"Lily" von Ray Robinson ist wirklich harter Tobak. Die Protagonistin Lily wurde von ihrer Mutter als Kleinkind die Treppe runtergeworfen und leitet seither an Epilepsie. Die Anfälle brechen regelmäßig über sie ein, so dass sie am ganzen Körper Narben und Spuren von Verletzungen trägt. Auch sonst spielt ihr Gehirn immer wieder verückt, so dass sie an Wahrnehmungsstörungen leidet.
Als erwachsene Frau lebt Lily im Norden Englands und arbeitet in einem Spielcasino. Eines Tages taucht ihr lang vermisster Bruder wieder auf, der mittlerweile spielsüchtig geworden ist und sein Geld mit nebulösen Geschäften verdient. Lily versucht auch ihren zweiten Bruder, Mikey wiederzufinden - die Geschwister wurden als Jugendliche getrennt, als sie in unterschiedlichen Heimen untergebracht wurden. Lily geht nach London und macht sich auf eine hofnungslos erscheinende Suche.
In Rückblicken erzählt Lily immer wieder aus ihrer Kindheit. Ihre Mutter war Alkoholikerin, schlug und vernachlässigte ihre Kinder. Lily machte sie beispielsweise für ihre epileptischen Anfälle verantwortlich und zwang sie mit den Kleidern, die sie bei ihren Anfällen vollgepinkelt hatte, zur Schule zu gehen. Natürlich wird Lily in der Schule zur Außenseiterin. Der Freund der Mutter nutzt die Liebesbedürfdigkeit des Kindes aus und mißbraucht es sexuell.
Trotz der schwierigen Thematik ist "Lily" eine erfrischende Lektüre. Die Stimme der Heldin ist frech, direkt und trotz allem hoffnungsvoll. Obwohl Lily schon oft verletzt worden ist, findet sie immer noch die Stärke Menschen zu vertrauen und wird dafür belohnt. Immer wieder findet sie Menschen, die ihr helfen und sie lieben. Der Autor hat für Lily eine authetische Sprache gefunden, die auch in der Übersetzung gut übertragen wurde. Lilys ganz eigene Wahrnehmung der Welt, die zum Teil durch ihre Epilepsie bedingt ist, finden sich in sehr gelungenen Sprachbildern wieder. Auch typographisch ist das schön gestaltete Buch vom Mare-Verlag etwas besonderes.