Eva Baronsky - Magnolienschlaf

  • Inhalt:
    Ein kleines altes Haus am Rande der Großstadt und zwei Frauen, wie sie verschiedener nicht sein könnten: Wilhelmine und Jelisaweta trennt so viel mehr als 68 Lebensjahre. Jelisaweta ist 23 und für ein paar Wochen aus Smolensk nach Deutschland gekommen, um Wilhelmine zu pflegen, die seit einem Unfall an ihr Bett gefesselt ist. Doch was als scheinbar ideales Arrangement beginnt, gerät bald außer Kontrolle und wird zu einem Kleinkrieg, in dessen Verlauf die beiden Frauen sich auf grausam-weibliche Weise attackieren. Am Ende wird jede auf die Frage zurückgeworfen, was man mit sich anfängt, nachdem man der Wahrheit ins Auge gesehen hat. Denn Schuld wartet nicht auf Kläger, Sühne braucht keinen Richter, und der Krieg ist nicht vorbei, nicht für die Greisin und nicht für das Mädchen. Der Krieg hat gerade erst angefangen. (Quelle: Aufbau Verlag)


    Die Autorin:
    Eva Baronsky, 1968 geboren, lebt im Taunus. Für ihren ersten Roman »Herr Mozart wacht auf« (2010) erhielt sie den Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe. Im Frühjahr 2011 erscheint ihr zweiter Roman »Magnolienschlaf«. (Quelle: Aufbau Verlag)


    Gebunden, 224 Seiten
    Aufbau Verlag
    978-3-351-03338-5
    17,95 €


    Meine Meinung:
    Eva Baronsky erzählt in ihrem Roman "Magnolienschlaf" die Geschichte von der 91-jährigen Wilhelmine und der 23-jährigen Jelisaweta.
    Wilhelmine ist seit dem Unfall bettlägerig und muss gepflegt werden. Ihren Verwandten fällt sie eher zur Last.
    Als Pflegerin engagiert Karin, eine etwas ruppige Verwandte von Wilhelmina, die junge Russin Jelisaweta. Diese stammt aus Smolensk und möchte zum einen etwas Geld dazuverdienen, zum anderen möchte sie ihrer herrschsüchtigen Mutter entkommen.
    Anfangs geht noch alles gut und die alte Frau ist zufrieden mit der zurückhaltenden Art von Jelisaweta, die ihre Arbeit gut erledigt. Beide verstehen sich auf ruhige Art und Weise.
    Jedoch ändert sich Wilhelmines Meinung, als sie die junge Frau russisch sprechen hört. Sie will nicht mehr von ihr gepflegt werden; glaubt, bestohlen zu werden und bezeichnet Jelisaweta als "Drecksrussin". Jelisaweta reagiert mit Wut und Trotz auf diese Anschuldigung.
    Im Laufe der Geschichte kommt immer mehr die Vergangenheit von Wilhelmine und von Jelisaweta zum Vorschein.
    Jelisawetas Großmutter Babka wurde im zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten vergewaltigt - in Smolensk fand 1941 eine Kesselschlacht zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee statt.
    Auch Wilhelmine hat Schreckliches im Krieg erlebt, hatte Angst vor einer Vergewaltigung durch die Russen.
    Erst am Ende des Romanes gelingt eine Annäherung. Auch Wilhelmines Schicksal erfährt der Leser erst am Ende des Romanes, dieses möchte ich aber hier noch nicht verraten.


    Eva Baronsky ist ein feinfühlig, intensiv geschriebener Roman über zwei unterschiedliche Frauen gelungen, den ich gerne gelesen habe.
    Ihr Debütroman Herr Mozart wacht auf hat mir auch schon gefallen.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Oh, das hört sich gut an - vielen Dank Conor für die schöne Rezi.
    Ich nehme nächste Woche mit diesem Buch an der Leserunde teil und freue mich jetzt noch mehr auf das Buch :wave

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Oh, das hört sich gut an - vielen Dank Conor für die schöne Rezi.
    Ich nehme nächste Woche mit diesem Buch an der Leserunde teil und freue mich jetzt noch mehr auf das Buch :wave


    :write

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Meine Rezension
    Wilhelmine war bis vor kurzem noch durchaus rüstig und in der Lage, sich selbst zu versorgen. Doch nach einem Sturz ist sie an ihr Bett gefesselt. Ihre anscheinend einzige Verwandte, ihre Nichte Karin, kümmert sich nur ungern und auch nur mehr schlecht als recht um sie. Doch da naht Hilfe: die junge Krankengschwester Jelisaweta, die zu einem Dumpingpreis dazu bereit ist, Wilhelmine anständig zu versorgen und ihr den Haushalt zu führen.


    Doch sobald Wilhelmine von Lisas Herkunft erfährt, brechen alte Traumata aus Kriegstagen auf und sie fordert hysterisch, die Russin soll das Haus verlassen. Aber auch Jelisaweta hat Geister der Vergangenheit zu bekämpfen und so spitzt sich die Situation zwischen den beiden Frauen jeden Tag ein wenig mehr zu.


    Zwar konnte ich mir weder Wilhelmines extreme Ablehnung noch Jelisawetas Verhalten wirklich schlüssig erklären, doch das war für mich nicht weiter schlimm. Das Kammerspiel der beiden Frauen ist verstörend und beunruhigend.


    Doch obwohl wirklich alle Protagonisten entweder maßlos unsympathisch waren (wie Karin) oder sich von ihren denkbar schlechtesten Seiten gezeigt haben (Lisa, Wilhelmine), hat mich das nicht wie bei vielen anderen Büchern genervt, sondern es passte irgendwie zur Stimmung des Buches dazu.


    Auch wenn die Figuren schon sehr überzeichnet waren, empfand ich das Buch als interessant und gut zu lesen. Hier liegt allerdings auch in der Kürze die Würze – hätte das Buch 50 Seiten mehr gehabt, hätte das Buch für mich wegen der beinahe durchweg negativen Ausstrahlung durchaus auch kippen können. Doch so war es eine interessante Geschichte, die ich nicht schlecht fand („gut gefallen“ kann ich angesichts der Ereignisse irgendwie nicht schreiben…) und die ich auch innerhalb von kaum zwei Tagen durch hatte.


    Ganz anders als Eva Baronskys Erstling, aber mindestens ebenso interessant.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Lisa kommt aus Russland um sich um Wilhelmina zu kümmern, die seit einem Sturz nicht mehr aufstehen kann. Am Anfang verstehen die beiden Frauen sich ganz gut, Lisa ist aussergewöhnlich fleissig und Wilhelmina ist dankbar und froh. Bis dahin wurde Wilhelmina von einer genervten Karin, einer Verwandten betreut, die ihr jeden Tag den gleichen Doseneintopf hingestellt hat und sich auch sonst so wenig wie möglich gekümmert hat.
    Der Friede endet, als Wilhelmina herausfindet, dass Lisa Russin ist. Die Frauen bekriegen sich und mache sich das Leben gegenseitig zur Hölle.


    Die Geschichte ist sehr vielschichtig geschrieben, jede Person hat ihre guten und auch ihre sehr schlechten Seiten. Jede Handlung ist immer sehr verständlich beschrieben, jederzeit konnte ich mich problemlos in die Personen hineinversetzen und ihre Reaktion nachvollziehen.


    Das Buch ist traurig, gefühlvoll, sehr intensiv aber auch verstöhrend durch die Bösartigkeit mit der sich beide Frauen bekämpfen.

  • Jelisaweta kommt aus Russland nach Deutschland, um eine alte Frau zu pflegen, die letzten Herbst von der Leiter gestürzt ist und sich seither nicht mehr selbst versorgen kann. Wilhelmine ist einundneunzig Jahre alt und noch ganz klar im Kopf - nur der Körper will halt nicht mehr so recht... Bisher wurde sie von ihrem Neffen Dieter und dessen Frau Karin mehr schlecht als recht verpflegt: immer nur Pichelsteiner Eintopf aus der Dose. Da kommt Jelisaweta gerade Recht, sie fängt sofort nach der 35-stündigen Reise an zu putzen und auch zu kochen. Wilhelmine ist glücklich und zufrieden, bis sie bemerkt, dass Jelisaweta aus Russland kommt. Zu schlimme Erfahrungen hat sie im Krieg mit diesem Volk gemacht...


    Aber auch Jelisaweta trägt dunkle Familiengeschichten mit sich herum, die sie selbst auch erst im Laufe ihres Aufenthaltes bei Wilhelmine zu entschlüsseln lernt. Aber bevor es so weit kommt, beginnt erst einmal ein unbarmherziger Kleinkrieg zwischen den beiden Frauen - und jede von ihnen versteht es auf ihre Art und Weise unerbittlich zu kämpfen!


    Eva Baronsky zeigt deutlich die jeweiligen Standpunkte und Gefühlslagen der beiden Frauen, die erschütternd und verstörend sind - und nach und nach lichtet sich der Nebel, der über der Vergangenheit liegt...


    [SIZE=7]Edit hat Satzzeichen verbessert.[/SIZE]

    Liebe Grüße :wave


    Waldmeisterin


    Every day I give my family two choices for dinner: take it or leave it!


    Nulla unda tam profunda quam vis amoris furibunda

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  • Ich habe dieses Buch in einer Leserunde gelesen und es gefiel mir noch besser als sein Vorgänger "Herr Mozart...", obwohl man die beiden Bücher eigentlich kaum miteinander vergleichen kann.
    Zum Inhalt wurde ja schon einiges geschrieben: In einer kleinen Welt findet eine Art kleiner Weltkrieg statt, zwar nur zwischen zwei Frauen, aber dafür sehr erbittert. Die Autorin arbeitet mit Rückblenden und versorgt uns sehr geschickt häppchenweise mit Puzzlestückchen (übrigens hatte sie uns freundlicherweise "eine angenehme Lektüre" gewünscht, was ich wirklich nett von ihr fand. Noch viel mehr hätte ich mich jedoch über ihre Teilnahme an der Leserunde gefreut, z. B. hätte mich wirklich brennend interessiert, wie sie auf die Idee zu dieser sehr berührenden Geschichte gekommen ist). Langsam entsteht ein Bild, entsteht ein gewisses Verständnis für die Re-Aktionen der beiden Protagonistinnen.
    Wie oben schon gesagt wurde, hätte das Buch nicht viel dicker sein dürfen, so war es gerade richtig und darüber hinaus ein guter Denkanstoß in verschiedenen Themenbereichen.
    Ich lasse es noch etwas sacken, werde aber vermutlich 9 Punkte geben.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Also wegen mir hätte das Buch ruhig etwas dicker sein können. Und dann hätte ich mich gefreut von einer langen und intensiven Annäherung der beiden Hauptdarstellerinnen zu lesen. Denn der Anfang der Geschichte war es, der mir am besten gefiel. Die Vorstellung, die junge Jelisaweta könnte die einsame Wilhelmine noch mal herausreisen auf ihrer Reise ans Lebensende, hat mir sehr gefallen. Die Phase des Streits und Unverständnisses war grausam lange in diesem dünnen Büchlein und das überraschende Ende war mir fast zu kurz für diese beiden interessanten Frauen.
    Da es zwei "Heldinnen" gab, habe ich mir als Buh-Frau Karin ausgesucht und auch wenn ich vielleicht ein bisserl ungerecht bin, ich fand, ihr hätte noch viel deutlicher ihr liebloses und meiner Meinung nach sogar ausnützerlisches Verhalten vor Augen geführt werden müssen. Sie kassiert die ganze Rente und die Pflegestufe, sucht sich die billigste Pflegekraft, nämlich eine junge Russin, die nicht auskann, kauft nur Pichelsteinerdosen und interessiert sich einen Pfifferling für Wilhelmines wirkliche Bedürfnisse.
    Dieser Character hat mich sehr in Rage gebracht - wie ich beim Lesen wieder merke. Fast mehr, als die Tragödien der beiden anderen Frauen.


    Stilistisch und sprachlich ein schönes Büchlein. Die Zeitsprünge waren mir manchmal nicht klar genug erkenntlich. Vielleicht war ich aber auch nicht immer bei der Sache. Außerdem muss man wissen, dass es kein Gute-Laune-Buch ist, mich hat es traurig gestimmt, trotz des Endes.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Die alte Wilhelmine lebt am Rande von Frankfurt. Sie ist pflegebedürftig, ihre Nichte, nur rudimentär am Wohlergehen ihrer Tante interessiert, besorgt eine preiswerte Fachkraft aus dem Ausland. Die junge Russin Jelisaweta taucht in der deutschen -nicht kümmern, lieber in den Urlaub fahren- Wohlstandsgesellschaft auf und bringt Wilhelmines Haushalt in Schuss. Zunächst zeigt sich Wilhelmine durchaus dankbar für die Hilfe, muss sich doch nicht mehr den vorwurfsvollen Ton ihrer Nichte im Haus ertragen. Doch schlagartig änderte sich das Verhältnis von Jelisaweta und Wilhelmine, als diese von der Herkunft ihrer Pflegerin erfährt kippt Wilhelmines Stimmung ins Tückisch, Brachiale ihrer Nichte. Eine Russin im Haus, eine unerträgliche Situation für die 91jährige Frau.


    Jelisaweta zeigt sich nicht minder Konfliktgestählt, wer einmal ihre Vergangenheit durchlitten hat und wem eine Zukunft in mütterlicher, sowie landestypischer Trostlosigkeit vor sich hat, der wehrt sich wie eine gefangene Löwin, gegen die Anfeindungen einer Verrückten.


    Ein Kleinkrieg entbrennt zwischen den beiden so unterschiedlichen Frauen, der aber gar nicht auf den unterschiedlichen Kulturen beruht, sondern auf persönlichen Erlebnissen tief in der Vergangenheit des Einzelnen.


    Meinung:


    Besonders positiv fallen bei diesem Roman die ausserordentlichen sprachlichen Fähigkeiten der Autorin auf, ihre Stilsicherheit, niemals verliert sie sich in Kitsch, sie versucht ihren Lesern nie zu gefallen, führt niemanden vor, setzt sehr geschickt ihr Handwerkszeug ein und brilliert durch feinsinnige Betrachtungen und knappe Formulierungen, gelegentlich allerdings unterbrochen von all zu harschen verwirrenden Rückblenden.


    Sie bringt es dabei fertig eine ideale Balance zwischen Emotionen und lakonischer Schreibweise einzuhalten, was schon mal ein Kunststück ist. Denn man fühlt tatsächlich mit Wilhelmine und der etwas spröden Jelisaweta und zollt Eva Baronsky gleichzeitig den Respekt einer Autorin von Rang. Einzig inhaltlich könnte die Autorin noch einen Deut zulegen. Warum kein grösserer Stoff? Warum kein dicker Familienroman, als nächstes? Den würde ich kaufen wollen.


    Magnolienschlaf, ein gutes Buch, keine Frage.

  • Auch mir hat das Buch sehr gut gefallen.


    Wilhelmine hat ein Geheimnis, das sie um den Schlaf bringt und die Russen hassen lässt. Und dann kommt auch noch ein russisches Mädchen ins Haus, das sie pflegen soll. Natürlich kommt es erst einmal zum Eklat, aber dann beruhigen sich die Gemüter wieder und helfen sich gegenseitig, Vergangenes zu bewältigen.


    Eine ausgezeichnete Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Eva Baronsky schafft es, die Gefühle sehr feinfühlig und liebevoll zu übermitteln. Dafür braucht sie auch nicht viele Worte. Ich hätte mir aber durchaus ein ein bisschen längeres Buch vorstellen können.

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    - Cicero


    :lesend Harlan Coben - Ich vermisse dich

  • INHALT:
    (Quelle: aufbau)


    Ein kleines altes Haus am Rande der Großstadt und zwei Frauen, wie sie verschiedener nicht sein könnten: Wilhelmine und Jelisaweta trennt so viel mehr als 68 Lebensjahre. Jelisaweta ist 23 und für ein paar Wochen aus Smolensk nach Deutschland gekommen, um Wilhelmine zu pflegen, die seit einem Unfall an ihr Bett gefesselt ist. Doch was als scheinbar ideales Arrangement beginnt, gerät bald außer Kontrolle und wird zu einem Kleinkrieg, in dessen Verlauf die beiden Frauen sich auf grausam-weibliche Weise attackieren. Am Ende wird jede auf die Frage zurückgeworfen, was man mit sich anfängt, nachdem man der Wahrheit ins Auge gesehen hat. Denn Schuld wartet nicht auf Kläger, Sühne braucht keinen Richter, und der Krieg ist nicht vorbei, nicht für die Greisin und nicht für das Mädchen. Der Krieg hat gerade erst angefangen.



    ZUR AUTORIN:
    (Quelle: aufbau)


    Eva Baronsky, 1968 geboren, lebt im Taunus. Für ihren ersten Roman »Herr Mozart wacht auf« (2010) erhielt sie den Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe. Im Frühjahr 2011 erscheint ihr zweiter Roman »Magnolienschlaf«.


    EIGENE MEINUNG:


    „Magnolienschlaf“ besticht nicht nur durch ein zart, schlichtes, aber schönes Cover, sondern auch durch eine Autorin mit einer wunderschönen, klaren, schnörkellosen Schreibe, die dem Leser ans Herz geht. Was ich bei einem Thema wie diesem, welches viel Gefühl benötigt, um die richtige Wirkung beim Leser entfalten zu können, genau richtig finde. Ihre wunderbare Schreibe rückt die Lebensgeschichten und Familiengeheimnisse der beiden Frauen ins richtige Licht.


    In der Geschichte wird deutlich, wie stark und nachhaltig der zweite Weltkrieg Menschen über Generationen hinweg beeinflusst. Wilhelmine war während der Kriegsjahre eine junge Frau und hat die Gefahren und den Irrsinn des Kriegs am eigenen Leib zu spüren bekommen. Das ist so in ihr drin geblieben, dass die alte Angst und der Hass gegen Russen wieder in ihr aufflammen, als sie bemerkt, dass Jelisaweta aus Russland kommt. Diese kann das nicht nachvollziehen. Anfangs ist ihr noch nicht einmal klar, warum Wilhelmine sie plötzlich nicht mehr mag und stempelt ihre Angriffe, die sogar tätlich sind, als Bosartigkeit ab. Als sie bemerkt, dass es ihre Herkunft ist, die Wilhelmines Abneigung gegen sie aufkeimen lässt, wird es noch schlimmer, weil sie den Hass auf Rassismus schiebt. Ein Kleinkrieg zwischen den beiden beginnt, der von der Struktur her, aber dem Krieg ähnelt, den Wilhelmine durchgemacht hat. Er nimmt erst eine Wendung, als eine von beiden ernsthaft verletzt wird.


    Die Autorin macht in ihrem Roman deutlich, weshalb es überhaupt zum zweiten Weltkrieg gekommen ist. Weil es verdrehte Bilder der Kulturen gab. Weil man sich eine Meinung gebildet hatte, oder andrehen lassen hat, die nicht der Realität entsprach. Durch Verallgemeinerung und schlechte Aufklärung.


    Wie nachhaltig der Krieg auch noch die Generationen trifft, die während dieser Zeit noch nicht geboren waren, wird am Schicksal der jungen Russin verdeutlicht.


    Eva Baronsky spinnt zwei Fäden, die vom gleichen tragischen Zeitgeschehen, dem zweiten Weltkrieg ausgehen, und durch dieses Ereignis doch ganz zart, jeder auf seine eigene Art und Weise, miteinander verwebt sind. Geschickt spannt sie den Leser auf die Folter, in dem sie ihm nur hin und wieder ein Häppchen zuwirft, das ein kleiner HInweis darauf ist, welches tragische Erlebnis ihren jeweiligen Lebensweg beeinflusst haben könnte. Das hat zur Folge, dass man das Buch Seite für Seite verschlingt, um endlich hinter die Geheimnisse der beiden Frauen zu kommen. Allerdings zieht sich das meiner Meinung nach an manchen Stellen doch etwas in die Länge, was angesichts der wenigen Seiten des Buches aber nicht weiter schlimm ist, da man immer noch schnell durch kommt.


    Aus der eigenen Familie weiß ich, wie lange Angst und Hass zehren können. Ihr Leben lang hatte meine Ur-Großtante Angst vor französischen Landsleuten, weil ihr Bruder in Frankreich gefallen ist, obwohl jetzt ja nun niemand mehr etwas dafür kann. Ihr zu erklären, dass dort keine blutrünstigen und kriegerischen Menschen leben, war eine schwierige Sache.


    Ich mochte die beiden Protagonistinnen Jelisaweta und Wilhelmine sehr gern. Die Autorin stellt sehr gut die Probleme der beiden dar, denen sie aufgrund ihrer Generation begegnen. Wie z.B. Jelisawetas unglückliche Liebe in der Heimat. Am besten gefiel mir aber wie gut sie die Gedankengänge der 91-jährigen Wilhelmine beleuchtet hat. Dadurch kann der Leser viel Verständnis für die alte Dame aufbringen, was allerdings noch mehr Abneigung gegen deren Nichte Karin hervorruft, die für die Bedürfnisse der bettlägerigen Alten kein Gespür hat.


    FAZIT:
    „Magnolienschlaf“ ist ein Buch, das auf einfühlsame, aber deutliche Weise, aufzeigt, welche Kreise ein Krieg zieht, der aus so sinnlosen Gründen entstanden ist und doch die am härtesten trifft, die am wenigsten dafür können.

  • Da treffen zwei ganz unterschiedliche Frauen aufeinander - und müssen miteinander auskommen.
    Die 91-jährige Wilhelminie, mittlerweile eine Pflegefall, und die junge Russin Lisa, die als ihre Pflegerin eingestellt ist.


    Wilhelmine hasst seit dem Krieg die Russen und überträgt diesen Hass auch auf Lisa - obwohl diese sie weitaus besser betreut als Wilhelmines Nichte Karin.
    Lisa kann mit der plötzlichen Abneigung nur schwer umgehen und die beiden Frauen führen einen regelrechten Kleinkrieg.
    Nur sehr langsam offenbart sich die Geschichte der beiden Frauen und wir erfahren von den schlimmen Schicksalen der beiden.


    Immer wieder gibt es Rückblenden, die ich teilweise etwas verwirrend fand, weil sie total übergangslos beginnen. Gleichzeitig war mir der Kleinkrieg zwischen den beiden Frauen zu lang, da hätte ich lieber schon früher mehr über ihre Vergangenheit erfahren - oder noch mehr über die nervige Nichte Karin.


    Alles in allem: ein interessantes Buch.

  • Ich kann mich den Lobeshymnen hier eigentlich gar nicht anschließen.
    Sicherlich ist Magnolienschlaf kein schlechtes Buch, aber auch keines, daß mir jetzt länger in Erinnerung bleiben wird, dazu wirkt es auf mich zu zusammengeschustert und unfertig. Leider.


    Weder fand ich die Auflösung der beiden Geschichten der Frauen gelungen, noch hat mir das Buch jetzt besonders gut gefallen.
    Auf mich wirken die einzelnen Teile einfach nicht passend zueinander, das Verhalten der Frauen wird immer wieder von starken Schwankungen geprägt, mir fehlt da die Geradlinigkeit, die authentische Handlungsweise eines Charakters.
    Gerade die Erzählungen von Wilhelmines Geschichte erscheint mir zu fadenscheinig, zu konstruiert, zu gewollt dramatisch.
    Sicherlich hat die Autorin einen angenehmen und sehr einfühlsamen Schreibstil, der mir persönlich aber zu lange um Nichtigkeiten herumeiert, um dann den für mich wichtigen Dingen zu wenig Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu rasch abzuhandeln.
    Insgesamt bleibe ich unbefriedigt zurück nach diesem Buch, daß mich zu Beginn als es um Pflege und die Beziehungen zwischen Wilhelmine, Lisa und Karin ging immerhin noch zur Nachdenklichkeit veranlaßt hat, mich dann aber immer weniger berühren konnte und letztlich sogar trotz der Kürze des Textes schrecklich langweilte.


    Ich glaube nicht, daß ich noch ein weiteres Buch der Autorin lesen möchte, da muß es sich schon um eine Thematik handeln, die mich brennend interessiert.


    Letztlich fand ich den Titel immerhin doch recht passend, wenn ich es auch ein wenig zu theatralisch fand, daß es dann ausgerechnet eine Magnolie sein mußte, ein Kirschbaum hätte es doch auch getan.
    Das Cover fand ich sehr ansprechend und es paßt auch gut zum Text, der mich halt nur leider eben nicht überzeugen konnte.
    Schade, aber vielleicht waren da auch einfach meine Erwartungen zu hoch.


    Ich hab mit viel gutem Willen 4 von 10 Eulenpunkten vergeben.

  • Nach dem wirklich feinen Debütroman "Herr Mozart wacht auf" waren meine Erwartungen an "Magnolienschlaf sehr hoch, aber sogar diese wurden noch übertroffen.
    Wie in einem Kammerspiel treffen zwei Personen wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten aufeinander, die 91-jährige pflegebedürftige Wilhelmine und die 23-jährige Russin Jeiisaweta. Diese beiden Protagonistinnen lernen wir kennen, ihre Ängste, ihre Träume, stückweise ihre Vergangenheit. Die Autorin entfernt Schicht um Schicht der verkrusteten Erinnerungen, die die tiefen Wunden der Vergangenheit verborgen haben.
    Dabei ist die Sprache unglaublich schön, sie spiegelt die Gedankengänge der beiden perfekt wieder. Auch die unvermittelten Rückblenden fand ich sehr gelungen, da sie die Erinnerungen von Wilhelmine und Jelisaweta sehr gut repräsentieren und mir das Gefühl gaben, sehr nahe bei den Figuren zu sein.
    Ein sehr emotionaler Roman über zwei Frauen, der mein Herz berührt hat.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Auch ich habe das Buch im Rahmen der Leserunde gelesen, es ist mein erstes Buch der Autorin.


    Die Geschichte der jungen russischen Pflegerin Jelisaweta und ihrer 91-jährigen Schutzbefolenen Wilhelmine, die nach einem Sturz bettlägrig ist, nahm mich schnell gefangen.


    Als Wilhelmine erfährt, dass Jelisaweta Russin ist, brechen alte Kriegserinnerungen in ihr auf und sie will keinesfalls weiter von der jungen Frau betreut werden. Allerdings gibt es kaum Alternativen: die geldgierige, angeheiratete Nichte Karin will diese Aufgabe nicht übernehmen und Wilhelmine muss sich mit Jelisaweta arrangieren.


    Irgendwann kommt es zur Aussprache beider Frauen und man beginnt zu verstehen, wo die Schwierigkeiten liegen.


    Magnolienschlaf ist eine sehr berührende Geschichte, die einen sehr zum Nachdenken bringt. Das Buch ist mit gut 180 Seiten ja eher kurz gehalten, allerdings muss ich sagen, es hätte auch nicht länger sein müssen. So war es in Ordnung, mehr wäre mir zuviel geworden.


    Das Cover hat mir sehr gut gefallen, den Titel fand ich zuerst verwirrend, zum Schluss aber verständlich.

  • Verlag: Aufbau
    HC: 184 Seiten


    Inhalt


    Ein kleines altes Haus am Rande der Großstadt und zwei Frauen, wie sie verschiedener nicht sein könnten: Wilhelmine und Jelisaweta trennt so viel mehr als 68 Lebensjahre. Jelisaweta ist 23 und für ein paar Wochen aus Smolensk nach Deutschland gekommen, um Wilhelmine zu pflegen, die seit einem Unfall an ihr Bett gefesselt ist. Doch was als scheinbar ideales Arrangement beginnt, gerät bald außer Kontrolle und wird zu einem Kleinkrieg, in dessen Verlauf die beiden Frauen sich auf grausam-weibliche Weise attackieren. Am Ende wird jede auf die Frage zurückgeworfen, was man mit sich anfängt, nachdem man der Wahrheit ins Auge gesehen hat. Denn Schuld wartet nicht auf Kläger, Sühne braucht keinen Richter, und der Krieg ist nicht vorbei, nicht für die Greisin und nicht für das Mädchen. Der Krieg hat gerade erst angefangen.


    Autorin


    Eva Baronsky, 1968 geboren, lebt im Taunus. Für ihren ersten Roman »Herr Mozart wacht auf« (2010) erhielt sie den Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe. Im Frühjahr 2011 erscheint ihr zweiter Roman »Magnolienschlaf«.


    Meinung


    Seit dem letzten Einschlag hat es sechzehn Mal getropft. Sechzehn Tropfen, seit der Boden zu zittern aufgehört hat. Sechzehn Tropfen, seit die kleine Petroleumfunzel wieder stumm und reglos brennt. Sechzehn Tropfen, eine winzige Ewigkeit. Kein Mensch weiß, woher sie kommen, schließlich läuft seit Tagen kein Wasser mehr aus den Leitungen. Sie quellen aus der Gewölbedecke aus der Nische, wo die Kohlen gelegen haben, fallen mit einem knirschenden Geräusch auf den Sandboden und versickern dort. Die Intervalle sind lang, sehr lang. Eine Minute? Zwei? Man hört ihren Fall nur, wenn absolute Stille herrscht, wenn die Angst sogar die Atemgeräusche verschluckt.


    Angst und Schuld – wie geht man damit um, nachdem man beides Jahrzehnte lang unterdrückt und tief in sich verborgen hat? Was macht man mit einem Geheimnis, von dem niemand weiß, von dem auch niemand wissen soll, und das plötzlich das Tageslicht sucht?
    Eva Baronksy ist eine begnadete Erzählerin – bereits mit ihrem erstes Buch „Herr Mozart wacht auf“ überzeugte die Autorin mit einer durchdachten Handlung, mit einer großen Empathie gegenüber ihren Protagonisten und mit feinem Humor.
    Auch in diesem Buch „Magnolienschlaf“ gelingt es Eva Baronsky mich von der ersten Seite an zu packen. Zwei Frauen, die nicht nur vom Alter unterschiedlicher sein können. Die sich nicht mögen und doch aufeinander angewiesen sind. Deren Lebensgeschichten so weit auseinander liegen, dass es klar sein muss, dass die beiden nicht miteinander, sondern nur gegeneinander können. Und doch haben sie mehr gemeinsam, als sie anfangs glauben – und der Leser auch.
    Eva Baronsky zeigt auch hier eine große Empathie gegenüber ihren Figuren, sie geht nah – näher kann man fast nicht gehen und sich näher als Leser auch nicht fühlen. Jede einzelne – egal ob Wilhelmine oder Jelisaweta, egal ob schuldig oder nicht – scheint ihr wichtig, scheint es ihr Wert zu sein.
    Die Handlung spielt im Hier und Jetzt in einem Haus in einem Frankfurter Vorort, in dem Eva Baronsky die beiden Protagonistinnen aufeinander loslässt – Wilhelmine, die bettlägerige, alte Frau, die nicht immer das Wasser halten kann und Russen hasst, und Jelisaweta, die aus Russland anreist, um Wilhelmine zu pflegen, die Deutsch mit einem Akzent spricht, dem ich ewig zuhören könnte und die trotz ihres jungen Alters einige Schatten aus der Vergangenheit mit sich herumtragen muss.
    Der Leser erlebt einen Kleinkrieg, der sehr tief geht und alte Wunden aufreißt. Nach und nach flechtet die Autorin in Rückblicken die Vergangenheiten der beiden Frauen ein, die frühe und noch frische Vergangenheit der jungen Jelisaweta und die alte, die längst vergessen und begraben sein sollende Vergangenheit von Wilhelmine.
    Eva Baronksy erzählt in einer schönen und schnörkellosen Sprache eine schaurige Geschichte, eine, bei der ich nicht immer weiterlesen wollte, bei der ich manchmal innehalten und die entstandenen Bilder verscheuchen musste, und doch erzählt sie auch eine Geschichte, die viel Platz für Menschlichkeit lässt.

  • Ich habe das Buch im Rahmen der Leserunde gelesen und bin nur mäßig begeistert..


    In der Geschichte selbst passiert nicht sonderlich viel und die Handlung plätschert so vor sich hin.. Irgendwie habe ich mehr erwartet. Auch sind mir die Personen nicht symphatisch geworden und die Handlungsweisen konnte ich von beiden teilweise absolut nicht nachvollziehen.. Es soll hier um Angst, Schuldgefühle etc. gehen, doch irgendwie wollte der Funke zu mir nicht rüberspringen..
    Sehr gut gefallen hat mir allerdings der Schreibstil der Autorin. Das Buch lässt sich leicht lesen. Gestört hat mich hier jedoch, dass nicht immer klar hervorgegangen ist, wenn die Protagonisten an ihre Vergangenheit zurückdenken. Das war dann teilweise etwas verwirrend.


    Fazit: Nette Unterhaltung für zwischendurch, jedoch wird das Buch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.


    6 von 10 Punkten!

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • An der Leserunde habe ich auch teilgenommen. Die Länge des Buches fand ich genau richtig. Ich fand es interessant geschrieben und das Thema (Vergangenheitsbewältigung) war keine leichte Kost. Wilhelmine und Lisa hatten beide etwas aufzuarbeiten und konnten ihren Frieden finden.


    Die Einschübe der Vergangenheit fand ich etwas verwirrend. Ich wusste nie genau um wem es sich handelt und worum es geht. Aber das klärt sich zum Glück am Ende des Buches.


    Ich vergebe 9 von 10 Punkten.

  • Auch in durfte das Buch in der Leserunde lesen.
    Das Cover, der Buchtitel und der Schreibstil haben mir sehr gut gefallen. Das Buch hatte insgesamt die richtige Länge, auch wenn ich den Teil, in dem die beiden Frauen einen verbissenen, zum Teil abstossenden Psychokrieg führten, als etwas zu lange empfand.
    Mit der Person Lisa hatte ich einige Probleme, ich konnte viele Teile ihres Verhaltens absolut nicht gut finden und hatte dadurch wirkliche Probleme, mich ihr unvoreingenommen zu nähern.
    Wilhelmine hingegen hatte meine vollste Sympathie und mein Verständnis.
    Die am negativsten erscheinende Person, die Nichte Karin, war meiner Meinung nach etwas eindimensional dargestellt. Von ihr hätte ich gerne etwas mehr erfahren, was aber wahrscheinlich nicht gewollt oder nicht möglich war.


    Insgesamt ein sehr interessantes Buch. Ich habe es gerne gelesen und gebe 8 von 10 Punkten.