gar wie ihre Filmheldin Julia Roberts? Auf dem Weg zur Bushaltestelle macht ein fremder Mann ihr Komplimente; sie ist völlig perplex. Wie in Trance fährt sie zum Bahnhof statt zur Arbeit, steigt in einen Zug – und reist ab. Unterwegs lernt sie die unterschiedlichsten Menschen kennen, darunter einen viel versprechenden Mann … Vor allem aber erlebt sie sich selbst auf neue Weise: eine ganz normale Durchschnittsfrau, der die Welt offensteht – wenn sie es nur will.


    Und Colette, eine unanständige fünfundsiebzigjährige Mitreisende, hat recht: „Es gibt keinen Grund, auf die kleinen Glücksmomente des Lebens zu verzichten, und auch nicht auf die Liebe. Man sollte sich die Liebe rückhaltlos gönnen, so wie man eine süße, saftige Frucht genießt.“
    Quelle: amazon.de


    meine Meinung:
    Steigt man allein in einen Zug, kennt man anfangs seine Mitreisenden im Abteil nicht. Das bietet Raum, seinen eigenen Gedanken nachzuhängen und über dies und jenes zu sinnieren, bevor ein kurzer Kontakt zu anderen Reisenden entsteht. Valérie hatte morgens spontan entschlossen, nicht an ihren Arbeitsplatz an einer Supermarktkasse zurückzukehren. Stattdessen löste sie eine Fahrkarte für den Zug nach Toulouse. Mit fünf weiteren Personen sitzt sie in einem Abteil und bekommt nach und nach Einblick in deren Leben. Von jedem der sechs ganz unterschiedlichen Charaktere bekommt der Leser einen vagen Eindruck, welche Gesinnung er hat oder wie er seinen Tag gestaltet.


    Carl Aderhold hat einen ruhigen Roman um die eigene Verwirklichung in all den täglichen Verpflichtungen geschrieben. Vor allem wirft er die Frage auf, was passiert, wenn sich jemand dem Alltag entzieht und seine eigenen Bedürfnisse über denen der anderen stellt. Dennoch bleibt der Erzählfluss wie eine laue Brise im Sommer. Bildhaft beschreibt er seine Charaktere, die geschrieben genauso plastisch wirken, als würde man sie gerade in diesem Zug kennenlernen. Die nur oberflächlich erkennbaren Charaktereigenschaften wirken in diesem Fall nicht störend. Sie verströmen eine Leichtigkeit in ihrer Gesamtheit, dass es schwer ist, das Lesen zu unterbrechen.


    Wer es einrichten kann, sollte die 287 Seiten in einem Zug durchzulesen. Es lohnt sich, die sechs Protagonisten mit ihren Ansichten näher zu betrachten. Viele Gedankengänge enthalten eine Lebensweisheit, die im Alltag oft verdrängt wird. Fast wie auf einer Zugreise kommen an manchen Stationen Menschen dazu, die das eigene Leben berühren, andere steigen aus. Diesen steten Fluss der Veränderung hat der Autor in seine Geschichte übertragen. Als Leser kann man sich fast wie ein Zuschauer mittreiben lassen. Von mir gibt es 7 von 10 Punkten.

  • Das hört sich durchaus vielversprechend an. Danke für diese Buchvorstellung. Buch wurde schon mal auf die Kandidatenliste für die Wunschliste genommen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Im Roman "Fische kennen keinen Ehebruch" von Carl Aderhold wird die Geschichte von Valérie erzählt.
    Valérie, Ehefrau, Mutter und Verkäuferin, feiert mit ihren Freundinnen ihren 40. Geburtstag.
    Als Geschenk bekommt sie eine Typberatung und -veränderung durch Carola geschenkt. Nach diesem Termin verändert sich ihr Leben, denn daheim reagiert man reserviert auf ihre Veränderung, bisweilen sogar abwertend.
    Valérie ist verletzt und verwirrt durch diese Reaktion. Nach dem darauffolgenden Wochenende will sie zunächst wie gewohnt zur Arbeit gehen. Doch dann biegt sie auf dem Weg dahin plötzlich ab und fährt statt dessen mit dem nächsten Zug nach Toulouse zu ihrer Cousine.
    Ihr Handy ignoriert sie, sie sagt keinem Bescheid, wo sie hin will und nennt sich fortan nur noch Julia, nach ihrem Vorbild Julia Roberts.
    Im Zug nach Toulouse begegnet Julia einigen Reisenden, die alle sehr unterschiedlich auf sie reagieren.


    Das Buch ist von der Schreibweise sehr französisch geprägt, so dass der ruhige Erzählstil mir oft langweilig und gewöhnungsbdürftig vorkam.
    Die Geschichte beginnt gleich mit der Abreise der Protagonistin. Während der Fahrt werden immer wieder Rückblenden eingestreut. Da diese allerdings nicht optisch irgendwie kenntlich gemacht sind, war es doch sehr verwirrend für mich zu erkennen, in welchem Handlungsstrang ich mich gerade befand.
    Ansonsten plätschert die Geschichte dahin, einen Spannungsbogen habe ich leider nicht gefunden, dafür einige Anregungen zum Nachdenken.


    Fazit: Für den "typischen" Frauenromanleser ist dieses Buch sicherlich keine Empfehlung, aber für Leser, die auf der Suche nach einer Abwechslung sind, durchaus einen zweiten Blick wert.

  • Der Roman ist nicht ganz so lustig-leicht, wie ich angesichts des Titels, der Covergestaltung oder der Inhaltsangabe vermutete. Er handelt von einer Frau, die ausbricht, um sich selbst zu finden. Die Wahrheiten ins Auge blickt, die sie bisher tunlichst übersehen hat. Aderhold erzählt die Geschichte von Valerie, deren festgefahren scheinendes Leben nach einer Typberatung eine ungeahnte Wendung nimmt. Obwohl sie danach à la Julia Roberts ihr Umfeld verzaubert, nimmt zuhause niemand angemessen Notiz von ihrem veränderten Äußeren. Aus einer Laune heraus fährt Valerie am nächsten Morgen nicht wie gewohnt zur Arbeit. Stattdessen überrascht sie sich selbst damit, in den Zug nach Toulouse zu steigen. Der ist der Haupthandlungsort des Romangeschehens.


    Ihre Mitreisenden bestehen aus zwei Paaren und einer älteren Frau. Der Autor wechselt immer wieder die Perspektive und lässt seine LeserInnen mal aus der Sicht der einen oder des anderen einen Blick auf das Geschehen werfen. Valerie fühlt sich begehrenswert, zumal sie nach einem Artikel, der anlässlich ihrer Typberatung in einer Frauenzeitschrift erscheint, von Wildfremden angesprochen wird. Nicht nur die beiden Männer im Abteil flirten mit ihr. Deren Frauen sind davon weniger begeistert. Die alte Frau wiederum ist auf dem Weg zu ihrem Liebhaber, während ein Kontrolleur in seinem Beruf aufgeht und gleichzeitig ein verhinderter Revoluzzer ist. Es gibt noch weitere Figuren, die mehr oder weniger große Rollen spielen.


    Während Aderhold von Liebe und Lebenskrisen schreibt, bedient er sich diverser Klischees, die er teils zu sehr aufplustert. Dabei lässt er Männer und Frauen (gedanklich und verbal) aufeinander losgehen. An und für sich normal wirkende Lebensfassaden beginnen zu bröckeln. Zarte neue (Liebes-)Hoffnungen keimen, Fragen und Zweifel machen deutlich, dass (nicht nur) Valerie am jahrelangen Ausharren bisheriger Situationen und Beziehungen zu ersticken droht. Die Reisenden lachen zusammen, weinen, betrügen und belügen sich und andere, träumen und erwachen, sammeln spontan für einen Schwarzfahrer, feiern miteinander. Die Charaktere sind leicht neurotisch, teils extravagant, bizarr. Mehr oder weniger liebenswert wirken sie nicht konsequent real, aber auch nicht vollkommen unecht. Was ich sehr schön finde, ist die Zugreise als Symbol für Veränderungen, die im Leben aller in einem steten Fluss stattfinden. Für Begegnungen mit Neuem und Abschied von Altem.


    Trotz der an sich guten Grundidee konnte mich das Buch nicht richtig fesseln. In typisch französischer Manier beschreibt der Autor viele Details und schafft es dennoch, recht oberflächlich zu bleiben. Er springt bei seinem Geschehen zwischen den Charakteren hin und her, und erschwerte es mir so, mich mit diesen anzufreunden. Was mich persönlich jedoch am meisten störte, war, dass Aderholds Figuren zwar genau beobachten und alles zu ergründen suchen, trotz einiger Aktionen aber nicht so richtig handeln. Dass lebendige Dialoge fehlen und die wenigen Gesprächsansätze durch indirekte Reden förmlich erschlagen werden, tut ein Übriges. Obwohl Aderhold einen typischen französischen Schreibstil pflegt, fehlt seiner Schreibe in diesem Roman die lebendige Leichtigkeit, die ich mit anderen französischen Autoren in Verbindung bringe. Der Roman plätschert unaufgeregt vor sich hin und zieht sich trotz der kurz gehaltenen Kapitel stellenweise.


    Keine ganz alltägliche Geschichte. Dafür eine, die LeserInnen Durchhaltevermögen abverlangt, weder vollkommen oberflächlich noch hochgeistig ist. Kein Buch, das man nebenbei lesen sollte, da dadurch eventuell Passagen entgehen, die daran erinnern, dass man selbst allzu häufig über bestimmte Dinge hinwegsieht.


    2013 Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain