Ich dich auch nicht - Sacha Sperling

  • Inhalt:


    Sacha ist vierzehn Jahre alt, ein mittelmäßiger Schüler. Er wird von seiner Mutter mehr verwöhnt als erzogen, ist Teil der coolsten Clique an der Schule.
    Dann trifft er Augustin und alles in seinem Leben wird sich ändern. Sache beginnt Drogen zu nehmen, nicht mehr regelmäßig zur Schule zu gehen und Mädchen flachzulegen. Und er verliebt sich in Augustin.


    Meine Meinung:


    Gerade habe ich das Buch zugeklappt und bin immer noch ganz von dem Buch eingenommen. Sachas Geschichte liest sich größtenteils wie ein Film. Ein Film, der einem in schnellen und harten Szenenwechseln unbarmherzig Bilder aufdrängt. Ein Film, der sich nicht mit Nichtigkeiten aufhält, sondern alle Gefühle, alle noch so armseligen Bilder und Personen ungefragt vor die Nase setzt. Als Leser muss man selber sehen, wie man diese verarbeitet.


    Sacha Sperling, der dieses Buch als Vierzehnjähriger begonnen und dann als Siebzehnjähriger überarbeitet hat, präsentiert dem Leser ungeschönt das Leben von seinem Ich-Erzähler Sacha. Die Sprache, die er dafür verwendet, ist hart, oftmals vulgär. Die Sätze sind kurz und werden einem stakkatoartig zugeworfen. Das Lesen ist dementsprechend auch nicht immer ganz einfach, manchmal sogar anstrengend. Und genau dadurch wird die Atmosphäre des Buches so gut vermittelt.


    Es geht in dem Buch um die Pubertät, um das Erwachsenwerden, die Identitätsfindung. Urplötzlich und ohne Vorwarnung rutscht der erst vierzehnjährige Sacha in ein Milieu und in ein Leben ab, was man sich für niemanden wünscht. Was zunächst mit Joints beginnt, endet bald darauf in Koks und Wodka. Diese Entwicklung wird von dem Autor kaum eingeführt, kaum konkret thematisiert. Sie passiert einfach. Wie im wahren Leben auch.


    „Erwachsenwerden heißt einsehen, dass Fliehen unmöglich ist, dass die Geschichten kurz und bedeutungslos sind, aber aus Gründen, die wir nicht nachvollziehen können, Spuren hinterlassen.“ (S. 211)


    Aber es geht in diesem Buch auch um die erste große Liebe und die Gefahren, Ängste und den Kummer, die diese mit sich bringt.


    „Seine Hände legen sich auf meinen Schenkel. Meine Hüften. Mein Bauch. Ich erschauere, starr und schläfrig. Ich schwitze, glühe. Fast lache ich, obwohl mir nach Weinen zumute ist. Der Schlagzeuger spielt im Rhythmus meines Herzens. Im Rhythmus unseres Atems. Synchron. Alles ist synchron.“ (S. 81)


    Sacha Sperling ist ein Buch gelungen, das nicht unterhält, das einen nicht in wunderbare Welten versetzt. Er hat ein Buch geschrieben, das dem Leser einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlässt. Und das ist gut so. 4 von 5 Sternen.
    Die Einordnung dieser Buchvorstellung in den Belletristikbereich ist mir nicht ganz leicht gefallen. Ich denke, hier gehört es am ehesten hin. Es darf aber auch gerne verschoben werden.

  • Zitat

    „Seine Hände legen sich auf meinen Schenkel. Meine Hüften. Mein Bauch. Ich erschauere, starr und schläfrig. Ich schwitze, glühe. Fast lache ich, obwohl mir nach Weinen zumute ist. Der Schlagzeuger spielt im Rhythmus meines Herzens. Im Rhythmus unseres Atems. Synchron. Alles ist synchron.“ (S. 81)


    :wow ein toller Satz, der Lust auf dieses Buch macht. Danke für die Rezi! :wave

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Der Satz ist wirklich toll!


    In einem Artikel im Magazin des SPIEGELS wurde das Buch als potentieller Nachfolger von Helene Hegemanns Buch bezeichnet, allein das ist für mich ja schon eun Kaufargument. ;-)


    Ich habe "Axolotl Roadkill" nicht gelesen, ich habe immer Probleme mit diesen "Hip- Büchern". ("Feuchtgebiete", "Mängelexemplar" usw) Vielleicht ist mir was entgangen? :gruebel


    Edit: ich habe grade mal in die Rezi von A.R. reingelesen- daran scheiden sich ja die Geister. :grin Sehr interessant! Voltaire bezeichnet das als "Mainstream"....vielleicht sollte ich das "wirklich" mal lesen? :wave


    Dieses hier hört sich gut an! :-]

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

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  • Titel: Ich dich auch nicht
    OT: Mes illusions sur la cour
    Autor: Sacha Sperling
    Übersetzt aus dem Französischen von: Carina von Enzenberg
    Verlag: Piper
    Erschienen: März 2011
    Seitenzahl: 209
    ISBN-10: 3492053858
    ISBN-13: 978-3492053853
    Preis: 17.95 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Sacha Winter ist 14. Seine Mutter, eine Ex-68erin, verwöhnt ihn mehr, als dass sie ihn erzieht. Der Vater gibt sich bei seinen seltenen Auftritten erfolglos autoritär. Sacha gehört zu der coolen Clique in seiner Pariser Reiche-Leute-Schule, aber eigentlich langweilt ihn das alles. Da lernt er den charismatischen Augustin kennen. Mit ihm geht er Wodka klauen, raucht, snifft, beginnt Mädchen "flachzulegen". Aber es ist Augustin, in den er sich verliebt.


    Der Autor:
    Sacha Sperling lebt in Paris. 2009 wurde er in Frankreich als „die literarische“ Entdeckung gefeiert. Mit vierzehn begann er diesen Debütroman zu schreiben, mit sechzehn warf er dann alles über den Haufen – und begann noch einmal von vorn.


    Meine Meinung:
    „Sacha Sperling hat das BONJOUR TRISTESSE der heutigen Generation geschrieben.“ Diesen Unsinn hat der bekannte französische Autor Frederic Beigbeder von sich gegeben. Er vergleicht etwas, was nicht zu vergleichen ist. Entweder hat er Sagans Roman nicht gelesen oder er hat vielleicht auch Sperlings Buch nicht gelesen. Hätte er beide Bücher gelesen, so hätte er sich unter Garantie nicht zu dieser unsinnigen Aussage verstiegen. Das Buch von Francois Sagan spielt in einer anderen Zeit, mit Menschen deren Leben nicht mit dem von Sperlings Protagonisten zu vergleichen ist. Diese beiden Bücher zu vergleichen wäre so, als würde man einen Kochlöffel und eine Digitaluhr miteinander vergleichen. Ein ebenso unsinniger Vergleich.
    Das Buch von Sacha Sperling ist im Wesentlichen eine Enttäuschung. Er beschreibt ein Leben, vielleicht sein eigenes (?) – wer weiß – ein Leben, das in dieser Form schon sehr oft beschrieben wurde. Da wird eine Generation beschrieben, die offenbar nur völlig neben der Spur ist. Kokain, Saufen, Mädchen resp. Jungen flachlegen, Schule als Nebensache betrachten – kein noch so gängiges Klischee lässt dieses „Schreibtalent“ aus. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte sich vor Schreibbeginn einmal draußen umgeschaut – eventuell hätte er dann etwas von der Welt – so wie sie ist – mitbekommen. Es sind diese Bücher die mich ärgern, Bücher deren Ziel offenbar darin besteht, jedes gängige Klischee zu bedienen – egal ob es nun stimmig ist oder nicht. Wahrscheinlich aber kann man eine Menge Geld damit verdienen, wenn man die eigenen Generationskollegen so gnadenlos in die Pfanne haut. Sperling ist ein Nestbeschmutzer allererster Güte, dabei aber leider nicht einmal auch nur ansatzweise originell.
    Schon nach wenigen Seiten beginnt dieser Roman zu langweilen. Vieles wird immer wieder neu durchgekaut und genaugenommen passiert eigentlich so richtig gar nichts. Es ist die Aufzählung irgendwelcher Besäufnisse, irgendwelcher eingebildeter Frustrationen – es ist die nur sehr oberflächlich geschilderte Beziehung zwischen Sacha und Augustin. Dieses Buch lässt jeglichen Tiefgang vermissen und war für mich ein einziges Ärgernis. Platt und allgemeinplatzverliebt wird beschrieben, wie ein junger Mensch erwachsen wird oder wie der Autor mit all seiner Lebenserfahrung meint, wie es sich anfühlt wenn ein Mensch erwachsen wird. Da schreibt jemand wie der Blinde von der Farbe.
    Es ist eine Unverschämtheit – dieses Buch von Sperling mit dem Roman von Francoise Sagan zu vergleichen. Eine bodenlose Unverschämtheit.
    Sacha Sperling hat ein schlechtes Buch geschrieben, einen klischeebeladenen Roman – und es ist mir absolut rätselhaft, wie man diesen jungen Autor als literarische Entdeckung feiern kann. Okay – den guten Willen, etwas Ordentliches zu schaffen, den kann und will ich ihm natürlich nicht absprechen – aber guter Wille allein reicht nun mal nicht – es braucht auch das Talent und das handwerkliche Können zum Schreiben.
    Für diesen Roman von Sacha Sperling gibt es von mir keine Leseempfehlung. Mit Rücksicht auf die Eltern bekommt dieses Buch dann auch 2 von 10 möglichen Punkten. Das Buch verschwindet dann auch sogleich auf dem RdgÄ (Regal der großen Ärgernisse).

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.