PROLOG:
Auszug aus dem steinernen Buch von Korja:
HADER, NEID UND HASS WIRD HERRSCHEN
ÜBER DES MENSCHEN GEIST
WENN MENSCHENSEELEN NICHT ÜBERWINDEN
IHREN MAKEL
WENN DER KRIEG BEGINNT
ZWISCHEN MENSCHEN UND ANDEREN GESCHÖPFEN
WERDEN VIELE SEELEN LEIDEN
GEWISSE OMEN WERDEN SICH ERFÜLLEN
UND ERWACHEN WIRD DER WÄCHTER VON R'LEYH
UND DIE ALTEN GÖTTER WECKEN
DER KRIEG WIRD VERHEEREN ALLES UND JEDERMANN
VIELE MENSCHEN WERDEN FLIEHEN
VOR DES KRIEGES LOHE
UND DOCH STERBEN.
UMHÜLLT VON SCHWARZER FINSTERNIS WIRD DIE ERDE SEIN
GEISTERHAFTE STIMMEN RUFEN TRIUMPHIEREND
DER TAG WIRD ZUR NACHT
DIE NACHT ZUR SCHWÄRZE
BÖSES WIRD BEHERRSCHEN
DIE ERDE UND ALLES LEBEN.
ABER ES GIBT HOFFNUNG - VAGE ZWAR ABER DOCH ERKENNBAR.
WENN MENSCHEN AUS VIELEN LÄNDERN ERKENNEN, DAß SIE ALLE BRÜDER SIND.
1. Kapitel
Kraftlos leuchtete das Auge Mithan’s auf die schmale Serpentine; die sich in steilen Windungen durch die zerklüfteten Felsen des Karmengebirges wand.
Beißender Wind, Vorbote eines langen und eisigen Winters, pfiff über die Spalten der Felsen; riss und zerrte an den verkümmerten Ästen einer bizarr gewachsenen Bergulme. Leise raschelten die Blätter und erzählten Geschichten des längst vergangenen Sommers.
Der Wind heulte, einem Luftteufel gleich, über die kahlen und verwitterten Felswände und spielte mit dem altem Laub. Hier und da glitzerte Schnee zwischen den Spalten und Schluchten, den Abhängen und Felsen der Berge.
Neben der engen Serpentine, die einer Felsterrasse ähnelte und sich immer weiter höher schwang, war der Rand einer tiefen Schlucht, aus der das Dröhnen reißenden Wassers drang. Unten toste der Elebe durch sein steinernes Gefängnis.
Die Serpentine war mit losem Geröll bedeckt, eine latente Gefahr für einsame Wanderer. Den einzigen Halt versprachen nur die Haftwurzeln einiger Bäume.
Dieser nördlichste Weg begann in den dunklen feuchten Wäldern weit im Westen, führte nach Osten ins Karmengebirge und endete schließlich an der Küste des Schlangenmeeres.
Sie war der einzige halbwegs sichere Pfad; der das westliche Korsan mit dem östlichen Teil verband. Aber nun war sie nicht mehr sicher, den ein Krieg, der seit Monaten im Karmengebirge tobte, aber inzwischen immer mehr der südlich gelegenen Reiche erfasste, bedrohte die Wanderer. Einige vermodernde Gerippe zeugten von den Unvorsichtigen, die blindlings in ihr Verderben gerannt waren.
Hufschlag wurde laut und brach die Stille der einsamen Bergwelt.
Schwerbewaffnete Krieger tauchten auf und folgten der Serpentine in Richtung Osten. Aufmerksam beobachteten sie ihre Umgebung.
Dicke Felle schützten sie vor der Kälte des Windes, der immer mehr auffrischte und schon bald die Ausmaße eines Sturmes hatte.
Wolken trieben, vom Wind gejagt, über den azurblauen Himmel, sie wallten, ballten sich auf und zeigten die Antlitze sagenhafter Wesen, veränderten sich wieder und bildeten neue Figuren.
Die Krieger begleiteten zwei, auf prachtvollen Hengsten reitende Priester, die einer wichtigen Aufgabe nachgehen mussten. Auf der rechten Seite ihrer schwarzen Kutten schimmerten im Sonnenlicht silberne magische Symbole.
Ajonis, der jüngere der beiden, beobachtete die reglosen Gestalten der Krieger, deren Gesichter von schweren Sturmhauben verdeckt waren.
Kurz nickte er Willdor zu. Dieser ebenholzschwarze Riese aus dem weit südlich gelegenen Erdteil Afril, trug als einziger einen Federkammhelm, der ihn als Führer der zwei Dutzend Krieger auswies.
Aber alle anderen Männer waren Opfer von Parasiten, die den Willen ihrer Opfer unterdrückten und sich von ihnen ernährten.
Durch diese Parasiten konnten Priester die Unglücklichen lenken. Wenn sie es wollten, wurden ihre Sklaven zu mordenden Kampfmaschinen, die auch bei schwersten Verwundungen weiterkämpften.
Früher waren es Menschen - jetzt aber nur noch willenlose Opfer - Adroben - die jeden Befehl ihrer jeweiligen Herren gehorchten.
Niemand wusste, wer diesen Menschen die Parasiten einsetzte, aber es wurde reger Handel mit ihnen getrieben.
Normalerweise war es den Priestern Mithan's verboten, solche Sklaven zu halten, aber seitdem es zu schweren Machtkämpfen zwischen den Anhängern Mithan's und Karklar's kam, wurden jahrhundertealte, geschriebene Gesetze und Traditionen verändert und zerstört.
Plötzlich richtete sich wortlos der ältere Priester auf und wies nach vorne.
Ajonis blickte dorthin, wo sein Mentor hinwies und entdeckte einen Berggipfel, um dessen schneeweiße Krone rote Wolken tanzten. Dies aber war seltsam, den die Sonne war schon lange hinter dräuenden Wolken verschwunden. Es schien, als würde das Licht des Tages vom Berg angezogen, verändert und zurückgeworfen werden.
„Dort liegt unser Ziel!” rief Brodir. „Houra, so heißt der Berg soll angeblich der Hauptsitz des seit Jahren verschollenen Zauberers Sodaho sein. Unten an seinem Fuß, im Tal der Geysire, ließen sich die Ausgestoßenen nieder.”
Ajonis nickte, während ein grimmiges Lächeln seine Lippen umspielte, als er an seinen Erzfeind dachte. Ob dieser wohl ahnte, dass sein Erzfeind ihm Meter für Meter näherte?
Aber wie sollte er, er der nicht einmal wußte, daß er einen tödlichen Gegner zum Feind hatte.
Er spürte, wie in ihm sein Hass, mühsam gebändigt. aufflackerte. Er sehnte sich danach, endlich vor Corma zu stehen und ihm seinen Hass ins Gesicht zu schleudern, bevor er sterben würde. Sein Tod würde von langer Dauer sein!
Aus dunklen Schwaden seiner Erinnerung drängte sich ihm das Bild von Willdor auf, der schwerverletzt an seiner Tür klopfte und Einlass begehrte.
Aber erst Tage, zwischen Leben und Tod, erfuhr er von Willdor, was geschehen war.
„‘Dein Bruder, Trasar und ich;““ so erzählte Willdor, „‘ befanden uns im Tal der Geister, es liegt in den östlichen Ausläufern des Karmengebirges. Wir verfolgten ein verwundetes Bergschaf. Plötzlich wurden wir von einem turfasischen Trupp überfallen.”’
Willdor richtete sich auf, griff nach Ajonis Hand und stöhnte leise: „‘Ich erkannte den Anführer, es war Corma, der Sohn der ausgestoßenen Clans der Silbertiger.”’
Willdor sank zurück und atmete heftig. Nach einer Weile, während Ajonis ungeduldig auf die Fortsetzung des Berichtes wartete, fuhr er fort: „‘Ich lernte ihn vor einigen Jahren kennen, als ich mit einigen anderen nach dem Schatz von Siroud suchten. Siroud, der längst verfaulte Anführer der Diratonscharen, die vor Jahrzehnten die Grenzgebiete von Ägien, Fangor und Zankor unsicher machten hortete ihn in wegelosen Einöden.
Leseprobe ENDE
© by Arno Westermann 2005