Abschied von Rock Harbor - Rebecca Chace

  • Gebundene Ausgabe: 285 Seiten
    Verlag: Bloomsbury (5. Februar 2011)
    ISBN: 978-3827009401
    Originaltitel: Leaving Rock Harbor
    Preis: € 19,90


    Pressestimmen
    "Frankie verführt uns von der ersten Seite an und lässt uns bis zum Schluss nicht mehr los." (Richard Russo)

    Kurzbeschreibung
    Die hübsche Frankie ist hin- und hergerissen zwischen zwei jungen Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch eines Tages muss sie sich entscheiden - und lernt, ihren eigenen Weg zu gehen. Rebecca Chace erzählt eine faszinierende Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Booms der amerikanischen Baumwollindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sommer 1916 in Rock Harbor, Neuengland. Als die zwei jungen Männer Frankie abholen, um sie zu einem Ausflug an den Strand mitzunehmen, ahnt sie nicht, dass sie sich eines Tages wird entscheiden müssen: zwischen dem ernsthaften, sensiblen Portugiesen Joe, der gemeinsam mit ihrem Vater in der Baumwollfabrik arbeitet, und dem weltgewandten, charmanten Winslow, Sohn des Fabrikbesitzers Curtis. Es ist ihr erster Ausflug ans Meer, die Luft riecht nach Freiheit und Abenteuer, nach Aufbruch. Und tatsächlich beginnt eine Zeit des erotischen und politischen Erwachens. Denn Frankie genießt nicht nur die extravagante, luxuriöse Welt der Curtis-Dynastie, sie interessiert sich auch für den Arbeitsalltag in der Fabrik, für dessen Verbesserung Joe kämpft. Als die politischen Gegensätze zwischen Winslow und Joe immer brisanter werden, muss auch Frankie ihr Leben neu überdenken.



    Meine Meinung:
    Die amerikanische Baumwollindustrie in den 1920/30er Jahren bildet den geschichtlichen Hintergrund der in Neuengland spielenden Geschichte.


    Frankie 15 jährig, neugierig und unerfahren freundet sich mit zwei völlig gegensätzlichen Jungen an. Da ist Winslow, Sohn des Fabrikbesitzers in der auch ihr Vater als Kupferstecher arbeitet und Joe, portugisischer Abstammung und ebenfalls Arbeiter in der Fabrik. Durch die anfangs zögerliche Freundschaft mit den beiden Jungen lernt Frankie auch die unterschiedlichen Welten kennen in denen diese sich bewegen.
    Mit der Zeit entwickelt sich sowas wie ein politisches Bewußtsein bei ihr, sie ist aber auch gegenüber den Reizen der "besseren Gesellschaft" nicht unempfänglich.
    Nachdem sie mit den Jungs einige Zeit verbracht und beide auch besser kennengelernt hat wird Joe vom Militär einberufen und nach Europa geschickt. Dadurch wird keine bewußte Entscheidung von ihr verlangt, denn während Joes Abwesenheit kommen sich Winslow und Frankie näher...und eines Tages erreicht sie ein Brief in dem ihr mitgeteilt wird, dass Joe schwer verletzt wurde....


    Fazit:
    Ein schöner Schmöker, leicht geschrieben und informativ was die Fabriken und Gewerkschaften der damaligen Zeit betrifft. Die Mißstände in der baumwollverarbeitenden Industrie werden von der Autorin genauso unter die Lupe genommen wie das gesellschaftliche Leben derer, die diese Fabriken betreiben und damit ungeahnten Reichtum anhäufen.


    Für diese unterhaltsamen Lesestunden bekommt das Buch von mir 8 Punkte.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zum Inhalt:
    Der Umzug ihrer Familie von Poughkeepsie an der amerikanischen Ostküste nach Rock Harbor sollte für Frances immer mit dem Selbstmordversuch ihres Vaters verbunden bleiben. Der Vater arbeitete nun wieder als Kupferstecher in einer Baumwollfabrik, aber die Verantwortung, auf ihn aufpassen zu müssen, lastete auch hier wieder auf Mutter und Tochter. Frances erzählt ihre Geschichte aus der Distanz, sie ist inzwischen Mitte 30. Obwohl auch andere Schüler aus Arbeiterfamilien stammten, fühlte sie sich unattraktiv und als Außenseiterin in ihrer Klasse. Auf den Unterschied zwischen Einheimischen und "Portugiesen" wurde großer Wert gelegt, auch wenn man Tür an Tür wohnte und zusammen arbeitete. Durch den charmanten und bei allen beliebten "Portugiesen" Joe Barros lernt Frankie Winslow Curtis kennen, den Sohn des Fabrikbesitzers. Joe umgarnt äußerst raffiniert Frankies Mutter, damit Frankie die Erlaubnis erhält, mit Winslow, dessen Schwester und Joe ans Meer zu fahren. Frankie kann weder schwimmen, noch hat sie einen Badeanzug. Wir sind im Jahr 1916, Frauen trugen ein Korsett und gingen nicht ohne Hut aus dem Haus, die Röcke reichten bis zum Knöchel. Die Freundschaft mit Joe und Winslow zeigt Frankie, dass ihr Platz in der Gesellschaft und besonders der von Joe als "Portugiese" durch ihre Herkunft streng festgelegt ist. Als Frankie ihrem Vater sein Essen in die Fabrik bringt, erwacht ihr Interesse an den Abläufen in der Textilindustrie. Obwohl die junge Frau durch ihre Freundschaft zu Joe und Winslow sehr unkonventionell wirkt, empfand ich die Diskussion über die geplante Automatisierung der Stoffproduktion aufgesetzt. Frankie dient der Autorin als Stichwortgeberin, um die (sorgfältig recherchierten) Details zu den Arbeitsbedingungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts unterzubringen.


    Wer auf der richtigen Seite der Stadt geboren wurde, wird nicht zur Armee eingezogen. Während Joe im Ersten Weltkrieg als Soldat in Europa dient, nützt Winslow die Gelegenheit, Frankie einen Heiratsantrag zu machen. Die junge Frau mit den für ihre Zeit ungewöhnlichen Freiheiten liebt Joe und heiratet Winslow. Dass ein Arbeiter portugiesischer Herkunft für sie als Ehepartner nicht in Frage kommt, nimmt sie unwidersprochen hin. Ihre Passivität verwundert, wirkte Frankie doch bisher recht aufsässig. Als Joe kriegsversehrt aus Europa zurückkehrt, droht in der Fabrik im Vorfeld der Weltwirtschaftskrise gerade ein Streik. Joe und Frankies Vater arbeiten als Gewerkschafter aktiv im Organisations-Kommitee des Streiks mit. Selbst Frankie verlässt für die Streikvorbereitung ihren Elfenbeinturm als Frau eines wohlhabenden Ehemanns. Den Bankrott ihrer Fabrik im Vorfeld der Wirtschaftskrise überstehen Frankie und Winslow erstaunlich problemlos.


    Fazit:
    "Abschied von Rock Harbor" kam als Teil meiner Sammlung von Romanen ins Bücherregal, die in den Neuenglandstaaten der USA spielen. Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Frances und zwei jungen Männern, Frances Vernunftehe und ihr Schicksal während der Weltwirtschaftskrise finden vor der authentischen Kulisse der Textilindustrie im südlichen Massachusetts statt. Rebecca Chase vermittelt die Lebensbedingungen jener Zeit eindringlich und mit sorgsam recherchierten Details. Die Verknüpfung des sozialgeschichtlichen Hintergrunds (Kampf ums Frauenwahlrecht, Kinderarbeit, Arbeitssicherheit, Automatisierung) mit dem Schicksal der Hauptfigur Frankie fand ich nicht immer gelungen. Sie wirkt in einigen Szenen zu gezwungen. Auch Frankies persönliche Enwicklung, die die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg passiv als Ehefrau in wohlhabenden Verhältnissen verbringt, hat mich nicht überzeugt. Dass sie sich als Unternehmergattin an der Seite ihres Vaters aktiv im Textilarbeiterstreik engagiert, scheint ihr Mann ohne Diskussion hinzunehmen. Über Frankies Dreiecksbeziehung habe ich dennoch mit großem Vergnügen gelesen, weil mich die Atmosphäre des Küstenortes fesselte.