Guttenberg - Der Werteverfall in dieser Gesellschaft hat einen Namen

  • Hallo ich oute mich hier als Vollpfosten - mir ist Guttenberg immer noch sympathisch. Vielleicht, weil ich zum nicht (mehr) akademischen Fußvolk der Republik gehöre.


    Ich stelle mir folgende Frage als Laie (und das meine ich auch ernst):
    - Sind solche Überprüfungen tatsächlich üblich bzw. aus welchen Gründen werden diese angeleiert?
    - Warum merkt bei der Prüfung der Dissertation niemand, dass abgeschrieben wurde und Herrn Guttenberg wird der Doktortitel verliehen?


    Ich persönlich sehe Guttenberg als Person, die aus dem Einheitsbrei heraussticht. Dass er wohl einen Fehler (und zwar einen großen) gemacht hat, bezweifle ich nicht. Ist mir aber trotzdem lieber als eine Kanzlerin, die zu nichts Stellung bezieht, im Normalfall mit den Wölfen heult und peu a peu versucht (mit Erfolg) mögliche Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. Momentan habe ich (nicht vergessen: nicht-akademischer Vollpfosten) den Eindruck, als ob sich Frau Merkel bzw. der Rest des Kabinetts nur noch um des Regierens Willen an die Macht klammert, ohne die kleinsten Akzente zu setzen!


    Ist nur meine Meinung, dürft ihr gerne zerreissen :wave

    Büchereulen sind Listen-Fetischisten :chen


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  • Anhand von Snorres Beitrag möchte ich mal aufgreifen, dass ich hier niemanden in dieser Diskussionsrunde, außer KTMNJJPFJS F v.u.z.G., als "Vollpfosten" bezeichnet habe. Aus meiner Sicht soll ruhig jeder seine Meinung haben dürfen, ich beschimpfe niemanden, der eine andere Meinung als die meinige vertritt. Sowas macht nur die Bildzeitung. :grin

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Hallo,


    war gar nicht auf Dich bezogen. Nur der allgemeine Tenor im Thread war doch leicht durchzogen von einer Einstellung "Nicht-Akdemiker haben keine Ahnung". Und das finde ich nicht okay. Ich habe auch mal studiert und dann abgebrochen :-]


    Und auch noch folgendes (einige hier im Thread dürfen sich angesprochen fühlen): nur weil man durch sein rhethorisches Geschick in der Lage ist, einen Sachverhalt ins Überdimensionale aufzublähen und mit gestelzten Worten um sich wirft, hat man nicht unbedingt immer Recht. Nur mal als Denkanstoss.

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  • @ Snorre: Sorry, den Ausdruck "Vollpfosten" habe ich gar nicht hier, sondern bei einer z.G- Diskussion bei Facebook verwendet. :nerv :grin


    Mir reichts jetzt auch, das Thema hat mich den ganzen Tag auf allen Kanälen penetriert, das ist es nicht wirklich wert und ich bin jetzt auch fertig damit. :grin Nix für ungut, Snorre. :keks

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von Snoore
    Und auch noch folgendes (einige hier im Thread dürfen sich angesprochen fühlen): nur weil man durch sein rhethorisches Geschick in der Lage ist, einen Sachverhalt ins Überdimensionale aufzublähen und mit gestelzten Worten um sich wirft, hat man nicht unbedingt immer Recht. Nur mal als Denkanstoss.


    Redest du hier von zu Guttenberg?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von Bernard
    Von daher:
    Es ist richtig, dass Herr zu Guttenberg den Doktortitel nicht mehr hat.
    Alle Forderungen darüber hinaus waren von einer Scheinheiligkeit geprägt, die Übelkeit verursacht. Um sie glaubwürdig zu machen, müsste man großflächig ausmisten - und da sind unsere Politiker auch nur Spiegel unserer Gesellschaft.


    :write
    Danke. Das sehe ich ganz genauso.

  • Zitat

    Original von agu


    :write
    Danke. Das sehe ich ganz genauso.


    Ich sehe das ein wenig anders: Klar, manch einer aus den Medien oder der Politik hat schon sehr sehr weit ausgeholt mit der "Moralkeule", sodass man manch einem Scheinheiligkeit vorwerfen kann.


    Aber man darf nicht vergessen,wie die Debatte angefangen hat: Als die ersten Berichte über ein womögliches Plagiat erschienen, wurde lediglich erwartet, dass Guttenberg dazu Stellung nimmt. Das tat er aber nicht. Als erneut mehrere zusammengeschusterte Textstellung gefunden wurde, verlangte man, dass Guttenberg der Titel aberkannt wird. Was geschah: Das passierte nicht zügig genug, sodass Guttenberg sich als beispielgebend und vorbildlich inszeniert hat und seinen Doktortitel "vorübergehend, ich betone vorübergehend"(Zitat Guttenberg) auf den Titel verzichtet. Im Laufe der Stunden/Tage wurden immer und immer mehr Textstellen gefunden, die den Verdacht eines Plagiats verschärften. Nach wie vor hatte Guttenberg aber weiterhin trotz der erdrückenden Beweise behauptet, dass seine Doktorarbeit weitesgehend völlig in Ordnung und kein Plagiat ist. Selbst im Bundestag hat er seine Lügen (und nichts anderes sind es) verbreitet und jedwede Schuld von sich gewiesen. Selbst als ihm schließlich der Doktortitel entzogen wurde, stellte er sich als Vorbild für die Menschen und Opfer der Machenschaften der Opposition und Medien dar.


    Erst durch das nicht aufhörenwollende Lügen seitens Guttenberg wurde aus der zu Beginn noch recht sachlichen Debatte eine Debatte über Anstand und Moral. Denn, so der Tenor, wenn man einen Fehler macht ist das menschlich. Aber man sollte dann auch dazu stehen.


    Genau das tat und tut Guttenberg bis heute nicht. Er belog die Öffentlichkeit und auch das Parlament bewusst und über eine langen Zeitraum. Daher ist der Rausschmiss/Rücktritt nur folgerichtig und keineswegs übertrieben, geschweige eine Folge einer scheinheiligen Debatte.

  • Zitat

    Original von Snoore
    Hallo,


    war gar nicht auf Dich bezogen. Nur der allgemeine Tenor im Thread war doch leicht durchzogen von einer Einstellung "Nicht-Akdemiker haben keine Ahnung". Und das finde ich nicht okay. Ich habe auch mal studiert und dann abgebrochen :-]


    Und auch noch folgendes (einige hier im Thread dürfen sich angesprochen fühlen): nur weil man durch sein rhethorisches Geschick in der Lage ist, einen Sachverhalt ins Überdimensionale aufzublähen und mit gestelzten Worten um sich wirft, hat man nicht unbedingt immer Recht. Nur mal als Denkanstoss.


    Es geht nicht darum, ob Nicht-Akademiker grundsätzlich keine Ahnung haben, oder ob sie verstehen, wie eine Dissertation funktioniert und aufgebaut werden muss.
    Ich selbst muss gestehen auch nur eine Grundahnung zu haben, da ich nur Master und Mastère Spécialisé gemacht habe.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Genau genommen wundert es aber nicht, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Lande kaum etwas Verwerfliches an Guttenbergs Handeln finden. Schließlich ist dieser Guttenberg die Personifizierung der Sehnsucht der Deutschen nach dem starken Mann, die (geheime) Sehnsucht der Deutschen nach einem „neuen Wilhelm“ sprich Monarchen. Was kann man aber auch von einem Volk erwarten, das Sendungen wie DSDS oder „Wetten das…..“ als kulturelle Highlights ansehen, einem Volk das mit Namen wie Thomas Mann, Ludwig van Beethoven, Immanuel Kant kaum etwas anzufangen weiß.


    Mich wundert es auch nicht, dass die Mehrheit in diesem Lande kaum etwas Verwerflichliches an Guttenbergs Handeln findet.
    Den Grund dafür vermute ich aber weniger in der Sehnsucht nach einem "neuen Wilhelm" als ganz einfach darin, dass die Mehrheit in diesem Lande zwar den Begriff "Doktortitel" kennt, aber weder selbst noch in nächster Umgebung mit einer "Doktorarbeit" zu tun hatte, mit dem Begriff "Abschreiben" jedoch aus der eigenen Schulzeit bestens vertraut ist.
    Dass die Erregung deshalb unter Akademikern größer ist, erscheint mir fast logisch.


    Genauso logisch, wie das Plagiat von Jürgen Meister, mit der er die Ausschreibung für das Mahnmal in Duisburg gewann, die Mehrheit der Akademiker weniger erregte als die Kunstszene.
    Meister nahm seinen Entwurf zurück, ich denke aber doch, dass er weiter unterrichten darf.


    Die Begeisterung um Guttenberg habe ich nie geteilt und ich lehne ab, was er da geliefert hat, aber ich bin zu nüchtern, um zu glauben, dass jeder Abgeordnete in seiner Vergangenheit ein echter Heiliger war. Dann bräuchten wir wohl sehr wenige Sitzplätze im Bundestag....

  • Im Grunde muss man Dich, Piranha, dazu beglückwünschen, dass Du Dich darüber echauffieren kannst, wenn ein Politiker lügt. Das zeigt, dass Du das nicht als Selbstverständlichkeit ansiehst.
    Das Problem daran, solche Maßstäbe wie "Politiker dürfen nicht lügen, wenn sie ein Amt bekleiden wollen" anzulegen, besteht meines Erachtens darin, dass es die Menge der für ein Amt zur Verfügung stehenden Leute gegen Null gehen lässt. Auch ich würde mir wünschen, von Leuten regiert zu weren, die insgesamt nach meinen Moralvorstellungen vorbildlich leben und daher einen Vorbildcharakter haben. Noch wichtiger ist mir allerdings, dass sie ihren Regierungsjob gut machen. Ich finde es beispielsweise nicht schön, wenn ein Ministerpräsident korrupt ist, aber wir hatten in Deutschland schon bis auf die Knochen korrupte Ministerpräsidenten, die ihr Land in erstaunlichem Maße nach vorn gebracht haben. Ob die Bevölkerung mit ihren Methoden einverstanden ist, sollte dann bei der nächsten Wahl entschieden werden. Hier steht es dann frei, jemanden zu wählen, der moralisch integer ist, dafür aber vielleicht andere Eigenschaften nicht besitzt, die man sich ebenfalls für ein solches Amt wünschen würde. Die Gewichtung der Kriterien obliegt dem Wähler.
    Auf den Fall zu Guttenberg bezogen: Aus meiner Sicht hat er etwas getan, was sehr viele Leute gerade im Wissenschaftsbetrieb ebenfalls tun, nämlich sich akademisch unredlicher Mittel bedient (diese Einschätzung habe ich in meinem ersten Posting begründet). Das war falsch und es ist zu ahnden. Außerdem hat er sich ziemlich charakterlos bei der Aufklärung dieser Sache verhalten. Das ist für mich aber nicht "formal justiziabel" - wenn ein Angeklagter lügt, dass sich die Balken biegen, ist das für mich verständlich. Ob diese Charakterschwäche etwas ist, was ihn in Summe unwählbar macht, hätte besser der Wähler entschieden, und zwar bei der nächsten Wahl.
    Anders wäre es lediglich dann gewesen, wenn sein Vergehen in Verbindung mit seinem Amt gestanden hätte - wenn er beispielsweise für den KGB spioniert hätte, wäre er ein schlechter Verteidigungsminister gewesen.

  • Gestern abend befasste sich diese Sendung auch mit unserem Thema.
    Ich hatte ein AHA-Erlebnis:
    Als zu Guttenberg vor einiger Zeit mit Ehefrau und Kerner nach Afghanistan gereist ist, dachte ich mir "Hat das nun sein müssen? Mit Ehefrau und Talkmaster ins Kriegsgebiet?" Aber weil mich dieser Mann, wie ja oben bereits geschrieben, eigentlich nicht sonderlich interessierte (und seine Ehefrau und Herr Kerner noch weniger), ging ich gedanklich rasch "zum Tagesgeschäft" über.
    Gestern kam heraus, dass das Projekt "Verteidigungsminister reist mit Talkshow nach Afghanistan" bereits eine Weile VOR zu Guttenbergs Amtsantritt angeleiert wurde - also nicht von diesem "mediengeilen Selbstdarsteller" initiiert worden ist!
    Und weiter:
    Die Begleitung seiner Ehefrau wurde von den Soldatinnen überwiegend positiv aufgenommen, die Damen schätzten es, mal von Frau zu Frau plaudern zu können.
    Warum es denn dann aber nach der Rückkehr in der Presse nicht um die Belange der Soldatinnen gegangen sei, sondern fast nur darum, ob sie nun pro oder contra Ehefraubegleitung wären?
    Tja (und daran erinnere ich mich zufällig ganz genau, weil ich nämlich bis dahin keine Ahnung hätte, wer die Dame ist!), das war deshalb, weil die Opposition den Ehefraubegleitservice sofort zum Thema gemacht habe und einer der Anführer (ich hab vergessen, wer es war, erinnere mich aber an die Erklärung als solche wie gesagt genau) sogar gesagt habe, dass er es hätte ja verstehen können, wenn zu Guttenberg eine gewisse Frau Katzenberger mitgenommen hätte, weil die Soldaten dann wenigstens etwas für den Spind gehabt hätten.
    Na bravo.
    Aber es macht sich natürlich schön, einem wegen seiner Popularität beneideten Mann bei jeder Gelegenheit "ans Bein zu pinkeln" zu versuchen.
    Ich glaube, ich weiß jetzt auch, warum zu Guttenberg nach wie vor bei großen Teilen der Bevölkerung so beliebt ist (und das vermutlich auch bleiben wird, selbst wenn ihm Betrug nachgewiesen wird).
    Weil der Bevölkerung ein betrogen habender zu Guttenberg trotzdem noch sympathischer ist als die neidvoll hämisierenden Alternativen.
    Und das kann ich in gewissem Maße sogar nachvollziehen.
    Das ist nämlich auch wieder unser Threadthema: Werteverfall. Nur aus anderer Perspektive betrachtet :-)

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Mich wundert immer wieder - nicht nur im Fall Guttenberg - wie leicht Menschen jemandem folgen, der absolut von sich überzeugt ist, den richtigen "Stallgeruch" hat, und bevorzugt dann auch noch ein Mann ist. Offensichtlicher monetärer Erfolg unterstützt die Einschätzung "der Typ wirds schon machen, der ist intelligent".


    Merkwürdig :gruebel Um Inhalte geht es meines Erachtens häufig gar nicht.


    Sind wir einfach interessiert an vermeintlich einfachen Lösungen?

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Als zu Guttenberg vor einiger Zeit mit Ehefrau und Kerner nach Afghanistan gereist ist, dachte ich mir "Hat das nun sein müssen? Mit Ehefrau und Talkmaster ins Kriegsgebiet?" Aber weil mich dieser Mann, wie ja oben bereits geschrieben, eigentlich nicht sonderlich interessierte (und seine Ehefrau und Herr Kerner noch weniger), ging ich gedanklich rasch "zum Tagesgeschäft" über.
    Gestern kam heraus, dass das Projekt "Verteidigungsminister reist mit Talkshow nach Afghanistan" bereits eine Weile VOR zu Guttenbergs Amtsantritt angeleiert wurde - also nicht von diesem "mediengeilen Selbstdarsteller" initiiert worden ist!



    Über ein Jahr im Voraus wurde das geplant? Respekt!


    Edith hat den Zeitraum berichtigt, der aber immer noch lang genug ist um unglaubwürdig zu sein.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

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  • Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass man einige Soldatinnen und Soldaten vor irgendwelche Fernsehkameras geschleift hat, deren Äußerung zu Guttenberg ausnahmslos positiv waren.


    Dazu muss man wissen, dass es keiner Soldatin und keinem Soldaten gestattet ist, in Uniform vor den Medien aufzutreten, es sei denn, es besteht eine Ausnahmegenehmigung oder die betreffende Soldatin oder der betreffende Soldat ist Presseoffizier. Wird es einem Angehörigen der Bundeswehr gestattet ein Statement in Uniform abzugeben, so kann man sicher sein, dass die Statements natürlich inhaltlich voll im Sinne der Vorgesetzen sind. Keine Soldatin und kein Soldat wird hier die eigene Karriere gefährden.


    Die Hierarchien und Befehlsstrukturen bei der Bundeswehr sind sehr starr und zeichnen sich keinesfalls durch Flexibilität aus. Zudem ist es einer Soldatin und einem Soldaten auch gesetzlich nicht gestattet, öffentlich gegen Vorgesetzte aufzutreten, Vorgesetzte öffentlich zu kritisieren. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist hier eingeschränkt. Soldatinnen und Soldaten sind in ihren Grundrechten teilweise beschränkt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass man einige Soldatinnen und Soldaten vor irgendwelche Fernsehkameras geschleift hat, deren Äußerung zu Guttenberg ausnahmslos positiv waren.


    Dazu muss man wissen, dass es keiner Soldatin und keinem Soldaten gestattet ist, in Uniform vor den Medien aufzutreten, es sei denn, es besteht eine Ausnahmegenehmigung oder die betreffende Soldatin oder der betreffende Soldat ist Presseoffizier. Wird es einem Angehörigen der Bundeswehr gestattet ein Statement in Uniform abzugeben, so kann man sicher sein, dass die Statements natürlich inhaltlich voll im Sinne der Vorgesetzen sind. Keine Soldatin und kein Soldat wird hier die eigene Karriere gefährden.


    Die Hierarchien und Befehlsstrukturen bei der Bundeswehr sind sehr starr und zeichnen sich keinesfalls durch Flexibilität aus. Zudem ist es einer Soldatin und einem Soldaten auch gesetzlich nicht gestattet, öffentlich gegen Vorgesetzte aufzutreten, Vorgesetzte öffentlich zu kritisieren. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist hier eingeschränkt. Soldatinnen und Soldaten sind in ihren Grundrechten teilweise beschränkt.


    Kerner bezieht sich da aber nicht auf Interviews vor laufender Kamera, sondern er erzählt von Soldatinnen, die ihn während eines einstündigen Bummels über einen Weihnachtsmarkt unaufgefordert ins Gespräch gezogen und ihm ihre Eindrücke mitgeteilt haben.


    "Über ein Jahr im Voraus wurde das geplant? Respekt!
    Edith hat den Zeitraum berichtigt, der aber immer noch lang genug ist um unglaubwürdig zu sein." (Nachtgedanken)


    Kerner berichtet recht kurz, aber genau über die Entstehungsgeschichte.
    Ich habe mir eben die Wdh. der Sendung auszugsweise angesehen.
    Etwa bei Minute 38 beginnt die Sache, sie wird unterbrochen von einem Ausschnitt der Talkshow, der aus rechtlichen Gründen in der Wdh. nicht gezeigt werden darf, anschließend geht es dann um die Katzenbergeraussage und deren Folgen.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ich finde es erstaunlich, dass selbst in diesem Forum voller belesener Menschen der Fall Guttenberg immer noch mit Schwarzfahrern und Kettenrauchern verglichen wird. Ab wo wird denn unterschieden? Ab Mord? Oder dürfen wir auch keine Menschen mehr verurteilen, die einen Mord begangen haben, weil wir ja selbst im Kindergarten dem Peter das Nutellabrot weggenommen haben? Natürlich haben auch einige andere Politiker große schwarze Flecken auf der Weste und haben nicht den moralischen Anstand oder, wie in diesem Falle, genügend öffentlichen Druck, um zurückzutreten, aber ist das wirklich ein Grund, zu Guttenberg im Amt zu belassen? Mit dieser Argumentation würden wir wohl dann auch bald Ladendiebe und Mörder einfach laufen lassen – es gibt ja schließlich genug Leute, denen die Schuld nicht ausreichend nachgewiesen werden kann.


    Auch die noch relativ neue Idee (kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass es das vor dem letzten Sommer schon mal gab), dass Politiker nur dann gehen müssen, wenn sie auch juristisch belangt werden können, halte ich für haarsträubend. Wollen wir wirklich Politiker, die ungestraft in rechtlichen Grauzonen hantieren können und für ihre Taten keinerlei Verantwortung übernehmen, solange sie keine Gesetze übertreten? (ja, ich weiß, solche Politiker haben wir schon…) Ich jedenfalls nicht. Zudem ist mir persönlich völlig egal, ob Herr zu Guttenberg nun Vorsatz nachgewiesen werden kann oder ob er tatsächlich geistig nicht in der Lage ist, vergleichsweise einfachste Zitatskriterien (die sogar mir als unstudiertem nach zwei Wochen Bayreuther Doktorspiele klar sind) zu erfüllen – so oder so wurde genug getäuscht, um einen Rücktritt zu rechtfertigen.


    Dass sich ausgerechnet Herr zu Guttenberg bei seiner Abschiedsrede über die Medienkampagne mokiert, macht ihn für mich jedoch völlig zum Kirmesclown. Es gab mal einen Spruch von der Springerpresse, der lautete sinngemäß: Wer sich vom Boulevard nach oben pushen lässt, muss akzeptieren, dass er auch wieder runtergeschrieben werden kann. Ich habe den Spruch bis dato immer kritisiert, weil der Boulevard beim Bashing nicht unterscheidet, wen sie nach oben gebracht haben und wer auf anderen Wegen zum Star wurde, aber im Fall Guttenberg passt dieser Spruch wirklich mal wie die Faust aufs Auge.


    Nachdem aber der politische Akt des ganzen mit dem Rücktritt und der (aus meiner Sicht gelungenen) Nachfolgeregelung erstmal vom Tisch ist, bleibt nur zu hoffen, dass weiterhin auch an der Uni Bayreuth ermittelt wird, wie man so eine Arbeit akzeptieren konnte – bei den immer wiederkehrenden Äußerungen, ein solches Vorgehen sei absolut üblich, sollte die Politik und auch die Wissenschaft ein großes Interesse daran haben, den Stall auszumisten und die Doktorarbeiten besser zu kontrollieren. Zum Beispiel anhand einer unabhängigen Kommission, die stichprobenartig Doktorarbeiten gegenprüft? Natürlich nur, wenn der Umfang des Betruges tatsächlich in dem Maß stattfindet, der in der aktuellen öffentlichen Diskussion immer wieder unterstellt wird.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von maikaefer


    "Über ein Jahr im Voraus wurde das geplant? Respekt!
    Edith hat den Zeitraum berichtigt, der aber immer noch lang genug ist um unglaubwürdig zu sein." (Nachtgedanken)


    Kerner berichtet recht kurz, aber genau über die Entstehungsgeschichte.
    Ich habe mir eben die Wdh. der Sendung auszugsweise angesehen.
    Etwa bei Minute 38 beginnt die Sache, sie wird unterbrochen von einem Ausschnitt der Talkshow, der aus rechtlichen Gründen in der Wdh. nicht gezeigt werden darf, anschließend geht es dann um die Katzenbergeraussage und deren Folgen.


    Na, wenn der Kerner das sagt, dann wirds schon stimmen. Franz Josef Jung hätte bestimmt eine genauso gute Figur gemacht.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Zitat

    Original von LeSeebär
    Mit dieser Argumentation würden wir wohl dann auch bald Ladendiebe und Mörder einfach laufen lassen – es gibt ja schließlich genug Leute, denen die Schuld nicht ausreichend nachgewiesen werden kann.


    Wenn Du das Übertreten akademischer Regeln beim Erstellen einer Doktorarbeit in die Nähe eines Verbrechens wie Mord rückst, disqualifizierst Du Dich selbst für eine Diskussion über moralische Maßstäbe. Du erweist Dich als unfähig, Verhältnismäßigkeiten einordnen zu können. Um Deine Art der Argumentation aufzugreifen, könnte man fragen, ob es ab nun mit der Todesstrafe bedroht werden sollte, wenn jemand Kaugummipapier auf die Straße wirft.
    Es gibt Regeln, die gelten, wenn jemand bei einer Doktorarbeit unkorrekt vorgeht. Diese Regeln sind auch bei zu Guttenberg anzuwenden, beziehen sichaber nicht auf die Vergabe eines Ministeramts.

  • Zitat

    Original von Bernard
    Wenn Du das Übertreten akademischer Regeln beim Erstellen einer Doktorarbeit in die Nähe eines Verbrechens wie Mord rückst, disqualifizierst Du Dich selbst für eine Diskussion über moralische Maßstäbe. Du erweist Dich als unfähig, Verhältnismäßigkeiten einordnen zu können.


    Ich wollte nur mit einem Gegenbeispiel klarmachen, wie absurd es ist, Guttenbergs Verhalten mit dem Rauchen von Schmidt, der Fettleibigkeit Gabriels oder dem Schwarzfahren, spicken in der Schule oder der nicht-reklamation eines zu hohen Wechselgeldes gleichzusetzen.


    Zitat

    Es gibt Regeln, die gelten, wenn jemand bei einer Doktorarbeit unkorrekt vorgeht. Diese Regeln sind auch bei zu Guttenberg anzuwenden, beziehen sichaber nicht auf die Vergabe eines Ministeramts.


    Das ist die gleiche Argumentation wie bei Frau Merkel - "ich habe einen Minister eingestellt, keinen wissenschaftlichen Assistenten". Ich finde schon, daß es für ein Regierungsamt wichtig ist, wie ein Doktortitel erworben wurde, selbst wenn es ein völlig fachfremder Doktortitel wäre.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)