Clockers - Richard Price

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  • Verlag: Fischer (S.)
    Gebundene Ausgabe: 800 Seiten
    März 2011


    Kurzbeschreibung:
    Clockers – das sind schwarze Dealer, die weiße Klientel 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche beliefern. Hier im Slum, wo die Welt rau ist, steht die Polizei aggressiv daneben, die Stadt resigniert. Bis sich die Spannung wieder in einer Explosion entlädt. Richard Price hat dieses Szenarium in seinem grandiosen Meisterwerk »Clockers« umgesetzt. Es entstand ein handlungsgetriebener und vor Spannung berstender Großstadtroman, den Spike Lee mit Harvey Keitel verfilmt hat und der den Grundriss für die gefeierte Fernsehserie »The Wire« schuf.


    Über den Autor:
    Richard Price wurde 1949 in der Bronx geboren. Bisher hat er acht Romane veröffentlicht, zuletzt erschien »Cash«, ein Spiegelbestseller und Platz 1 der Krimiwelt-Bestenliste. Price verfaßte zahlreiche Drehbücher für Filme von und mit Martin Scorsese, Al Pacino und Paul Newman. 2007 gewann Price den Edgar Award für seine Arbeit an der hoch gelobten TV-Serie ›The Wire‹, für die er monatelang bei der Polizei recherchierte. Er lebt in New York.


    Meine Meinung:
    Richard Price Buch Clockers ist eigentlich schon aus dem Jahr 1992 und wurde erfolgreich und beeindruckend von Spike Lee verfilmt.
    Der 800 Seiten starke Roman geht erzählerisch ans Eingemachte, ohne dabei die Ausmaße von Richard Price späteren Roman Cash zu erreichen. Es gibt zwar auch bei Clockers einiges an Slang, aber alles ist noch verständlich. Price schreibt detailliert über die Tätigkeiten der Clockers beim Drogenhandel. Der Autor beherrscht das Milieu und sein Genre.


    Es gibt 2 wichtige Hauptfiguren bei Clockers: einerseits der junge Dealer Striker, andererseits den Polizisten Detective Rocco Klein. Zwischen Rocco und Striker kommt es das ganze Buch hindurch zu einem psychologischen Zweikampf, bei denen es paradoxerweise an einigen wenigen Stellen sogar zu Sympathiebekundungen kommt.
    Doch überwiegend ermittelt Rocco mit Striker als sein zentralen Verdächtigen.


    Striker hat in seinem Clocker-Job soviel Stress, dass er ein Magengeschwür bekommt.
    Die Dialoge sind, wie zu erwarten, hart und realistisch. Bei Rocco wirkt ein ironischer Ton vor, aber oft spürt man es bei ihm auch innerlich brodeln. Striker hingegen ist eher ein leidender und jammernder Junge.


    Es gibt also durchaus viele Ansätze, dennoch mangelt es Price daran, bei seinen Figuren wirklich in die Tiefe und unter die Oberfläche zu gehen. Manchmal wirken die Figuren sogar austauschbar. Das ist für einen ambitionierten Roman zu wenig.


    Das Buch ist umfangreich, trägt die Länge aber leider nicht. Im Gegenteil wirkt es künstlich aufgeblasen. Neben einigen guten Passagen, wird es doch oft langweilig. Ungeduldige Leser werden wohl schnell ins Blättern kommen.


    Zurück bleibt ein Bedauern, über einen Roman nicht mehr positives sagen zu können, der ansonsten als Sensation, als Kultbuch und Meisterwerk beworben wird.

  • Ich bin jetzt auch etwa auf Seite 100 und würde mich der Rezi bisher nicht anschließen, im Gegenteil, ich bin ziemlich hingerissen, aber ich hab ja auch noch ein gutes Stück zu lesen.... melde mich also später mit einer ernstzunehmenderen Meinung zurück. :-]

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ich bin jetzt auch etwa auf Seite 100 und würde mich der Rezi bisher nicht anschließen, im Gegenteil, ich bin ziemlich hingerissen, aber ich hab ja auch noch ein gutes Stück zu lesen.... melde mich also später mit einer ernstzunehmenderen Meinung zurück. :-]


    :write


    Ich habe fast 700 Seiten gelesen und würde mich bis jetzt (vielleicht ändern die letzten Seite ja noch etwas) auch nicht unbedingt der Rezension von Herrn Palomar anschließen. Mir gefällt es.

  • Und nun?
    Lesen oder nicht? :gruebel


    Diese Entscheidungen machen einen fertig. :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Meinung
    "Clockers" wird abwechselnd aus der Sicht des Polizisten Rocco Klein und dem Drogendealer Strike (alias Ronald Dunham) erzählt. Strike führt eine Gruppe an Clockers an, junge Menschen, die in den Straßen von New Jersey Kokain verkaufen. Rocco befindet sich kurz vor seiner Pensionierung und stürzt sich mit sehr viel Eifer noch einmal in einen letzten Fall und in diesen Fall wird irgendwann auch immer stärker Strike verwickelt.


    Die Sprache von Richard Price hat mich beim Lesen immer wieder beinahe umgehauen. Die Dialoge der Figuren mit anderen, oder auch mit sich selbst, sind intensiv und hart. Der Roman hat mich in eine Welt geführt, über die ich zuvor keine Ahnung hatte - eine Welt der Kleinkriminellen und Dealer in einem amerikanischen Ghetto. Faziniert hat mich die Sprache, die dort untereinander gesprochen wird, die Spitznamen, die Umgangsweise.


    Mir hat es nicht an Tiefe gefehlt und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass die Figuren eindimensional wirkten - vor allem Strike und Rocco sind sehr detailliert und auch nachvollziehbar gezeichnet. Beide versuchen das richtige zu tun und ihr bestes zu geben.


    "Clockers" ist ein dickes Buch, aber jede Seite lohnt sich. Ein spannendes, aufregendes und faszinierendes Leseerlebnis, das ich nur weiterempfehlen kann.

  • So ich bin auch durch und meine Meinung bleibt die gleiche wie noch am Anfang:


    Richtig gut gelingt Richard Price es hier den Leser mit zunehmen auf eine Reise in die menschlichen Abgründe, in die Hochhaussiedlungen und Ghettos, wo ein Menschenleben nicht mehr zählt als ein paar Dollar oder den nächsten Trip. Wo jeder sich seine Wahrheit und Gerechtigkeit so zurecht biegt, wie sie ihm gerade in den Kram paßt, wo Dealer und Cops sich auf verwirrende Spielchen einlassen und sich gegenseitig das Leben schwer machen. Überraschend authentisch und von der Situation auf unseren Straßen leider nicht so wirklich weit entfernt. In unseren Großstädten gibt es sie jetzt schon die Viertel, in denen es ähnlich zu geht, die Brutalität unterschwellig bereits vorhanden ist und nur zum Ausbruch gelangen muß.
    Hingerissen war ich von Sprache, Dramaturgie und Wendungen in dieser Geschichte. Nirgendwo erzählt er zu viel, immer kann der Leser erahnen, aber nie wirklich greifen, was genau denn da jetzt mit dem Dealer auf dem Imbißparkplatz passiert ist. Die Emotionen schaukeln sich hoch, die Seiten knistern vor Spannung, Gesellschaftskritik und einfach nur einer richtig guten Geschichte.
    Dies war mein erstes Buch von Richard Price, aber es hat mich so sehr beeindruckt, daß es mit Sicherheit nicht mein letztes Buch von ihm gewesen ist.
    Einen kleinen Punktabzug erhält es lediglich, weil er sich hier und da an in Details verrent und den Leser unnötig auf die Folter spannt.
    Ein sehr kritisches Buch, über den "Kreislauf der Scheiße" und der Schwierigkeit aus dem Dreck herauszukommen, wenn man einmal drin steckt. Sich frei zustrampeln und eigene Wege zu gehen, obwohl die Umgebung, Freunde, Chefs, Nachbarn und hin und wieder auch einfach nur unglückliche Umstände einen immer wieder reinreißen.
    Ich bin beeindruckt, ein richtig gutes Buch!

  • Zitat

    Original von Babyjane


    Ich bin beeindruckt, ein richtig gutes Buch!


    Das überzeugt mich. Ich werde es dann wohl am heutigen Abend noch ordern.... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • @ Voltaire
    Ich war vorallem von den sehr realistisch wieder gegebenen Situationen auf der Straße überrascht. Natürlich sind wir hier selbst in unseren "Klein-Ghettos" von der Situation und Eskalation von Gewalt und Korruption in Amerika entfernt, aber dem Autor ist es trotzdem gelungen die Situationen (Durchsuchungen, Kontrollen, Gespräche zwischen Kollegen) so wiederzugeben, wie sie teilweise auch hier stattfinden oder stattfinden könnten. Er trifft den richtigen Ton, was normalerweise für einen behütet aufgewachsenen Menschen, der mit der Szene nichts zu tun hat, wirklich schwer ist.
    Wie gesagt, ich bin fasziniert, vorallem von den kleinen Nebenschauplätzen den psychologischen kleinen Taktiken und Einblicken in die Gedankenwelt der Protagonisten... :anbet

  • @BJ
    Herzlichen Dank für diese zusätzlichen Informationen. Und ich weiß eben auch, dass ich mich auf dein Urteil wirklich verlassen kann - gehörst du doch zu den kritischen Lesern. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    @ Voltaire
    Ich war vorallem von den sehr realistisch wieder gegebenen Situationen auf der Straße überrascht. Natürlich sind wir hier selbst in unseren "Klein-Ghettos" von der Situation und Eskalation von Gewalt und Korruption in Amerika entfernt, aber dem Autor ist es trotzdem gelungen die Situationen (Durchsuchungen, Kontrollen, Gespräche zwischen Kollegen) so wiederzugeben, wie sie teilweise auch hier stattfinden oder stattfinden könnten. Er trifft den richtigen Ton, was normalerweise für einen behütet aufgewachsenen Menschen, der mit der Szene nichts zu tun hat, wirklich schwer ist.
    Wie gesagt, ich bin fasziniert, vorallem von den kleinen Nebenschauplätzen den psychologischen kleinen Taktiken und Einblicken in die Gedankenwelt der Protagonisten... :anbet


    Diesen Eindruck kann ich teilen; ich habe natürlich keine Vergleichsmöglichkeiten, aber beim Lesen erschienen mir die geschilderten Szenen doch sehr realistisch.


    Es freut mich auf jeden Fall, dass ich mit meinem positiven Eindruck nicht alleine da stehe. :wave Das nächste Buch von Richard Price - Cash - steht bei mir schon im SUB und wird so schnell wie möglich gelesen.

  • Danke für die Beschreibungen. Hab das Buch seit ein paar Wochen auf meinem Schreibtisch. Ich hab's mir gekauft, weil "The Wanderers (Scharfe Zeiten)" seit meiner Kindheit eines meiner Lieblingsbücher ist. Es ist bis dato auch mein Lieblingsbuch von Richard Price.
    Die Eindrücke von "Clockers" sind ja in diesem Forum recht unterschiedlich. Ich hoffe ich komme bald dazu, mir selbst ein Bild davon zu machen. Bin schon gespannt...

  • Ich habe mir das Buch gekauft, weil ich von Richard Price' "Lush life" begeistert war. Und nun war ich es auch von "Clockers". Ich kann der ersten Rezension auch nicht ganz zustimmen, ich bin die ungeduldigste Leserin, die ich kenne und ich habe mich hier tatsächlich auf keiner der fast 600 eng bedruckten (englischen) Seiten gelangweilt. Das war für mich eines dieser Bücher, wo ich auch gefesselt war, wenn gar nicht mal so viel passiert ist, irgendwie hat Price den Trick drauf, das so zu schildern, dass immer eine Grundspannung da war. Und dann kamen auch immer wieder die Szenen, wo ich tatsächlich mindestens einmal den Mund aufgerissen habe.


    Ich habe mir vor allem anfangs ein bisschen schwergetan mit den Nebenfiguren, da es nicht so hilfreich war, dass Polizisten und Dealer allesamt Spitznamen haben. Aber mit der Zeit ging es und die wichtigsten haben sich bald herauskristallisiert. Ich fand weder Rocco noch Strike eindimensional und beide haben sich geweigert, die Klischees zu erfüllen.


    Sehr interessant fand ich auch die Parallelen zwischen Strike und Rocco. Wer ist der Gute, wer ist der Böse? Beide lösen versehentlich eine Katastrophe aus, die Unschuldige ins Unglück reißt.
    Wirkliche Sympathieträger sind sie beide nicht, trotzdem kann man irgendwie nicht anders, als mit ihnen zu fühlen.


    Fantastisches Buch! Sicher eines der Highlights dieses Jahres für mich.


    ---

  • Zitat

    Original von Grisel
    [...]ich bin die ungeduldigste Leserin, die ich kenne und ich habe mich hier tatsächlich auf keiner der fast 600 eng bedruckten (englischen) Seiten gelangweilt.[...]



    Also Grisel, Du bist eine der geduldigsten Leserinnen, die ich kenne. Du findest noch Bücher spannend, die unglaublich langweilig und langatmig sind. Ich erinnere nur an das Buch, das so unsäglich langweilig ist, dass wir, also Pelican und ich, beschlossen haben, seinen Namen im Forum nicht mehr zu erwähnen, aber er fängt mit "M" an und hört mit "önch" auf. Woraus dann "önch" zum Synonym für potentiell langweilige Bücher wurde. :grin

  • Zitat

    Original von Delphin
    Also Grisel, Du bist eine der geduldigsten Leserinnen, die ich kenne. Du findest noch Bücher spannend, die unglaublich langweilig und langatmig sind. Ich erinnere nur an das Buch, das so unsäglich langweilig ist, dass wir, also Pelican und ich, beschlossen haben, seinen Namen im Forum nicht mehr zu erwähnen, aber er fängt mit "M" an und hört mit "önch" auf. Woraus dann "önch" zum Synonym für potentiell langweilige Bücher wurde. :grin


    Es hängt immer vom berühmten "davon" ab. ;-)


    Jetzt dachte ich wirklich, nach meiner Begeisterung kommt von Dir, dass Du es gelesen und für önch befunden hast. :kiss