Der Stoff, aus dem die Liebe ist - Isabel Wolff

  • Zur Autorin

    Die in London lebende und aus Warwickshire stammende Autorin Isabel Wolff ist in der Bücherwelt nicht ganz unbekannt. Ihre Romane wurden bereits in 23 Sprachen übersetzt. Neben ihren schriftstellerischen Ambitionen ist sie als freie Journalistin für verschiedene britische Zeitschriften und die BBC tätig. Mit „Der Stoff aus dem die Liebe ist“ bringt die Bestsellerautorin ihr neuestes Buch auf den Markt.

    Zum Buch / Meine Meinung

    Zitat

    Inhaltsangabe:
    Jedes Kleid hat ein Geheimnis. Jede Frau auch …


    Endlich ist Phoebes großer Traum wahr geworden: Sie hat einen Laden für Vintage-Mode eröffnet. Jede der rauschenden Abendroben erzählt eine Geschichte. Und nichts macht Phoebe glücklicher, als das richtige Kleid für die richtige Frau zu finden. Doch noch immer überschattet ein schreckliches Ereignis ihr Leben. Damals hat sie nicht nur ihre große Liebe verloren, sondern auch die beste Freundin - für immer. Erst als Phoebe die Französin Thérèse kennenlernt, findet sie die Kraft, sich der Vergangenheit zu stellen. Denn die alte Dame weiß, was Schuld bedeutet …




    Das gibt eigentlich sehr gut wieder, worum es in dem Buch geht. Oder zumindest gehen sollte. Was es bedauerlicherweise nicht beschreibt, ist das, was mich bereits zu Anfang des Buches fast vom Lesen der eigentlich guten Idee abgehalten hat. Die einen begeistert es, bei mir führte es dazu, dass sich meine Nackenhaare sträubten. Die Darstellung des Vintage-Elements kam so plakativ und vor allem penetrant oft vor, dass es sich geradezu in den Vordergrund drängte und sowohl die eigentlichen Haupt-, wie auch diverse Randfiguren im Gegenzug beiseiteschob. Kleider erzählen – wie viele alte Dinge – Geschichten und können spannend sein. Doch für mein Dafürhalten war bereits die eigentliche Grundidee des Buches etwas, das genug Spannung bot.

    „Der Stoff aus dem die Liebe ist“ lernen wir dank Phoebe kennen, die die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt. Phoebe, eine junge Frau im England der Gegenwart, die gerade aus ihrem bisherigen Leben ausgebrochen ist, ihre Stellung gekündigt und sich von dem Mann getrennt hat, den sie eigentlich heiraten wollte. Das alles geschieht, nachdem ihre beste Freundin aus Kindertagen gestorben ist, die in den Wochen vor ihrem Tod unendlich unglücklich war.



    Die Frage, wie tief Phoebes Trauma tatsächlich ist, wie nachvollziehbar ihre Entscheidungen sind, stellt sich sehr bald. Während sie einerseits nach Emmas Tod und ihrer Trennung von Guy (sie verliert ihn nicht, sie trennt sich bewusst von ihm) jeden Kontakt zu diesem meidet, lernt sie andererseits unmittelbar bei bzw. nach der Eröffnung ihres zwei Männer kennen, denen sie den Kopf verdreht und auf die sie sich mehr oder weniger ernsthaft einlässt. Der eine, Dan, scheint ein Habenichts und Überlebenskünstler zu sein. Der andere, Miles, ist älter als sie, allein erziehender Vater und nicht ganz unvermögend. Phoebes Tun wirkt oberflächlich in Anbetracht des Traumas, das sie erlebt hat. Da speziell dieses Trauma essenzieller Bestandteil des Plots ist, wirkt entweder die dargestellte Traumatisierung oder der Neustart nicht sehr glaubwürdig auf mich. Zum einen hat sie ihre seit Kindertagen bestehende Freundschaft mit Emma für die Liebe zu Guy geopfert und will sich - durchaus nachvollziehbar - aus purem Selbstschutz nicht mit der Thematik befassen. Zum anderen ist sie schon für etwas Neues offen, obwohl sie so traumatisiert.

    Eine wirkliche Aufarbeitung von Emmas Tod und damit eigentlich von Phoebes schmerzlichem Erleben findet nicht statt. Dafür hat Phoebe genau genommen auch keine Zeit. Abgesehen davon, dass dieser Handlungsstrang nur wenige Monate umfasst, beinhaltet er einfach zu viel. Nur Monate nach dem Tod ihrer Freundin hat sie völlig mit ihrem alten Leben gebrochen und startet neu durch, verliebt sich neu, wird beruflich aus dem Stehgreif erfolgreich. Sie laviert sich durch unzählige kleinere Nebenschauplätze – etwa dem Leben von Miles mitsamt seiner schwierigen Beziehung zu seiner Tochter im Teenageralter einschließlich eines Buches seines Weingutes. Die schwierige Beziehung ihrer Eltern gehört ebenso wie die einzelnen Facetten, die Dan ihr so bietet, dazu. Oder die Gedanken, die sie sich um ihre Kundinnen macht.

    Nicht zu vergessen natürlich ihre Begegnung mit Thérèse, durch die quasi von außen die Erkenntnis von Phoebes eigentlichen Schuldgefühlen gegenüber Emma wirklich deutlich wird. Thérèse, die sich am Ende ihres Lebens von vielen Dingen trennen muss. Der blaue Kindermantel, den Phoebe dabei entdeckt, gehört jedoch nicht dazu. Er hat eine viel zu persönliche Geschichte, in der es auch um Schuld oder vielmehr um naives und missbrauchtes Vertrauen geht. Phoebe bringt Thérèse nicht nur dazu, ihr genau diese Geschichte zu erzählen, sie öffnet sich selbst gegenüber der alten Frau bei diesen Treffen überraschend schnell und gelangt so zu der oben angesprochenen Erkenntnis. Es war ihre Entscheidung, Emmas Bitte um Hilfe zu ignorieren. Ihre Entscheidung sie auf später zu vertrösten. Dieses Eingeständnis hilft ihr zwar, die Welt wieder mit etwas anderen Augen zu sehen, ließ bei mir jedoch ein gewisses Gefühl von Betrogenheit zurück, da sie es sich nicht wirklich selbst erarbeitet hat. Hier fehlt einfach etwas.

    Dieser Part der Geschichte ist so lebensnah dargestellt, dass die Erlebnisse der jetzt todkranken, dahinsiechenden Thérèse im Europa des 2. Weltkriegs nicht spurlos vorbeiziehen, kann jedoch die oben erwähnten Mängel nicht aufheben.

    Und Phoebe? Die hat eindeutig eine neue Happy-End-Perspektive, diesem Handlungsstrang fehlt jedoch die Konsequenz.

    Fazit

    Wer mehr über Mode und Vintage erfahren möchte, oder auch über Wein, der wird von der Leidenschaftlichkeit, mit der das in diesem Roman thematisiert wird, angenehm überrascht sein. Bedauerlicherweise ist jedoch die eigentlich gute Grundidee nicht konsequent umgesetzt, seltsam offen und eher seicht abgefasst. Leider hat sich die Autorin in zu vielen Nebenschauplätzen verzettelt. Hier wäre weniger mehr gewesen, oder hätte alternativ mehr Seiten gebraucht. Auf einer Punkteskala von 1 bis 5 würde ich deshalb nur 2 Punkte vergeben – für den Part von Thérèse.

    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

  • Ich kann mich der obigen Einschätzung des Buches nicht anschliessen.


    Ich fand das buch sehr berührend und den weg den Phoebe geht durchaus einleuchtend.
    Phoebe erfüllt sich mit ihrem Laden einen Lebenstraum, wohl auch um ein komplett neues Leben beginnen zu können und um sich von ihren Schuldgefühlen mit Arbeit ablenken zu können.


    Als sie Mrs. Bell kennenlernt wird ihr durch diese mehr als deutlich gemacht, daß man sich zwar wünschen kann die Zeit zurückzudrehen, daß man aber lernen muss mit der Vergangenheit zu leben und es nichts hilft immer nur zu denken: Was wäre wenn....


    Therese Geschichte fand ich sehr berührend, auch daß die Geschichte am Ende vollständig aufgelöst werden konnte hat mir gut gefallen.


    Am Ende des Buches werden viele Dinge endgültig ins rechte Licht gerückt, nicht nur für Phoebe, sondern auch für ihre Eltern, Miles und schlussendlich auch für Dan.
    Man hat das Gefühl, als würden am Ende alle Puzzleteile da liegen, wo sie hingehören und alle könnten wieder mit Freude in die Zukunft blicken.


    Alles in allem war es für mich ein wunderbares Wohlfühlbuch, das kein bisschen kitschig oder pathetisch rüberkam. Die Geschichten rund um die Vintage Mode und Phoebes Kundinnen runden das Buch als Ganzes schön ab.


    Von mir 9 von 10 Punkten.