literarische Weltreise: Demokratische Republik Kongo
Anlässlich der Nominierung zum Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse bin ich auf dieses Buch gestoßen. Wie gleich das Vorwort verrät, schrieb Andrea Böhm dieses Buch keineswegs, weil sie sich in den unendlichen afrikanischen Sternenhimmel, die beeindruckende Natur oder gar in einen aufrechten Massai verliebt hat. Aber verliebt schien mir die Autorin streckenweise doch: in ein Land, in dem der ganz normale Wahnsinn Blüten treibt, die uns unbedarften Europäern die Haare zu Berge stehen lassen, in dem die Menschen unter widrigsten Umständen, trotz Krieg, Ausbeutung und Korruption, Dinge auf die Beine stellen, die uns sprachlos machen: eine Boxschule für Frauen, ein Symphonieorchester im Slum oder auch nur einige Kilometer asphaltierter Straße im kongolesischen Urwald.
Dies und vieles mehr lernt sie auf ihren Reisen durch den Kongo kennen, abenteuerlichen Unterfangen, die sie nicht zuletzt wegen der unglaublichen Hilfsbereitschaft der Kongolesen auch in die letzten Winkel dieses riesigen Landes führen.
Dazwischen gibt es immer wieder Einblicke in die Geschichte des Landes, die brutale Ausbeutung durch den belgischen König, die blutigen Geschehnisse rund um Lumumbas Ermordung gleich nach der „Entlassung“ in die Unabhängigkeit sowie die nicht weniger leidvolle Ära der kongolesischen Despoten, in der die Wurzeln der noch immer allgegenwärtigen Gewalt zwischen diversen Rebellen und Milizen begründet liegt, Kämpfe zwischen CNDP und FDLR, dieser „Buchstabensuppe bewaffneter Fraktionen“, die streckenweise tragisch-absurde Züge von Monty Pythons Judäischer Volksfront annehmen.
Trotz dieses eigentlich sehr schweren Themas, ist dieses Buch auch eine wunderbar vergnügliche Lektüre. Voller Selbstironie schildert sie Situationen, aus der sie als verwöhnte Europäerin durch kongolesische Improvisationskunst gerettet wird, erzählt voller Sympathie von den Menschen dort und kann auch den absurdesten Zuständen noch eine gewisse Komik abgewinnen. Sie räumt mit den Vorurteilen á la Joseph Conrads „Herz der Finsternis“auf und bestätigt doch auch einige Klischees, die uns so in den Köpfen herumspuken, die sie aber in einem völlig neuen Licht betrachtet.
Kurz: ein großartiges Buch, hervorragend geschrieben und sehr, sehr kenntnisreich, ich würde am liebsten mal mitfahren!
Zur Autorin
Andrea Böhm, geboren 1961, lebte über zehn Jahre als freie Journalistin in den USA und schrieb u. a. für die tageszeitung, Die Zeit und GEO. 2004 erhielt sie den Theodor-Wolff-Preis, seit 2006 ist sie Redakteurin der Zeit. Regelmäßig bereiste sie in den letzten Jahren den afrikanischen Kontinent und ist eine ausgewiesene Kennerin des Kongo. Auf ZEITOnline berichtet Andrea Böhm in einem Blog von ihren Reisen.