Der Autor: William Gay gilt in den USA als einer der großen Autoren der "Southern-Gothic-Literatur", zu denen auch Joe Lansdale und Daniel Woodrell zu zählen sind - neben anderen. "Nächtliche Vorkommnisse", so dem Tb zu entnehmen, begeisterte in Deutschland die Presse (uA. den "Stern" und den "Spiegel" - ersterer fällt häufiger durch seine feine Auswahl auch an unbekannteren Autoren, die es Wert sind das man sie liest, auf, letzterer ist sicherlich auch nicht leicht zu begeistern) und die Leser.... also mich und die beiden anderen Typen?..... Es ist zumindest bei mir nicht so das sich ganze Völkerscharen auf dieses Buch stürzen, als hätten sie nur auf das Erscheinen als Taschenbuch gewartet. Vielleicht wohnen die Begeisterten irgendwo anders....
Das Buch: Kenneth und Corrie Tyler müssen schockiert feststellen das der Mann der ihren Vater beerdigt hat, der Bestattungsunternehmen Fenton Breece, seinen pädophilen Neigungen nachgegeben und sich nicht nur an ihrem Vater, sondern auch an einigen anderen Klienten vergangen hat.
Corrie beschließt den Bestatter dafür bluten zu lassen - vor allem finanziell, den sie ist in den besitz einiger Fotos gelangt, die Breece von sich und seinem Spielzeug geschossen hat. Ihr Bruder zögert erst und lässt sich nur langsam überzeugen, das der Finanzielle Schaden eine gerechte Strafe für Breece ist.
Der allerdings denkt nicht im Traum daran zu bezahlen. Er investiert sein Geld lieber in jemanden, der die Angelegenheit endgültig beendet, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird.
Seine Wahl fällt auf den psychopathischen Egomanen Granville Sutter, für den Gewalt die einzige Patentlösung für einfach alles zu sein scheint, womit er bisher immer durchkam, was ihn in seiner Haltung nur bestärkt.
Sutter macht sich auf den Weg, und Kenneth Tyler sieht sich mit einem Alptraum konfrontiert, aus dem es kein Erwachen zu geben scheint. Er flieht in die Wälder, doch wohin er auch geht, das Böse folgt ihm....
Meine Rezension: Corrie Tyler ist eine wunderschöne junge Frau, die aber, im Gegensatz zu den "Töchtern aus gutem Hause" mit dieser Tatsache nicht nur nichts anzufangen weiß, auch eine ironische Distanz, eine kokettierende leichte Überheblichkeit gehen ihr vollkommen ab. Sie bleibt als Tochter eines Hinterwäldlers selbst eine Hinterwäldlerin, ein Außenseiter. Allerdings ist sie es auch die nach der schrecklichen Entdeckung die Zügel in die Hand nimmt und bei aller moralischer Entrüstung nicht davor zurückscheut, mit ihrem Wissen etwas Geld zu machen.
Ihr Bruder hingegen ist der Brave und Gute, der nur alles richtig machen will. Als solcher scheint er in dieser verkommenen, durch und durch amoralischen Gesellschaft auf verlorenem Posten zu stehen.
Es gibt, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, in dieser Geschichte nur eine normale Figur, und die taucht nur kurz am Rande auf, ohne Anteil an der Geschichte zu nehmen.
Wir haben einen Lehrer, für Kenneth moralische Instanz und Vertrauensperson, welcher ihn abweist, weil er gerade dabei ist eine Studentin zu vögeln.
Seine dominante Schwester, die moralische Vergeltung einfach verkaufen will.
Die wichtigste, am einfachsten gestrickte und daher umso bedrohlichere Figur ist der asoziale Egomane (ich hoffe das ist die richtige Bezeichnung) Granville Sutter.
Die Kriminalliteratur kennt viele Psychopatische Killer - vor allem seit "Das Schweigen der kleinen Schafe" sind das oft gebildete Aristokraten, die klassische Musik hören und philosophische Werke der Weltliteratur lesen. es ist ihre überragende Intelligenz gepaart mit ihrem Wahnsinn, der diese Leute so gefährlich macht - und auch für eine gewisse Faszination sorgt.
Granville Sutter ist das genaue Gegenteil. Er ist immer auf dem Sprung, immer in Erwartung übers Ohr gehauen zu werden - die ganze Welt ist sein potentieller Feind. Andererseits kam er auch schon mit Mord davon, also warum sich Sorgen machen?
Mit Sutter kann man nicht reden, mit ihm verhandeln oder ihn von irgendetwas überzeugen. Alles was dieser Mann im Sinn hat ist sein eigener Vorteil, selbst seine Loyalität ist nicht für Geld zu haben - bietet man ihm welches an ist sein ganzes Streben darauf gerichtet, noch mehr Geld aus dem Auftraggeben herauszukitzeln. Fenton Breece muss diese Erfahrung auch machen.
Kenneth flieht in die rieseigen Wälder, Sutter immer auf seiner Fährte und zuweilen sogar vor ihm, und es wird ihm langsam klar, das er sich stellen muss, denn an ein Entkommen ist nicht zu denken.
Die Wälder, mit all ihren skurrilen und verrückten Bewohnern nehmen hier fast mystische Züge an. Es springen hier zwar weder Elfen noch Trolle oder ähnliches herum, würde andererseits plötzlich ein Zwerg aus den Büschen hüpfen wäre meine einzige Reaktion: "Na, ich hab gleich gewusst das Du auch noch kommst!" Im Gegensatz zu einem Autoren wie Joe Lansdale schafft Gay hier nicht ein Gesamtbild einer Gesellschaft in einer bestimmten Umgebung und Zeit, welches eine gewisse Allgemeingültigkeit hat, Schauplatz und Personen sind für ihn Mittel und Zweck seine Geschichte zu erzählen.
Und was ist das für eine Geschichte! Düster ist sie und schwarz, und von einer gewissen Hoffnungslosigkeit durchzogen. Denn der Gute muss selbst ein wenig zu dem werden was er bekämpft, um am Ende zu siegen. Er darf nicht das Gute und Richtige tun, denn das Böse würde das - das liegt in der natur der Sache - nur ausnützen um ihm, dem Guten, zu schaden.
Lansdale, Woodrell und nun William Gay - es scheint tatsächlich eine Zielgruppe für diese, "Southern Gothic" genannte Literatur zu geben, und bisher bin ich von diesem Trend, sofern es einer ist oder noch wird, wirklich begeistert. William Gay steht ab jetzt weit oben auf meiner Liste der coolen Schreiberlinge - und es ist eine kurze Liste.