Ein toter Lehrer - Simon Lelic

  • Kurzbeschreibung gem. Amazon
    Schulversammlung in der drückenden Hitze eines Londoner Sommers. Der Geschichtslehrer betritt die Aula – und eröffnet das Feuer: Drei Schüler und eine Lehrerin sterben, dann richtet er sich selbst. Auf Druck von oben soll die junge Ermittlerin Lucia May den Fall schnellstmöglich abschließen, doch sie bohrt tiefer – und bringt damit Unvorstellbares ans Licht …


    Über den Autor gem. Amazon
    Simon Lelic wurde 1976 in Brighton geboren und lebt heute mit seiner Familie wieder dort. Er hat als Journalist gearbeitet, eine Firma gegründet und schreibt bereits an seinem dritten Buch. Sein Debüt "Ein toter Lehrer" begeisterte Publikum und Presse, die ihm unisono bescheinigten, einen der packendsten, ungewöhnlichsten Romane der Saison verfasst zu haben.


    eigene Meinung
    "Ich war nicht dabei. Ich habe es nicht gesehen." Mit diesen 2 Sätzen beginnt der Debütroman von Simon Lelic. In seiner Geschichte geht es um die Hintergründe eines amoklaufenden Lehrers. Denn die Tat ist schon geschehen und Lelic nimmt den Leser mit in die Ermittlungen. Dabei lässt er uns einmal durch die Ermittlerin Lucia May teilhaben, aber auch durch die Zeugenaussagen von Lehrern, Schülern und Eltern. Durch seinen nüchternen Erzählstil erzeugt der Autor eine Beobachterrolle für den Leser. Hier heißt es also: zuschauen statt dabei zu sein. Und grade dieser Stil macht die Geschichte um so dramatischer. Denn hier geht es nicht nur um einen Lehrer, der Kollegen und Schüler erschossen hat, sondern hier geht es um viel mehr: Mobbing, Gewalt und Geld. Dies alles wird durch die Zeugenaussagen aus unterschiedlichen Blickwinklen betrachtet. Der Leser weiß nicht, was entspricht der Wahrheit und was ist gekonnt verdreht?


    Simon Lelic regt mit seinem Buch zum Nachdenken an. Zum Nachdenken über die Verhältnisse an den Schulen, über die täglichen Machtkämpfe, über Mobbing und Gewalt. Das Buch hat mich aufgewühlt zurückgelassen. Der Autor hat somit sein Ziel erreicht. Ich freue mich schon auf seine weiteren Bücher.

  • An einem heißen Sommertag erschießt ein Lehrer während einer Versammlung der Aula seiner Schule eine Lehrerin und drei Schüler und tötet sich im Anschluss selbst. Über die Tat herrscht Entsetzen, galt der Lehrer doch als unauffällig und freundlich. Die Polizistin Lucia May beginnt zu ermitteln und stößt schnell auf Dinge, die nicht ans Licht der Öffentlichkeit sollen. Man legt ihr Steine in den Weg, will sie zwingen, den Fall mit dem Ergebnis abzuschließen, es seie die Tat eines Durchgeknallten gewesen. Doch Lucia gräbt tiefer und am Ende stellt sich die Frage, wer der das Opfer und wer der wirkliche Schuldige an dieser Tat gewesen ist.


    Simon Lelics Art, diese Geschichte zu erzählen, ist sehr ungewöhnlich, wechselt von der Erzählweise in der dritten Person, wenn Lucia ermittelt, immer wieder zur ersten Person, wenn die Kollegen, Schüler und Angehörigen der Toten zu Wort kommen. Diese Wortmeldungen sind im Stil von Vernehmungen gehalten, die auf Band aufgezeichnet werden. Der Fragesteller bleibt unsichtbar, man liest nur die Antworten der Personen. Eine gewöhnungsbedürftige Perspektive, auf die man sich beim Lesen aber rasch einstellt. Leider stellt man sich nur schlecht auf die erzählenden Personen selbst ein, denn vermutlich wie bei realen Vernehmungen wird schnell vom Thema abgeschweift, Belangloses erzählt und der Fragesteller muss erst wieder auf das eigentliche Thema zurücklenken. Das hat mich teilweise so genervt, dass ich die Vernehmungsprotokolle manchmal nur überflogen und die eigentlich wichtigen Aussagen gelesen habe. Lelic liebt generell "verschwurbelte" Sätze mit Wortwiederholungen und manchmal möchte man beim Lesen einfach nur rufen: komm doch endlich mal auf den Punkt.


    Der zentrale Punkt dieses Buches erschließt sich beim Lesen nach und nach: Mobbing. Mobbing an Lehrern, Mobbing an Schülern, aber auch Mobbing an Lucia seitens ihrer Kollegen. Alle schauen hin, niemand greift ein, sei es aus Angst vor dem Mobber, aus Angst um den Job oder aus wirtschaftlichen Interessen. Im besten Fall gibt die gemobbte Person auf und schmeißt hin, im schlimmsten Fall greift sie wie, wie Lelics Lehrer, zur Waffe und tötet. Was den Lehrer dazu getrieben hat, wird dem Leser klar. Warum er diesen Weg gewählt hat und keinen anderen, erschließt sich hingegen während der Geschichte nicht. Das Bild des Lehrers bleibt oberflächlich, auch die Vernehmung seiner Schwester bringt keinen Einblick in sein Wesen. Warum hat er die Versammlung gewählt? Warum hat er keine andere Gelegenheit gewählt? - mit diesen Fragen bleibt der Leser nach dem Buch zurück. Vielleicht ist aber auch genau dies beabsichtigt, denn eigentlich sind auch genau das die Fragen, die nach jedem im realen Leben vorkommenden Amoklauf offen bleiben, denn wie im Buch, wie auch bei realen Fällen gibt es im Anschluss keine Möglichkeit mehr, den Täter selbst zu befragen. Die Opfer hingegen zeichnet Lelic ins Detail und man ertappt sich dabei, dass es den ein oder anderen Toten gibt, den man nicht bedauert. Diese Erkenntnis ist vielleicht mit eine der Erschreckendsten in diesem Buch: Opfer werden zu Tätern und Täter zu Opfern. Die Grenzen verwischen in Lelics Buch.


    Hätte Lelic sich nicht in den ausschweifenden Formulierungen und Vernehmungsprotokollen verloren, wäre das ein erstklassiger Roman geworden. So aber verliert Lelic im Laufe der Geschichte die Aufmerksamkeit des Lesers und damit die Chance, die Botschaft "hinsehen und handeln" tief im Gedächtnis desselben zu verankern.

  • Amokschützen sind unberechenbar. Vorwiegend planen sie ihre Gewaltattacke im Stillen und es sind kaum Verhaltensauffälligkeiten erkennbar, sodass ihre Mitmenschen plötzlich mit der zerstörerischen Gewalt überrascht werden. Simon Lelic widmet sich diesem Thema in seinem Debütroman. Er zeigt dabei verschiedene Seiten auf, aus welchen Beweggründen ein Mensch zum Täter werden kann. Zum einen ist dort der Täter. Auf ihn sind alle Blicke gerichtet. Schnell wird ein Urteil von der Gesellschaft gefällt. Die andere Seite der Medaille ist, dass der Täter durch sein Umfeld erst zu dieser Tat getrieben wurde. Doch die eigentlichen Auslöser werden zumeist außer Acht gelassen. Hinzu kommen diejenigen, die sich einfach durch Wegschauen nicht mit den Missständen beschäftigen wollen.


    Obwohl das Buch in der Kategorie Krimi eingeordnet wurde, würde ich es eher zu den Gesellschaftsdramen zählen. Der Tathergang steht praktisch von der ersten Seite an fest und es werden anschließend die Hintergründe beleuchtet. Der britische Autor versteht es, den Verlauf bis zu seinen Ursprüngen zurückzuverfolgen. Dabei hält er sich ganz dicht bei den Fakten und lässt keine Vermutungen über Beweggründe einfließen. Dennoch treten die Beziehungen der Betroffenen deutlich hervor. Bemerkenswert ist dabei der Schreibstil. Geradezu realistisch hört man beim Lesen die Aussagen der Einzelnen. Dabei ist auch der Sprachstil wechselnd, je nachdem ob ein Schüler oder ein Erwachsener aussagt. Die damit wechselnde Ich-Perspektive wirkt obendrein authentisch und fesselt den Leser an den Roman. Den Zusammenhalt bietet dabei die ermittelnde Kommissarin Lucia.


    Selten hat mich ein fiktiver Roman emotional dermaßen berührt. Erschreckend deutlich führt er vor Augen, wie schnell sich ein harmloses Zusammentreffen zum lebensbedrohlichen Akt wandeln kann. Vielleicht gerade weil das Thema Amoklauf derzeit eine traurige Aktualität genießt und unbedingt mehr Aufmerksamkeit benötigt, ist diese Veröffentlichung eine Leseempfehlung.

  • Simon Lelics Erstling behandelt ein Thema, das mehr oder weniger uns alle betrifft: Mobbing, im englischen auch als Bullying bekannt. Jeder von uns ist irgendwann zur Schule gegangen und fast jeder wird einen Schüler oder Lehrer kennen, der gemobbt wurde. Wenn wir nicht sogar selbst die Opfer waren. Obwohl in erster Linie der Amoklauf des Geschichtslehrers Samuel Szajkowski im Vordergrund steht, richtet sich der Fokus des Romans auf alle möglichen Arten von Mobbing, dessen Opfer aus den unterschiedlichsten Gründen die Aufmerksamkeit der oder des Täters auf sich ziehen. Dazu zählen unter anderem körperliche Auffälligkeiten, starke Schüchternheit, der soziale Status, ein normabweichendes Verhalten oder einfach nur eine vermeintlich falsche Hautfarbe.


    Wohl um sich des Themas möglichst umfassend anzunehmen, stellt der Autor sowohl Schüler als auch Lehrer auf die Opfer- UND die Täterseite. Auf der Dienststelle der zuständigen Ermittlerin Lucia geht es ähnlich heftig zur Sache. Als Frau hat sie in einem von Männern dominierten Beruf per se einen schlechten Stand, was einer ihrer Kollegen für sexuelle Belästigungen nutzt. Aus Gründen, die mit politischen Seilschaften und polizeiinternen Interessen zu tun haben, entwickelt sich Lucia aufgrund ihrer allzu gründlichen Nachforschungen in den Augen ihres Chefs zu einem Störfaktor, so dass sie von ihm auch keine Hilfe in Bezug auf die Schikanen ihres Kollegen zu erwarten hat. In der Schule geht es ähnlich zu, nur dass hier der Direktor derjenige ist, der jede noch so menschenverachtende Aktion der jugendlichen Mobber durchgehen lässt und bis zum bitteren Ende nicht zur Tat schreitet. Lehrer und Schüler sehen weg oder fördern die Quälereien teilweise sogar noch. Alle Mitläufer und desinteressierten Zuschauer tragen durch ihre Gleichgültigkeit und fehlendes Mitgefühl für die Mobbing-Opfer eine Mitschuld an der Tat des Amokläufers und auch im Zusammenhang mit den tragischen Ereignissen, die einen Schüler aus der 7. Klasse betreffen. Und genau hier liegt meiner Meinung nach der Schwachpunkt der Geschichte. Letztlich sind fast alle Figuren des Autors extrem charakterschwach. Das gesamte Lehrerkollegium gleicht einer Kindergartengruppe, die von der zuständigen Erzieherin sich selbst überlassen wurde. Ich kann mir jedoch beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich ein Direktor als höchste Autoritätsperson an einer Schule so verhalten würde wie hier dargestellt. Schon gar nicht an einer angeblich elitären Einrichtung, die ich in der beschriebenen Schule aber nicht entdecken konnte. Die zu Wort kommenden Schüler wirken durch die Bank unbedarft und naiv oder sind grausam veranlagt. Aber auch mit Samuel und Lucia hatte ich meine Schwierigkeiten. Beide blieben mir fremd und ihre schwierige Lage ließ mich kalt. Während Samuel einen unangenehmen und merkwürdigen Eindruck macht, wird Lucias Charakter gar nicht richtig herausgearbeitet. Ihre Reaktionen auf die Drangsalierungen an ihrem Arbeitsplatz fand ich nicht unbedingt schlüssig. Zwar gab es ein paar Hinweise auf ihr Privatleben, aber das war alles viel zu dürftig. Insgesamt hätte der Autor vieles detaillierter erklären müssen, anstatt den Leser mit oftmals sehr diffusen Andeutungen abzuspeisen. Dadurch fühlte ich mich wie ein unbeteiligter Zuschauer.


    Vom Erzählstil her ist der Roman eigentlich recht originell. Die Ereignisse, die zum Amoklauf führten, werden in Form von Vernehmungsprotokollen, die Eltern, Lehrer und Schüler auf Tonband gesprochen haben, aufgerollt. Dabei werden soziale Unterschiede durch die jeweilige Ausdrucksweise des Sprechenden kenntlich gemacht. Diese Passagen wechseln sich ab mit tatsächlicher Handlung, in der Lucia May die Hauptrolle spielt. Allerdings trägt diese Vorgehensweise nicht bis zum Ende. Als Leser muss man selber darauf kommen, wer gerade befragt wird und verliert schnell die Lust daran. Viele Geschehnisse haben einen hohen Ekelfaktor und waren mir zu plastisch dargestellt. Das Fazit, dass Simon Lelic am Schluss zieht, ist genau so deprimierend wie das ganze Buch: Laut Lelic stehen einem als Opfer anscheinend keine adäquaten Mittel zur Verfügung, um sich zu wehren. Ich hätte es gut gefunden, wenn Lelic auch noch andere Lösungen als Amokläufe und ähnliches angeboten hätte. Denn die gibt es ohne Zweifel. Menschen, die im echten Leben schon mal gemobbt wurden, können mit der Darstellungsweise ihrer Probleme im Buch sicherlich wenig anfangen. Leider. Die Idee des Romans ist an sich sehr gut, an der Umsetzung hapert es aber doch gewaltig. Wünschenswert wären auch ein paar Worte des Autors selber über seine Recherchearbeit und einige zusätzliche Informationen über Gewalt an englischen Schulen gewesen. Als Thriller sehe ich „Ein toter Lehrer“ übrigens nicht. Eher als gesellschaftskritischen Roman, der sein Ziel knapp verfehlt hat.
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  • Habe mir das Buch aus der Bücherei ausgeliehen :-]
    Ausschlaggebende Gründe, warum es mit musste:


    Das Zitat von Sebastian Fitzek
    und das tolle Cover :-]


    Das Buch wird aus mehreren Sichtweisen beschrieben.
    Zum einen aus der Sicht der Kommisarin Lucia und zum anderen aus den Zeugenaussagen. Ein Buch das den Leser zerwühlt zurücklässt und man noch lange was zum nachdenken und grübeln hat :gruebel


    Ein tolles Buch
    ich würde mich auf weitere von diesem Autor sehr freuen :wave

  • Dieses Buch hinterlässt ein offenes Ende, für wen soll es gut und für wen soll es nicht gut ausgehen. Mit diesem Gedanken wird der Leser aus diesem Buch entlassen.

    Wie weit kann man gehen, ab wann macht ein Kampf um Recht und Ordnung keinen Sinn und wann ist die öffentliche Aufmerksamkeit mehr wert, wie ein richterliches Urteil?

    Ein Buch mit vielen offenen Fragen, ein Buch mit einem Hang zur Dramatik, aber Simon Lelic bekommt stets rechtzeitig die Kurve, um nicht zu dramatisch zu wirken.


    In diesem Buch geht es um so viel mehr, als nur Gerechtigkeit. Die Macht und das Gefühl von Versagen wird hier sehr demonstrativ vorgeführt. Viele Beobachter, aber kein Kläger. Keiner sagt etwas und alle sehen es. Es geschieht vor aller Augen, doch ab wann soll eingegriffen werden, wenn Wegschauen viel einfacher ist!?


    Ich vergebe 9 von 10 Punkten, da zu viele offene Fragen für mich zurückbleiben.