Ein Fenster ins Leben - Lynn Austin

  • Sei genau so, wie Gott dich geschaffen hat, und lass dir von niemandem etwas anderes einreden. (Seite 394)


    430 Seiten, kartoniert
    Originaltitel: A Proper Pursuit
    Aus dem Amerikanischen von: Dorothee Diewas
    Verlag: Verlag der Francke Buchhandlung GmbH, Marburg 2011
    ISBN-10: 3-86827-213-5
    ISBN-13: 978-3-86827-213-0


    Zu diesem Buch gab es eine Leserunde: >hier gehts lang<.



    Zum Inhalt (Quelle: Buchrücken)


    1893: Violet Hayes träumt vom großen Abenteuer, von der wahren Liebe, vom echten Leben. Die Weltausstellung in Chicago liefert der Tochter aus gutem Hause den perfekten Vorwand, der Obhut ihres Vaters zu entkommen und ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Zumal sie gerade herausfinden mußte, daß ihr gesamtes Leben auf einer Lüge basiert.
    Doch gänzlich frei ist Violet auch in Chicago nicht. Sie wohnt bei ihrer tiefgläubigen Großmutter, die ganz eigene Vorstellungen davon hat, wie ihre Enkelin ihr Leben gestalten sollte. Und auch ihre drei Großtanten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, versuchen Violet für ihr jeweiliges Lebenskonzept zu begeistern. Violet hat die Qual der Wahl. Was möchte sie werden: Heilige, Suffragette, Dame der Gesellschaft? Oder doch lieber Detektivin? Und welchem ihrer Verehrer soll sie ihr Herz öffnen?
    Chicago eröffnet Violet eine Vielzahl an Möglichkeiten. Doch ihren eigenen Weg zu finden, erweist sich als das größte Abenteuer ...



    Über die Autorin (Quelle: Francke Verlag, Webseite der Autorin)


    Viel habe ich nicht gefunden. Lynn Austin hat im Jahre 1992 ihre Tätigkeit als Lehrerin aufgegeben, nachdem sie jahrelang den Wunsch gehegt hatte zu schreiben, und widmet sich seither hauptberuflich dem Autorenberuf. Weitere Interessengebiete sind Geschichte und Archäologie, die sie am Southwestern Theological Seminary studierte. Mit ihrem Sohn war sie 1989 in Israel an einer archäologischen Ausgrabung beteiligt. Sie hat mit ihrem Ehemann drei Kinder und lebt in der Nähe von Chicago. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet.


    Lynn Austin hat im Jahr 2008 den Christy Award im Bereich „Historical Fiction“ für dieses Buch erhalten.


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    - < Klick > - da ist die Seite zum Buch beim Originalverlag (in englischer Sprache, mit Leseprobe und Reading Guides)





    Vorbemerkung


    Um Mißverständnisse zu vermeiden: Das ist ein christliches Buch. Wenn ich Formulierungen wie „wir“ verwende, beziehen sich diese meist nicht auf die Gesamtgesellschaft, sondern auf den christlich geprägten Teil, dem ich mich zugehörig fühle. Ferner ist Denken und Handeln eines großen Teils der Protagonisten stark von ihrem aktiv gelebten Glauben geprägt. Handlungsweisen wie Beten oder Hinwendung zu Gott werden als normal und notwendig angesehen.



    Meine Meinung


    Die Wahrheit tut weh. In jedem Buch, so bin ich eigentlich überzeugt, sollte es mindestens einen Satz geben, den herauszuschreiben es sich lohnt, und den ich dann meist als eine Art Motto über die Rezi stelle. Meistens stecken mehrere Zettel in einem Buch, und bisweilen habe ich Mühe auszuwählen, welches denn das bevorzugte Zitat wird. Hier dauerte es bis Seite 381, bis mir ein eventuell passender Satz in die Augen sprang: Die Wahrheit tut weh. Genommen habe ich den dann allerdings für den Beginn der Rezi, denn eine Wahrheit tut in der Tat weh: das Buch ist kein Meisterwerk, auch wenn (aus mir dieses Mal nicht nachvollziehbaren Gründen) preisgekrönt ist. Bisher habe ich nur sehr gute, höchstens gute mit Tendenz zu „sehr gut“, Bücher von Lynn Austin gelesen. Dieses ist aber eindeutig das Schwächste.


    Möglicherweise kann das auch daran liegen, daß die Erwartungen zu hoch waren. Normalerweise müssen die Protagonisten in Lynn Austins Büchern mit ziemlichen Problemen kämpfen, Entwicklungen durchmachen, schwierige Zeiten durchleben, ehe es zu einem (meist) guten Ende kommt. Hier muß aus der jugendlichen Violet eine erwachsene Frau werden und sicher ist es für sie aufregend und wichtig, sicher macht sie eine Entwicklung durch, so daß die Violet des Endes nicht mehr die des Anfangs ist. Aber für uns als Leser ist das über weite Strecken so langatmig (um nicht zu schreiben langweilig) zu lesen wie die vielen Teeparties der gehobenen Gesellschaft in Chicago, die Violet besuchen muß.


    Wenn die Autorin die Oberflächlichkeit von Violet (zu Beginn und über den größten Teil des Romans hinweg) und die der gehobenen Gesellschaft auch stilistisch ausdrücken wollte, so ist ihr das großartig gelungen (das meine ich jetzt als Feststellung, nicht als Wertung). Aber es ist nicht das, was ich von einem Lynn Austin Buch erwarte. Sicher tauchen, vor allem im letzten Drittel, dann endlich wirkliche Probleme und Schicksale auf, doch sie ließen mich seltsam kalt und unberührt. Zu sehr war bis dahin bereits alles auf Schönheit getrimmt worden, als daß mich das noch hätte berühren können. Selbst wirklich schlimme Dinge zogen an mir vorüber wie Popkornkino, ohne mich sonderlich zu berühren.


    Nochmals: es kann an meiner Erwartungshaltung liegen. Wenn ich einen reinen Unterhaltungsroman hätte lesen wollen und an dieses Buch geraten wäre, wäre ich vermutlich über die enthaltene Tiefe überrascht gewesen, und hätte das Buch ruhig, zufrieden und mit einem Lächeln auf den Lippen geschlossen. So aber habe ich einen tiefgründigen Roman erwartet, und einen Unterhaltungsroman vorgefunden, in dem ein paar Problemchen verarbeitet waren. Das ist mir für ein Lynn Austin Buch einfach zu wenig.


    Insofern halte ich „Ein Fenster ins Leben“ nicht für einen geeigneten Einstieg, um mit Lynn Austin zu beginnen. Die Autorin kann wirklich schreiben und blieb hier deutlich unter ihren Möglichkeiten zurück. Wer sie in Hochform erleben möchte, greife besser zu „Die Apfelpflückerin und lasse sich nicht von dem unpassenden deutschen Titel abschrecken. Wer eher Unterhaltung, die sich gut weglesen und die Umgebung für ein paar Stunden vergessen läßt sucht, ohne daß das Buch noch lange nachwirkt, der ist hiermit gut beraten.



    Kurzfassung:


    Violet, behütet aus gutem Hause, reist nach Chicago zur Weltausstellung, um ihre Mutter zu suchen und einen Ehemann zu finden. Gewohnt sehr gut geschrieben, doch deutlich nur an der Oberfläche kratzend begleiten wir sie bei ihrem Aufenthalt und ihrer Suche.



    Nach etlicher Überlegung gebe ich dem Buch 7 Punkte (so wenige, wie noch nie für ein Lynn Austin Buch): 6 fürs Buch und einen Pluspunkt für die wiederum hervorragende Übersetzung.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Etwas ratlos sitze ich hier nach Beendigung dieses Buches und weiß noch immer nich so recht, was ich davon halten soll. Nach der Lektüre der Apfelpflückerin waren meine Erwartungen hoch an den neuen Roman von Lynn Austin. Leider muss ich sagen, dass ich leicht enttäuscht bin. Ich hatte einen Roman mit Tiefgang erwartet, der mir nicht nur das Lebensschicksal der eigentlichen Protagonistin näher bringt sondern auch wieder die Lebensgeschichten anderer Beteiligter - Mütter, Schwestern Tanten - in einem separaten Strang erzält. Lynn Austin weicht im vorliegenden Buch völlig von dieser bisherigen Erzählweise ab. Es gibt zwar auch hier wieder Rückblicke in das Leben anderer, jedoch sind diese nur sehr kurz gehalten und werden eher am Rande erzählt. Am Ende geben all die einzelnen Geschichten zwar ein rundes Bild, aber es bleibt der fahle Geschmack zurück, hier eher leichte Unterhaltung als wirklichen Tiefgang genossen zu haben.


    Austins Erzählstil und vor allem ihre Hauptfigur erinnerten mich frappant an die Bücher von Deanne Gist. An sich ja nichts schlechtes, denn auch diese Romane mag ich sehr, aber von Lynn Austin erwarte ich einfach keine Oberflächlichkeit, wie ich sie hier vorgefunden habe. Austins Protagonistin Violet nervt über große Teile der Geschichte hinweg mit ihrer Naivität und ihrer Suche nach ihrem ganz persönlichen Weg im Leben. Manchmal fragt man sich, ob jemand wirklich so blauäugig durchs Leben laufen kann. Der Reifungsprozess setzt erst auf den letzten 100 Seiten ein und bis dahin quält man sich durch Teeparties, Frauenrechtsdemonstrationen und Besuchen in den Elendsvierteln von Chicago. Gerade bei den beiden letzt genannten Punkten schafft es die Autorin nicht, deren Bedeutung dem Leser nahe zu bringen, da Violet eigentlich nur ein Ziel hat: beidem so schnell wie möglich zu entkommen und sich so wenig wie möglich damit zu befassen.


    Auch Austins christliche Botschaft, die sonst immer deutlich oder zwischen den Zeilen herauszulesen ist, kommt hier in diesem Buch erst relativ spät zum Tragen. Statt dessen zeigt sie anhand des angehenden Predigers Louis, wie man sie am Besten nicht vermitteln sollte, nämlich belehrend und überheblich.


    Bei der Stange gehalten hat mich eigentlich nur Violets Versuch, ein altes Familiengeheimnis um Ihre Mutter zu lüften. Ich war neugierig, was sie am Ende aufdecken würde.


    Schade um die verschenkten Möglichkeiten. Ich hoffe, dass Lynn Austin in ihrem nächsten Buch zu alter Form zurückfindet und dann wieder mit der Tiefe erzählt, die mich in der Apfelpflückerin so berührt hat.

  • Violet reist nach Chicago, um ihre Mutter zu finden, die sie und ihren Vater vor Jahren verlassen hat. Sie lebt bei ihrer gläubigen Grossmutter die sie auf ihren Weg ziehen will. Ihre reiche Tante Agnes will sie verheiraten und die feministische Tante Matt will sie für die Frauenbewegung begeistern. Nur ihre Tante Birdie sagt ihr immer wieder, sie soll aus Liebe heiraten.


    Leider wurden die angeschnittenen Themen (Frauenrechte, Armut, Religion) zu oberflächlich behandelt. Stundenlange, bis ins letzte Detail beschriebene Teegesellschaften und Balls, künstlich eingefügte Vorträge von Tante Matt oder Predigten von Louis haben das Buch wirklich nicht sehr lesenswert gemacht. Die Geschichte von Violet ist nett, ich hatte mir allerdings sehr viel mehr erwartet.

  • Auch ich muss leider sagen, dass mich das Buch zum Teil enttäuscht hat.
    Rückblickend war es okay und auch stellenweise sehr unterhaltsam, aber der hier schon erwähnte Tiefgang fehlte.
    Auch ich habe "Die Apfelpflückerin" bereits gelesen und das hier rezensierte Buch von Lynn Austin kann leider nicht mithalten. Das finde ich sehr schade, denn auch ich denke, dass es hier um eine grandiose Autorin handelt, die einen wahnsinnig guten Schreibstil aufweist und sehr gut schreiben kann.
    Hier hat sie es leider nur zu einem Plätscher-Unterhaltungsroman geschafft.


    Das Ende hat mir zwar doch noch ganz gut gefallen, aber auch wieder nur zum Teil. Wichtige Dinge zum Abschluss des Buches haben mir gefehlt und ich konnte das Buch so nicht völlig zufrieden zur Seite legen.


    Am meisten gestört hat mich die massive Naivität der Protagonistin, die mich manches Mal fast zum Schreien gebracht hat. Ich hätte sie manchmal sehr gerne geschüttelt und damit zum Aufwachen gebracht. Naiv war in der Zeit bei Frauen ihrer Klasse sicher normal, aber doch nicht soooo...

    :wave Gruß Dany


    Die Wirklichkeit ist etwas für Leute, die mit Büchern nicht zurechtkommen.
    Leserweisheit

  • Madame Beauchamp hat auch nicht immer Erfolg – mit einiger Genugtuung durfte ich das dem Lynn Austin-Buch „Ein Fenster ins Leben“ entnehmen.
    Wer Madame ist? Nun, sie ist jene „Ausbilderin“, die jungen Damen aus gutem Haus beizubringen hat, wie man sich gefälligst benimmt, wie man spricht, wie man sich kleidet, wie man denkt, was man zu tun und besonders was man zu lassen hat. Eine kräftige Prise Chigaco, ein guter Schuss Tante Matt, eine nicht zu kleine Portion Großmutter und ein großes Stück Tante Birdie genügen allerdings vollkommen, um aus der erfolgreichen Absolventin der „Schule für junge Damen“, die, ein wenig blutleer und voller Bedenken über „Dieses und Jenes“, den schönen Namen Violet trägt, eine selbstbewusste, neugierige und lebensbejahende junge Frau zu machen.
    So weit, so schön, aber so etwas von Lynn Austin?


    Es ist ein typischer Austin, was den Stil und die „Flüssigkeit des Vortrags“ angeht. Es ist ein untypischer Austin, was die Thematik betrifft … wollte ich eigentlich sagen, aber so ganz stimmt das nicht. Es werden sehr ernste Themen angesprochen, wie zum Beispiel die Unterdrückung der Frauen, die Ausbeutung der Arbeiter, die Situation der Einwanderer, Trunk- und Spielsucht. Dieses Mal wird es nur ganz anders präsentiert: Nicht die volle Ladung Ernst des Lebens, sondern als Leserin bekomme ich nur den kleinen Einblick, den auch Violet bekommt. Staunend habe lesen dürfen, wie konsequent Lynn Austin diese Sicht durchhält, nur an ein, zwei kleinen Stellen hatte ich den Eindruck, dieses hätte Violet jetzt nicht so wissen dürfen. Die junge Dame ist durchaus so naiv gezeichnet, wie ich das erwartet habe, hin und wieder geriert sie sich etwas altklug. Überraschend war für mich der winzige Schuss Ironie und der der Bitterkeit, der mich ahnen lässt, wie einsam Violet ist.


    Schade ist, dass die ernste Thematik nicht vertieft werden kann, was aber schon daran scheitern dürfte, dass das Buch eben aus der Perspektive Violets geschrieben ist. Das Chicago mit seiner Weltausstellung im Jahre 1893 habe ich an ihrer Seite und mit ihren Augen gerne kennengelernt, es war interessant, auch wenn es nur ein kleiner Einblick in diese schon damals brodelnde Stadt war.


    Womit ich allerdings ein gewisses Problem habe, ist die Einsortierung als „heiterer“ Roman. Was hätte mich denn erheitern sollen: Dass Violet sich ein parfümiertes Taschentuch vors Näschen halten muss, als es in die Elendsviertel ging und sie vermutlich gar nicht begreift, dass sie dadurch die Menschen dort verletzen kann? Tante Birdie, die in ihre ganz eigene Welt geflüchtet ist aus Schmerz über den Verlust ihres Mannes? Tante Matt und ihr eine feine Dame seltsam anmutendes Gebaren? Die Pumphosen (Seite 279 ff.)? Dass Violet erkennen muss, wie sehr sie Objekt und wie wenig Subjekt sie für drei Viertel der Männer ist, die ihr einen Heiratsantrag machen? Schmunzeln musste ich allerdings – und beschämt sei eingestanden: mit ein wenig Schadenfreude – über das „Schlammbad“ (Seite 202 f.); die „Kussszene“ von Seite 410 hat mir ein still vergnügtes Lächeln entlockt.


    Mal etwas ganz anderes von Lynn Austin, aber mir hat es durchaus Spaß gemacht. Zufrieden bin ich auch mit dem etwas offenen Ende, das Violet in eine für sie spannende Zukunft entlässt. Sehr zufrieden bin ich überhaupt, dass die Autorin die Geschichte nicht überstrapaziert hat, zum Beispiel indem sie … ähem … die Hochzeit ihres Vaters anders gestaltet hat, um nicht zu viel zu verraten. Ein ruhiges Buch, bei dem ich genug über die Protagonisten erfahren habe, um etwas mehr als eine Ahnung davon zu bekommen, wie ihr weiteres Leben aussehen wird.