Davids letzter Film – Jonas Winner

  • Die Infos im Spoilerbereich enthalten keinen Geheimnisverrat sondern nur vertiefende Informationen über die Personen und ihre Gedankenwelt. Sie können mitgelesen werden, müssen aber nicht.


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    Jonas Winner: Davids letzter Film, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21260-1, Softcover, 349 Seiten, Format: 12 x 19 x 2cm, EUR 8,95 (D), EUR 9,20 (A)


    „Das ist alles, was dich interessiert?“ Flo sah ihn fassungslos an. „Deine Projekte? Was denkst du dir eigentlich! Du wirst gesucht! Die Polizei ist hinter dir her! Deine Freundin weiß nicht, wo du steckst! (...). Was ist los, David?“(Seite 220)


    Als Kinder in der Provinz wohnen sie im selben Haus und sind dicke Freunde: der Lehrerssohn Florian Baumgartner und David Mosbach, Sohn eines Kneipenwirts.


    Die Schüler entdecken ihre Liebe zum Film und verbringen einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit im Kino. Nach dem Abitur ziehen sie gemeinsam nach Berlin in eine WG und wollen beide Filmemacher werden. Doch nur für David, den wilderen und kreativeren der beiden Freunde, geht dieser Traum in Erfüllung. Er studiert an der Filmakademie und wird Regisseur. Florian, dem es mit dem Filmemachen ohnehin nicht so ernst war, schafft es nicht auf die Akademie und wird Journalist.


    Jahre sind seit den Berliner WG-Tagen ins Land gegangen. Die Jungs von damals sind jetzt Ende 30. Florian lebt seit den 90-er Jahren mehr schlecht als recht als freier Journalist in Madrid. Der Kontakt zu David ist längst eingeschlafen. Da bekommt er einen Anruf von einem Redakteur aus Frankfurt, der ihn mit einem Artikel über David Mosbach beauftragt. Denn dieser hat in letzter Zeit mit umstrittenen Filmen und spektakulären Projekt-Ankündigung von sich reden gemacht und ist jetzt spurlos verschwunden. Florian als altem Freund des Skandalregisseurs traut man am ehesten zu, an Informationen heranzukommen. Und schon sitzt der Journalist im Flugzeug nach Berlin und tritt eine Spurensuche an, die zur Reise in die Vergangenheit wird.


    Welchen ehemaligen oder aktuellen Weggefährten des Filmemachers der Journalist auch aufsucht, niemand scheint besonders erschüttert oder überrascht von Davids Verschwinden zu sein. Die einen halten es für einen Marketing-Gag, mit dem er seinen neuen Film promoten will, die anderen denken, dass er sich bei seinen Projekten mit dubiosen Gestalten eingelassen hat und deshalb freiwillig oder unfreiwillig verschwunden ist. Hat er tatsächlich Snuff-Movies gedreht? Oder war das alles ein Fake? Das wüsste das LKA auch gern ...



    Außergewöhnliche Ansichten über das, was Filme beim Zuschauer erreichen können, sollen oder dürfen, hatte der Regisseur ja schon zu Studentenzeiten.


    Mit diesem Themenkomplex hat David sich anscheinend all die Jahre intensiv beschäftigt und dabei einige ausgesprochen verstörende Filme geschaffen. Was hat diese Besessenheit aus ihm gemacht? Einen idealistischen Weltverbesserer, der etwas bewegen und verändern will? Einen abgehoben philosophierenden Theoretiker bar jeder Bodenhaftung? Einen größenwahnsinnigen Manipulator, der nicht nur mit subliminalen Bildern experimentiert? Einen kriminellen Irren, der für seine Ideen über Leichen geht? Oder ein amoralisches Ungeheuer, das nur nach seinen eigenen Regeln lebt?
    Bald fragt sich der Journalist, wie er jemals mit diesem Mann befreundet sein konnte.


    Da schneit David für einen kurzen Moment bei Florian im Hotel herein, als sei nie etwas gewesen, und macht ihm ein verlockendes Angebot. Für einen Augenblick will sich die alte Verbundenheit fast wieder einstellen. Doch zu viel ist inzwischen passiert. Als David ihm ein Fragment seines neuen Werks zeigt, ist Florian zutiefst schockiert. Jetzt glaubt er zu wissen, wie weit David für seine Ideen schon gegangen ist. Doch er hat nicht den Hauch einer Vorstellung davon, wie weit David Mosbach noch zu gehen bereit ist ...



    Ein klassischer Krimi der Marke „Hier ist’ ne Leiche. Wer ist der Mörder?“ ist Davids letzter Film nicht, auch wenn das Etikett KRIMI DES MONATS auf dem Cover klebt. Hier stellt sich vielmehr die Frage, ob überhaupt ein Verbrechen begangen wurde, und wenn ja, welches, von wem und aus welchem Grund.



    Stück für Stück versucht der Journalist Florian, den Werdegang seines Jugendfreundes zu rekonstruieren und dessen Gedankenwelt zu verstehen. Der Leser begleitet ihn auf seiner Spurensuche. Das ist keine leichte Kost und liest sich auch nicht locker nebenher weg. Denn schnell wird klar, dass David Mosbachs Arbeit der Schlüssel zu seinem Schicksal ist. Erst wenn man verstanden hat, was genau den Filmemacher Mosbach umtreibt, wird man verstehen können, was er getan hat und was aus ihm geworden ist.


    Faszinierend ist es, unheimlich und zeitweise sogar abstoßend, einer Persönlichkeit wie dem Skandalregisseur Mosbach gewissermaßen ins Gehirn zu kriechen. Florian Baumgartner wird sich wünschen, es nie getan zu haben. Für den Leser ist es eine außergewöhnliche Erfahrung: ein packender Höllenritt durch die Abgründe der menschlichen Psyche.


    Der Autor
    Jonas Winner, geboren in Berlin, ist in Rom und den USA aufgewachsen. Nach einem Studium in Berlin und Paris und seiner Dissertation über die Spieltheorie arbeitet er fürs Fernsehen: Reportagen (u.a. ARD III, ZDF, arte) und Drehbücher (ZDF, RTL, SAT1). Sein Internetauftritt: http://www.jonaswinner.de

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Das Buch hatte ich in der Buchhandlung schon in der Hand aber die Kurzbeschreibung klang nicht sonderlich interessant. Jetzt bin ich etwas unentschlossen, deine Rezi klingt aber gut:gruebel

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

  • Ich wäre auch nicht spontan auf diesen Roman gekommen, wenn er nicht auf meinem Schreibtisch gelandet wäre. Ich dachte, fängste mal an ... und wollte dann partout rausfinden, was da wirklich läuft.


    Immer, wenn der Journalist gemeint hat, er habe nun begriffen, was los ist, war wieder alles ganz anders.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • ==352 purer Psychothriller==


    Hallo lieber Leser, liebe Leserin.


    ===Einleitung===
    Heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, welches mir zur Rezension angeboten wurde. Es handelt sich hierbei um einen Psychothriller mit dem Titel „Davids letzter Film“.


    ===Buchdaten===
    Autor: Jonas Winner
    Titel: Davids letzter Film
    Verlag: dtv
    Erschienen: 2011
    ISBN-13: 978-3423212601
    Seiten: 352
    Einband: TB
    Kosten: 8,95€
    Serie: -


    ===Autor/in===
    Jonas Winner, geboren in Berlin, ist in Rom und den USA aufgewachsen. Nach einem Studium in Berlin und Paris und seiner Dissertation über die Spieltheorie arbeitet er fürs Fernsehen: Reportagen (u.a. ARD III, ZDF, arte) und Drehbücher (ZDF, RTL, SAT1). (Quelle: Amazon.de)


    ===Zitierter Klappentext===
    Journalist Florian Baumgartner soll den bekannten und umstrittenen Filmemacher David Mosbach porträtieren und dafür seine Kontakte zum einstigen Jugendfreund nutzen. Als Florian im winterkalten Berlin eintrifft, muss er feststellen, dass David seit Tagen spurlos verschwunden ist. Mehr von Sorge um den bewunderten Freund als von journalistischem Eifer getrieben, stürzt sich Florian in seine Recherchen, und ihn überkommt das blanke Entsetzen: Mosbach hat in seinen Filmen nicht nur die Grenzen des Geschmacks, er hat auch die Grenzen der Menschlichkeit überschritten. Kein Wunder, dass die Polizei bereits gegen ihn ermittelt. Und zwar wegen Mordes.


    ===Meine Meinung===
    Psychothriller gehören zur Zeit zu meinen bevorzugtem Genre. Dementsprechend waren meine Erwartungen an dieses Werk sehr hoch. „Ein Buch wie ein Film von David Lynch“, „purer Nervenkitzel“ und „Nichts für schwache Nerven“ - ich war gespannt.


    Florian Baumgartner hält sich als freier Journalist mit mickrigen Aufträgen in Spanien über Wasser. Als er den Auftrag erhält in Deutschland über den bekannten Regisseur David Mosbach und dessen geheimnisvollen neuen Film einen Artikel zu schreiben, hat er anfänglich Bedenken. David und er waren über viele Jahre seit der Kindheit befreundet und haben sich erst vor wenigen Jahren auseinander gelebt. Ausschlaggebend für seine Zusage ist das Verschwinden seines Freundes. In Berlin angekommen macht sich Florian gleich an die Recherche zum neuen Film und zeitgleich auf die Suche nach David. Dabei lernt Florian die andere Seite von David kennen. Seine umstrittenen Filmprojekte sind alles andere als harmlos. Für Geld dreht er alles, was perverse Menschen sehen möchten und schreckt sogar nicht davor zurück einen Menschen vor laufender Kamera umzubringen.


    Der Autor, Jonas Winner, schafft es den Leser innerhalb der ersten 20 Seiten komplett zu fesseln. Er fängt den Leser auf einem psychologischen Niveau ein, dass nichts für schwache Nerven ist. Detailliert beschreibt er brutale eine brutale, schockierende Szene nach der anderen. Dadurch schafft er einen kontinuierlichen Spannungsaufbau bis zur letzten Seite.


    Authentisch und lebendig wurde mir nebenbei die Welt des Filmemachens näher gebracht. Selbst als kompletter Laie wird man die verwendeten Techniken und innovativen Ideen nachvollziehen können. Anfängliche Bedenken, dass es mit der Zeit langweilig werden könnte, wenn man sich für dieses Gebiet nicht interessiert, wurden durch die schockierende und packende Handlung schnell in den Wind geschlagen. Als Leser wollte ich nur noch wissen, was hinter dem Verschwinden von David steckt und ob es Florian gelingt ihn lebendig zu finden. Über 200 Seiten baute sich dieser Wunsch auf und wurde dann durch eine mehr als überraschende Wendung über den Haufen geworfen. Allerdings ist diese Wendung brillant und wird den Leser nicht enttäuschen, sondern noch mehr anziehen. Die Zusammenhänge sind wie einzelne Puzzle-Teile und setzen sich ab diesem Punkt nach und nach für Florian, aber auch den Leser zusammen. Dabei achtet der Autor, dass er keine Frage offen lässt und jede Handlung logisch vermittelt werden kann. Damit ihm dies gelingt setzt er auf neue schockierende, brutale und grausame Details, die mir sofort das gewünschte Bild suggestiert haben, welches Jonas Winner erreichen wollte. Es berührt, schockiert und ließ mir die Worte fehlen. Damit ist jedoch das Buch dieses einmaligen Autors nicht beendet, denn der Schluss lässt den Leser noch einmal das Blut in den Adern gefrieren. Der Grund dafür liegt nicht an einer gewissen Brutalität, sondern an der Bestürzung des Lesers. Mit diesem Schluss habe ich an keiner Stelle des Buches gerechnet und lässt den Beruf Regisseur in einem ganz anderen Blickwinkel betrachten.


    Auf Grund mancher Handlungen finde ich das Buch nicht unbedingt für Leser unter 16 Jahren geeignet. Wer also schwache Nerven hat und nicht auf eine außergewöhnliche Weise geschickt werden will, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Ansonsten kann ich das Buch jedem empfehlen.


    ===Bewertung===
    Die 352 Seiten dieses Psychothrillers eröffnen erschreckende Abgründe der Menschheit. Es wird den Leser in seinem Innersten treffen und erschüttern. „Davids letzter Film“ kann in meinen Augen als Vorzeigebuch dieses Genres verwendet werden. Es bekommt fünf Sterne.


    Pro: Spannend, grausam, authentisch
    Contra: nichts


    Danke fürs Lesen und Bewerten. Freu mich über Lob / Kritik, also her mit Kommentaren.



    Eure Sarah



    ===Leseprobe===
    http://www.amazon.de/Davids-letzter-Film-Jonas-Winner/dp/3423212608/ref=dp_return_2?ie=UTF8&n=299956&s=books

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