Antonia Michaelis- Die geheime Reise der Mariposa (ab 11 J)

  • Kurzbeschreibung (laut amazon):


    Alles drin! Der Schmökertipp: Schätze, Geheimnisse und große Dramatik Fast schon ist es zu spät, als José Jonathan aus den Wellen des Pazifiks rettet und auf sein Schiff, die "Mariposa", bringt. Obwohl Jonathans Vergangenheit im Dunkel liegt, freunden die beiden sich an und Jonathan begleitet José auf seiner Reise zur düsteren Isla Maldita. Dort hoffen sie herauszufinden, wohin die rätselhafte Karte weist, die José bei sich trägt. Doch auch die Männer, die die beiden erbarmungslos über das Meer verfolgen, haben es auf die Karte abgesehen. Welcher Schatz ist auf der Insel verborgen? Und welches Geheimnis verbirgt Jonathan? Ein pralles Abenteuer spannend und voller Action, inmitten von Stürmen, Wellen, Vulkanen und der faszinierenden Tierwelt Südamerikas.



    Über die Autorin (laut amazon):


    Antonia Michaelis wurde 1979 in Kiel geboren. Ihre Kindheit und Jugend verlebte sie in Augsburg, wo sie im Alter von fünf Jahren bereits anfing zu schreiben. Nach dem Abitur arbeitete sie in Südindien ein Jahr lang als Lehrerin. In Greifswald studierte sie anschließend Medizin, trieb sich zwischendurch ein wenig in Nepal, Peru und Ghana herum, und begann Geschichten für Kinder und Jugendliche zu veröffentlichen. Heute lebt die Autorin mit Mann, kleiner Tochter und 3000 Quadratmeter Brennnesseln in der Nähe der Insel Usedom. Hühner besitzt sie allerdings keine.



    Eigene Meinung:


    Ich weiß nicht, wie viele Bücher von Antonia Michaelis ich schon gelesen habe und immer, wenn ich denke, jetzt ist aber keine Steigerung mehr drin, werde ich eines Besseren belehrt,


    Dieses Buch lässt sich, wie so viele der Autorin, nicht in eine Schublade stecken. Es ist ein Abenteuerroman, aber das ist beileibe nicht alles.
    Über die eigentliche Handlung kann ich nichts weiter verraten als das, was der Klappentext hergibt, denn nichts ist wie es scheint und die Gefahr zu spoilern ist einfach zu groß.
    Die Autorin schreibt zwar in ihrem Vorwort, das Buch sei nicht über den 2. Weltkrieg und es spielt auch tatsächlich weit von den Kriegsschauplätzen entfernt, aber ein Weltkrieg würde nicht Weltkrieg heißen, wenn er nicht Auswirkungen auf die ganze Welt hätte- auch auf die Galapagosinseln. Abgesehen davon nimmt man seine Erinnerungen ja mit, egal wohin man geht und wie weit man zu flüchten versucht.


    Ich habe selten ein Buch gelesen, welches die Gefühle eine Kindes oder Jugendlichen während eines Bombenangriffes so authentisch und nachvollziehbar geschildert hat (bzw auch wie es mit den Geschehnissen psychisch umgeht).
    Beide Protagonisten machen im Laufe des Buches eine große und auch glaubhafte Entwicklung durch.


    Besonders hervorheben möchte ich die Gestaltung des Buches.
    Jedes Kapitel hat eine deutsche und eine spanische Überschrift und dem Kapitel sind zum einen Bleistiftzeichnungen der Autorin von verschiedenen Tieren vorangestellt, (die wider Erwarten gar nicht schlecht geworden sind) sowie Gedichte, vorgetragen von eben jenen Tieren. Vordergründig sind diese meist zum Schmunzeln- wenn man sich darauf einlässt steckt aber viel mehr dahinter.
    Gedichte sind etwas, was nicht jeder Autor kann. Oft klingen sie hölzern und gekünstelt. Ich bin keine Fachfrau für Lyrik, lese aber gerne die Gedichte von Morgenstern, Ringelnatz, Heinz Erhardt und Kästner- und gerade an letzteren haben mich die Gedichte (was die Atmosphäre angeht) erinnert.


    Gemeinsam mit dem Buch habe ich immer wieder einen Bildband über die Galapagosinseln durchgeblättert, welchen ich mir während des Darwin- Jahres angeschafft hatte und muß sagen, dass das den Lesegenuss noch gesteigert hat- nötig wäre es aber nicht gewesen, denn die Beschreibungen der Autorin sind sehr bildhaft und auch gut recherchiert.


    Ich kann dieses Buch jedenfalls nur empfehlen- ich bin schwer begeistert!

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Die meisten Bücher von Antonia Michaelis zeichnen sich nicht nur durch ihren Inhalt aus, sondern auch durch die Titel. Wer immer sie sich ausdenkt, sagt damit genau, was im Buch geschieht und was wichtig ist. So auch hier. Die Mariposa ist eine kleine Segeljacht und ihre Reise ist entschieden geheimnisvoll. Es gibt tatsächlich so viele Geheimnisse, daß man beim Lesen bald nicht mehr weiß, ob man nicht besser erst raten oder einfach schleunigst weiterlesen soll. Beides ist gleichermaßen befriedigend, das Lesen vielleicht ein bißchen mehr, denn beim Raten tippt man fast jedesmal daneben.


    Die Geschichte beginnt 1942, im Mittelpunkt stehen zwei Teenager, gerademal dreizehn. Der eine überlebt in Hamburg knapp einen Bombenangriff, der sein Leben radikal verändert. Der andere, José, lebt am anderen Ende der Welt, auf einer der Galapagosinseln. José hat es satt, von Vater und Brüdern immer als der Kleine angesehen zu werden, er will ein Mann sein. Als er die Mariposa, die kleine honiggelbe Jacht im Hafen entdeckt, die gerade herrenlos ist, weil ihr Besitzer gestorben ist, hat er eine Idee. Wie es so ist im Leben, kommt noch so das eine und andere dazu und schon ist José mitten in der Nacht allein unterwegs mit der gekaperten Mariposa. Sein Ziel ist eine besondere Insel, die Isla maldita. Dort soll nicht nur ein Schatz liegen, auch sein Urgroßvater ist einst dorthin gesegelt und nie zurückgekehrt. José ist entschlossen herauszufinden, was mit seinem Urgroßvater geschehen ist. Wenn er dabei auch noch den Schatz findet, umso besser.


    Das erste allerdings, das er findet, ist ein halbertrunkener Junge im Pazifik. Er fischt ihn auf, was ihm wenig Dankbarkeit einbringt. Der andere war nämlich fest entschlossen, zu ertrinken. Dahinter steckt eine Geschichte, die den einen Handlungsstrang des Romans ausmacht. Er ist auf eine sehr verzwickte und großartig ausgedachte Art mit Josés Geschichte verknüpft. José und Jonathan – das ist der Name, der im Paß des Jungen aus dem Wasser steht – freunden sich notgedrungen an.
    Die Reise zur Isla maldita ist weiter, als José erwartet hat. Zudem scheinen größere Schiffe zu verfolgen. Aber auch an Bord der Mariposa geht es nicht mit rechten Dingen zu, Geister scheinen an Bord zu sein.


    Das Ganze entwickelt zu einer äußerst spannenden Spionagegeschichte und einer Jagd auf eine Karte mit Wendungen, die sowohl von den Beteiligten ausgehen, als auch von den Naturgegebenheiten. Stürme, lebensbedrohende Windstille, Männer mit Gewehren und stärkeren Geschützen sind nur einige der Gefahren, die José und Jonathan bewältigen müssen. Hamburg unter den Nazis und die Galapagosinseln liegen näher beieinander, als man gedacht hätte.


    Michaelis hat sich zu ihrer wunderlich-wunderbaren Abenteuergeschichte noch einiges mehr einfallen lassen, das dieses Buch einmalig macht. Zum einen die Mischung aus Spanisch und Deutsch bei den Kapitelüberschriften und den Eigennamen. Man ist gut beraten, ein Augenmerk darauf zu halten. Ein toller Einfall ist die Stimme von Josés Gewissen, die immer die Stimme seiner Großmutter ist. Wie alle Erwachsenen ist Großmutter besserwisserisch, befehlend und zu Zeiten scharf. Manchmal ist sie sogar schadenfroh, aber auf jeden Fall trifft sie die Sache viel zu oft genau auf den Punkt. Was sie leider auch kann, ist unken und Geister sehen. Nein, Abuelita ist keine einfache Reisegefährtin.


    Es gibt aber noch mehr Mitreisende an Bord der Mariposa. Jonathan nämlich hat eine Hand für Tiere. In wenigen Tagen sammelt sich ein beträchtlicher Zoo zusammen, angefangen von Carmen, der Reisratte bis hin zum Albatros Kurt. Jedes Abenteuer, das José und Jonathan hinter sich bringen, vermehrt die Zahl der tierischen Passagiere an Bord. Eingeführt wird das wiederum von Gedichten vor dem jeweiligen Kapitel.


    Auch hier ist man versucht, vor lauter Spannung die Gedichte zu überlesen, aber das bringt eine um viel Spaß. Die Gedichte klingen einfach, sind in Inhalt und Rhythmus aber der jeweiligen Tierart genau angepaßt. Man fliegt mit dem Albatros, spielt mit den Delphinen, tanzt anmutig wie ein Flamingo oder schleppt sich dahin wie ein Leguan. Wie oft bei Gedichten, deren Zeilen sich reimen, lohnt es sich, sie laut zu lesen. Dann erfaßt man den Klang am besten. Insgesamt ergibt sich eine Wirkung wie bei einem Theaterstück. Mit dem Gedicht hebt sich sozusagen der Vorhang für den nächsten Mitreisenden. Bleistiftporträts gehören natürlich dazu.
    Michaelis schont ihre Helden nicht, sie werden verletzt und das Ganze steht nicht nur einmal endgültig vor dem Aus für mindestens einen von ihnen. Sie setzt weniger auf Wunder bei den Rettungen als auf die schiere Zähigkeit ihrer Jugendlichen. Beide haben ihre Träume und die geben sie nicht so leicht auf. Das Buch macht Mut, sich Widerständen entgegenzustellen.
    Was Michaelis’ Geschichte auch zeigt, in diesem sehr beschränkten Raum einer Kindergeschichte mit wenigen Figuren, ist, wie schrecklich Krieg ist, wie gefährlich Waffen sind und wie sehr sich Erwachsenen irren können. Besser, man lernt von jung auf, genau hinzusehen.


    Die Lösung ist rundum verblüffend. Das hätte man wirklich nicht erwartet. Einen Einwand habe ich allerdings, es gibt bei einem Streit unter Erwachsenen eine Entscheidung, die als moralisch dargestellt wird, tatsächlich aber zu kurz gedacht ist. Lebensbedrohende Situationen bringen Menschen eher nicht dazu, die Wahrheit zu sagen, im Gegenteil. An der Stelle siegt bei der Autorin die Sentimentalität über die Realität. Solche Konflikte müssen anders ausgetragen werden. Aber immerhin ergäbe das wieder eine gute Diskussion um so manches Verhalten Erwachsener in diesem Buch. Und das wiederum ist schließlich das Beste, was einem solchen rasanten Abenteuerbuch passieren kann. Daß man nämlich noch lange nicht nur vom Wunderbaren träumt, sondern tatsächlich existierende Probleme zum Nachdenken mitnimmt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus