"Winterreise" von Amélie Nothomb

  • "Winterreise" von Amélie Nothomb


    ISBN: 325706778X
    Verlag: Diogenes
    Erscheinungsjahr: 2011
    Seitenzahl: 128
    Übersetzerin: Brigitte Große


    Über die Schriftstellerin:
    Amelie Nothomb, 1967 als Belgierin in Kobe (Japan) geboren, wuchs in Japan, China, den Vereinigten Staaten, Burma und Laos auf.
    Nach einem Studium der Romanistik arbeitete Nothomb für einen japanischen Konzern. Ihre Erfahrungen legte Nothomb
    in ihrem Roman "Mit Staunen und Zittern" nieder, der in Europa größere Berühmtheit erlangte.
    Mittlerweile kann die bekannte Schriftstellerin vom Schreiben leben und wohnt in Brüssel und Paris.


    Über den Inhalt:
    Der junge Heizungsinstallateur Zoïle lernt während seiner Arbeit die bezaubernde Astrolabe kennen und verliebt sich augenblicklich in sie.
    Doch Astrolabe, die mit der Schrifstellerin Aliénor zusammen in einer schlecht isolierten Dachwohnung in Paris lebt,
    genießt die Treffen mit ihrem Verehrer, der mit kleinen Geschenken auf sich aufmerksam macht, erwidert diese Zuneigung jedoch nicht.
    Aus unerwiderter Liebe beschließt Zoïle, ein Attentat mit Symbolkraft zu begehen.


    Meine Meinung:
    Knapp ein Jahr nach Erscheinen des großartigen Romans "Der japanische Verlobte" legt der Diogenes Verlag dem deutsprachigen Publikum
    ein neues Buch der über Europas Grenzen hinaus bekannten Schriftstellerin vor.
    Amélie Nothomb, berühmt für ihre feinsinnigen und zugleich boshaften Blicke auf die menschliche Seele, schließt in "Winterreise" nahtlos an ihre Vorgängerromane an. Im Mittelpunkt ihres aktuellen Romans, der nur ganze 128 Seiten umfasst, steht die unerwiderte Liebe des jungen Heizungsinstallateurs Zoïle, der glaubt, die große Liebe gefunden zu haben.
    Bereits der ungewöhnliche Vorname des Protagonisten, den er der Hoffnung seiner Eltern auf ein Mädchen (Zoe) verdankt und der dann findungsreich
    in Zoïle umgedeutet wird, geben dem jungen Mann wenig Selbstbewusstsein mit auf den Lebensweg.
    Nun, da er offensichtlich die perfekte Frau für sich gefunden hat und die Glückliche - mit dem nicht minder aparten Vornamen Astrolabe ausgestattet -
    sich nach langem Werben immer noch ziert, muss der Liebe ein wenig auf die Sprünge geholfen werden.
    Amélie Nothomb sieht nur eine Möglichkeit, die immerwährenden gierigen Blicke der genusssüchtigen, autistischen Aliénor auszuschalten und Astrolabe und Zoïle ungestört zusammenkommenzulassen:
    Die magic mushrooms werden Astrolabe und Zoïle vereinigen.


    Nach dem Verzehr der Pilze beginnt für die drei Protagonisten ein psychedelischer Trip, der von Sinneseindrücken erzählt, stark angelehnt an
    Aldous Huxleys "Die Pforten der Wahrnehmung" die Empfindung von bedeutenden Bildern in den Focus rückt oder auch die Wahrnehmung der Farbe Blau thematisiert.
    Um dem naheliegenden Vergleich mit Huxleys Beschreibungen über die kalten monochromen Blautöne von Yves Klein zu entgehen, entscheidet Nothomb sich für ein Nattierblau, das der Situation nicht nur eine gewisse Wärme verleihen soll, sondern Kenner augenscheinlich auf die Parallelen zwischen Künstler und Installateur und ihre gemeinsame Liebe für Frauen stoßen lässt.
    Überhaupt tauchen in Nothombs "Winterreise" häufig Anspielungen auf, die den Leser fast gewaltsam auf die Belesenheit und den Intellekt der
    belgischen Schriftstellerin hinweisen. Bis zu einem gewissen Grad erzeugt dieses Spiel auch Freude bei der Lektüre, im Übermaß wie es Nothomb betreibt erzeugt es nur Langeweile.


    Unklar bleibt auch die Figur der Schriftstellerin Aliénor, die als "schreibender Störfaktor" die Treffen von Astrolabe und Zoïle sorgsam beobachtet,
    und zu keinerlei Textinterpretationen fähig ist, aber erfolgreiche Bücher schreibt und von Astrolabe nicht allein gelassen werden kann.
    Sie, die die zögernde Astrolabe von einer Liebesbeziehung abhält, bleibt genauso unverständlich wie das Besondere an Astrolabe selbst,
    das Zoïle offensichtlich fasziniert.


    So bleibt "Winterreise" letztlich ein metapherlastiger, gut recherchierter und doch nichtssagender Roman über eine Vorstellung von Liebe,
    die die Verzweiflung über eine unerfüllte Liebe nur erahnen lässt.

  • Hallo buzzaldrin,


    das grundsätzliche Problem bei Nothomb besteht darin, dass die Qualität ihrer Romane extrem schwankt. Bei einem Roman jubeln die Kritiker, bei einem anderen Roman schüttelt der Leser nur verständnislos den Kopf.


    Bisher habe ich vier Bücher von Amélie Nothomb gelesen:
    "Quecksilber" und "Der japanische Verlobte" würde ich weiterempfehlen;
    abraten würde ich von "Metaphysik der Röhren" und "Winterreise".


    "Biografie des Hungers" und "Mit Staunen und Zittern" stehen noch auf meiner to-read-Liste und werden irgendwann von mir rezensiert werden.