Es hätte wohl manches besser sein können, wenn’s anders gewesen wäre; aber wer konnte denn dafür. (nach Seite 229 meiner Ausgabe)
Derzeit lieferbare Ausgabe, Angaben lt. Amazon:
274 Seiten, kartoniert
Verlag: Hellerau Verlag 2009
ISBN-10: 3-910184-87-1
ISBN-13: 978-3-910184-87-9
(Alle Seitenzahlen beziehen sich auf die im nächsten Post verlinkte Ausgabe.)
Zum Inhalt (Quelle: meine HC-Ausgabe)
Wilhelm von Kügelgen (1802 - 1867) erzählt von seinen Kindheitserlebnissen in der Residenzstadt Dresden und ihren idyllischen Vororten, vom Studentenleben an der Königlichen Kunstakademie, von Reise und Aufenthalten im anhaltinischen Bernburg und auf dem Ballenstedter Schloß.
Das elterliche Haus war ein Mittelpunkt der Dresdner Kunstszene. Caspar David Friedrich, Theodor Körner, selbst Goethe waren zu Gast im Haus „Gottessegen“, unweit des Goldenen Reiters, wo die Kügelgens seit 1808 wohnten.
Aus den „Jugenderinnerungen“ strahlt eine Heiterkeit aus längst vergangener Zeit zu uns herüber.
Über den Autor (Quelle: Eigene Angabe, Wikipedia)
Wilhelm von Kügelgen wurde am 20. Nov. 1802 als zweites Kind von Gerhard und Helene (geb. Zoege von Manteuffel) von Kügelgen geboren; das erste Kind war als Baby verstorben. Er wuchs überwiegend in Dresden auf, wohin es die Familie verschlagen hatte. Gerhard war ein bekannter Poträtmaler (u. a. Goetheporträt), so daß Wilhelm schon in Kindes- und Jugendjahren die Bekanntschaft zahlreicher berühmter Künstler und Gelehrter machte. Nach der Ermordung des Vaters vollendete er 1825 seine Ausbildung an der Kunstakademie Dresden, hielt sich danach in Rom auf und heiratete 1827 Julie Krummacher (1804 - 1909). Sie hatten sechs Kinder, von denen drei vor Kügelgen verstarben (beschrieben im weiter unten erwähnten Briefband). Im Jahre 1833 kam er als Hofmaler an den Hof von Ballenstedt. Im Verlauf der Jahre wurde er mehr und mehr Gesellschafter des Fürstenpaares und war zuletzt der Kammerdiener des letzten Fürsten von Anhalt-Bernburg, der dem Wahnsinn verfallen war. Er blieb bei ihm bis zu dessen Tod im Jahre 1863.
Wilhelm von Kügelgen verstarb nach schwerer Krankheit am 25. Mai 1867, seine Frau überlebte ihn um über vierzig Jahre.
Literarisch ist er nur durch seine posthum veröffentlichten „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ in Erscheinung getreten. Bilder von ihm sind heute beispielsweise über Google auffindbar. Etliche findet man in den im Selbstverlag erschienenen Buch „Wilhelm von Kügelgen. Sein Leben und seine Bilder“ (Dr. Hans Schöner, Mönkeberg 1992, keine ISBN). Außer dem weiter unten erwähnten Briefband gab es zwei weitere:
- „Das eigene Leben ist der beste Stoff. Briefe an die Schwester Adelheit, an Wilhelm Volkmann und Ludwig Richter.“ Koehler & Amelang, München/Berlin 1995, ISBN 3-7338-0198-9
- „Wilhelm von Kügelgen. Erinnerungen aus dem Leben des Alten Mannes. Tagebücher und Reiseberichte“ Herausgegeben von Hans Schöner und Anton Knittel. Koehler & Amelang, München/Berlin 1996, ISBN 3-7338-0193-8
- < Klick > - der Wikipedia-Eintrag über Wilhelm von Kuegelgen
- < Klick > - die Webseite des Familienverbandes derer von Kuegelgen
Meine Meinung
Vergebens sucht der Deutsche die gute alte Zeit. Mit diesen Worten hebt Gustav Freytag zu seinen mehrbändigen „Bildern aus der Deutschen Vergangenheit“ an. Wenn man etwas sucht, muß es auch etwas zu finden geben. Vielleicht suchte man nur am falschen Ort? Beim Lesen dieses Buches mag einem mehr als ein Mal dieser Gedanke kommen, denn offensichtlich gab es sie doch, nicht nur in verklärender Erinnerung: die gute alte Zeit.
Hier, in diesem Buch, tritt sie uns entgegen, mit all ihrer Geruhsamkeit und ihren schönen Seiten. Aber auch, liest man etwas genauer zwischen den Zeilen, nicht ohne die häßlichen, traurigen, tragischen Seiten zu verschweigen. Doch Leben und Tod gehörten damals mehr zusammen als heute, noch wähnte die Medizin sich nicht als Sieger über die Natur, die dem Leben nunmal ein Ende setzt, und so mag es nur für uns heutige erschreckend sein zu lesen, wie viele, teils hochberühmte, Menschen das vierzigste Lebensjahr nicht erreichten.
Denn dies ist der Vorzug der von mir gelesenen Ausgabe (siehe nächstes Post): in zahllosen Anmerkungen wird für die im Text erwähnten Personen kurz über deren Lebensdaten, bisweilen weitere Einzelheiten, Auskunft gegeben. Von den mehreren Ausgaben der „Jugenderinnerungen“, die ich besitze, ist dies die einzige mit solchen Erläuterungen. Auch findet man Hinweise aus Ungenauigkeiten der Erinnerung Kügelgens, welche kein Wunder sind, wenn man bedenkt, daß die Niederschrift teilweise über fünfzig Jahre nach den Ereignissen stattgefunden hat. Das Buch erschien übrigens posthum zwei Jahre nach dem Tod Kügelgens und erlebte zahllose Auflagen. Es ist eines der beliebtesten und meist verkauften Bücher des 19. Jahrhunderts und heute, über hundertvierzig Jahre nach dem Tode des Autors, noch lieferbar.
Vieles, was man aus der Schule aus dem Geschichtsunterricht kennt, wird hier, von einem Augenzeugen berichtet, lebendig. Etwa die Napoleonischen Kriege und deren Auswirkung auf die Bevölkerung. Die Kügelgens wohnten zu der Zeit in Dresden und hatten so manchen Unbill zu ertragen, wenngleich sie relativ glimpflich davonkamen. Aber der Ruf „Die Russen kommen!“ war nicht immer ein Schreckensruf, sondern damals waren sie durchaus willkommen. Vor allem, wenn man selbst (wie die Mutter Kügelgens) russische Wurzeln hatte. Und wer verkehrte nicht alles im Gottessegen, wie das Wohnhaus nach einer einer Inschrift genannt wurde. Goethe und Caspar David Friedrich seien stellvertretend für die vielen, auch heute noch geläufigen Namen, hier genannt. Ihnen ist der Schreiber des Buches, teils mehrfach im Leben, in persona begegnet.
Von solchen Begegnungen, von kleinen Ereignissen aber auch weltgeschichtlichen Begebenheiten berichtet der Autor auf über vierhundert Seiten, die den Zeitraum seiner Geburt 1802 bis zum 27. März 1820 umfassen. Dabei mag sich das eine oder andere Mal die Phantasie oder auch verklärende Erinnerung über die realen Geschehnisse geschoben haben. Doch schließlich handelt es sich hier nicht um eine Geschichtsbuch, sondern die Erinnerungen eines alten Mannes an seine Kindheit. Das Buch ist sehr gut durchkomponiert und liest sich flüssig wie ein Roman, wobei an manchen Stellen natürlich eine etwas altertümliche Sprache durchscheint, was dem Beschriebenen jedoch nur umso mehr Authentizität verleiht und eine längst untergegangene Welt zu neuem Leben erweckt.
Wer aufmerksam liest, vermag vieles über das alltägliche Leben der Menschen jener Zeit zu erfahren, wenngleich die Kügelgens sicher zu den besser gestellten zählten. Etwa von der Leibeigenschaft, die damals in vielen Gegenden noch selbstverständlich war, von manchem Elend, in dem Menschen hausen mußten und vor allem immer wieder davon, wie sehr das Leben vom Tode bedroht war.
Unverheiratet blieben sie alle und sind nun schon seit einer langen Reihe von Jahren aus einem Leben geschieden, das seinen Glanz für sie verloren hatte. (Seite 56)
Bis auf einen einzigen, den ehrenfesten Hermann, sind sie nach manchen bittern Kämpfen und Verlusten, die ihrer harrten, bereits alle in eine bessere Welt gegangen, dahin ihre Hoffnung, ihre Liebe und ihr Glaube schon hier auf Erden stand. (Seite 201) - Immer wieder heißt es Abschied nehmen für immer; und vielleicht ertappt man sich das eine oder andere Mal verstohlen eine Träne aus dem Auge wischend, eine Träne um Menschen, die lange entschlafen sind und von denen nichts geblieben ist als die Erwähnung in einem Buch, dessen Autor sich selbst seit Jahrzehnten im Grabe von den Mühen des Erdenlebens ausruht.
Doch auch viel Gutes und Schönes wird berichtet, wir erfahren vom Starkult, dem Goethe ausgesetzt war, von einer enttäuschenden Begegnung mit dem verehrten Jean Paul, oder vom Leben im Pfarrhof Lausa, von dessen Geistlichen Samuel David Roller Wilhelm von Kügelgen (und später sein Bruder Gerhard) konfirmiert wurde.
Alles in allem strahlt hier eine Heiterkeit aus längst vergangener Zeit zu uns herüber, die uns heutige etwas Ruhe und Gelassenheit in unsere hektische Zeit zu bringen vermag.
Und wer weiß, vielleicht gab es sie doch, damals, für immer verloren: die gute alte Zeit.
Kurzfassung:
In den Jugenderinnerungen wird die Zeit zwischen 1802 und 1820 lebendig. Gut und flüssig zu lesen wie ein Roman gibt es einen Einblick in das Leben im Dresden der damaligen Zeit. Für mich ein absoluter Lesegenuß und mindestens 10 Punkte wert.
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ASIN/ISBN: 1494254867 |