David E. Hilton - Wir sind die Könige von Colorado

  • Über den Autor:
    David E. Hilton, Jahrgang 1974, ist als Junge oft mit seinen Eltern zum Skifahren in den Bergen gewesen. Auf dem Weg dorthin kam die Familie stets an einem verwitterten Schild mit der Aufschrift "Erziehungsanstalt" vorbei. Die Frage, wie diese Anstalt wohl aussah und was sich dort ereignet haben mag, hat David E. Hilton nun mit seinem ersten Roman beantwortet.
    Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Austin, Texas.


    Zum Inhalt:
    Die Könige von Colorado handelt vom jungen William Sheppard. Er leidet unter einem alkoholkranken Vater, der ihn und die Mutter schwer misshandelt. Mit dreizehn Jahren handelt Will und sticht seinem Vater ein Messer in die Brust, als er seine Mutter halb tot prügelt. Der Vater überlebt, William wird jedoch für zwei Jahre auf eine Erziehungsranch in Colorado geschickt.
    Dort sind Grausamkeiten ebenfalls auf der Tagesordnung, von den Aufsehern wird mehr als hart durchgegriffen. Doch auch wahre Freundschaft unter den Jungen kommt zustande, denn nicht alle sind Schwerverbrecher, sondern einige ein Opfer der Umstände, so wie Will.

    Meine Meinung:
    David Hilton erzählt mit leisen Worten von einem Jungen, der Opfer der Umstände und eines meines Erachtens haarsträubenden Rechtssystems wurde. Ich bin wirklich froh, nicht im Amerika der Sechzigerjahre zu leben, die Beschreibung der Selbstverständlichkeit mit der das Urteil und die Schindereien hingenommen werden, macht mich mehr als betroffen und wütend. Sehr eindringlich wird einem der Alltag in diesem Erziehungscamp nahe gebracht, mit drastischen Schilderungen von Grausamkeiten durchaus nicht gespart.

    Der Roman lebt nicht von atemberaubender Spannung, sondern von den Personen in die man sich einfühlen kann, sowie den Schilderungen des Alltags, der schließlich in einem Gewaltausbruch eskaliert.
    Den Schluss empfand ich persönlich als etwas dick aufgetragen, obwohl Will auch als alter Mann glaubwürdig bleibt.
    Da Will rückblickend als Mann von 60 Jahren erzählt, gibt es durchaus eine erzählerische Distanz, die einen leicht nüchternen Eindruck erweckt. Aber eben durch diesen Abstand wird das Geschehen noch näher an den Leser herangetragen, da man nicht von den Emotionen der handelnden Personen erschlagen wird.
    Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, dem ich 9 Punkte gebe.

    Ich lese grade:


    Der Herr des Turms - Anthony Ryan
    ________
    Save the earth - it's the only planet with chocolate!

  • Wir sind die Könige von Colorado
    Autor: David E. Hilton
    Verlag: Arche
    HC, 392 Seiten
    Preis: € 19,90


    Meine Meinung:
    Lange hat Will, 62 Jahre und seit vier Jahren Witwer, die Tränen und die Trauer zurückgehalten die ihn beim Anblick eines sterbenden Pferdes zu überwältigen drohen. Nach unzähligen schlaflosen Nächten beschließt er, sich alles von der Seele zu schreiben, sich endlich den Gespenstern der Vergangenheit zu stellen.


    "Im Sommer 1963, als ich dreizehn war, stieß ich meinem Vater ein Davy-Crockett-Taschenmesser in die Brust."


    Diese Tat hat er begangen um seine Mutter vor dem ständig besoffenen und gewalttätigen Vater zu beschützen. Der Vater überlebt und Will muss für zwei Jahre in eine Jugendstrafanstalt, die sich in den unwirtlichen Bergen Colorados befindet. Eine Pferderanch, die die jugendlichen Straftäter aufnimmt und als kostengünstige Arbeiter nutzt um dann hohe Gewinne zu erzielen.


    Ein Albtraum beginnt - nicht nur in Form des sadistischen Oberaufsehern Frank, sondern auch in dem Mitgefangenen Silas Green, der unverkennbar psychopatische Züge aufweist. Aber es finden sich auch Freunde, wenn auch anfangs schwer und es dauert eine ganze Weile bis die Jungs gegenseitiges Vertrauen aufbauen und sich ihre Geschichten erzählen können.


    "Ich gab mich ganz der täglichen Arbeit hin und dachte nicht an die Menschen die fehlten, sondern an jene, die ich wiedersehen würde, wenn meine Zeit hier abgelaufen war."


    Die Jungs wissen, dass sie sich auf dieser Ranch verändern werden, dass bei dem Erlebten nichts mehr so sein wird wie es einmal war....


    Fazit:
    Der Klappentext wird mit dem Satz eingeleitet: "Hier ist er: Der Erbe von William Goldings Herr der Fliegen". - Nun, das ist etwas hochgegriffen obwohl es mir beim Lesen tatsächlich oft so ging, dass ich den Eindruck hatte die jungen Straftäter sind völlig alleine in ihren archaischen Strukturen gefangen. Oftmals (nicht immer) spielten die Erwachsenen eher eine Nebenrolle. Tatsächlich aber kann es der Erzählstil des Autors mit der suggestiven Kraft Goldings nicht aufnehmen.


    Ich fand das Buch spannend, aber auch leider zum Ende hin etwas überladen und pathetisch und bekommt von mir 8 Punkte

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

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  • Inhalt: Wiliam Shepphard ist Anfang sechzig und hat ein bewegtes Leben hinter sich. Doch er hat nie jemandem davon erzählt, selbst seiner geliebten Frau nicht, die schon seit einigen Jahren tot ist. Doch durch einen tragischen Verkehrsunfall, zu dem Will zufällig als Zeuge hinzukommt, werden alte Erinnerungen in Will wach und er muss sich letzendlich mit der Geschichte seines Lebens auseinandersetzen. Mit dreizehn Jahren wurde Will zu zwei Jahren in einer Jugenstrafanstalt verurteilt, nachdem er seinen Stiefvater mit einem Messer niedergestochen hat. Seine Mutter äußert sich nicht zu der Tat und sieht einfach zu, wie der Junge zur Verbüßung seiner Strafe abfährt...Als Will auf der Swope Ranch ankommt, erfährt er recht schnell einen Vorgeschmack auf die Zeit, die vor ihm liegt. Zusammen mit anderen Jungen verschiedenen Alters und den Aufsehern sollen auf der Ranch wilde Pferde abgerichtet und anschließend verkauft werden. Will gewöhnt sich an den Alltag auf der Ranch un gewinnt in Coop, Mickey und Benny echte Freunde. Doch diese Freundschaft muss mehrere harte Proben bestehen – von einer wilden, ungezähmten Stute, über den cholerischen Aufseher Frank und den gefährlichen Mithäftling Silas bis hin zu dem schicksalshaften Auftrag, entlaufene Pferde in den Bergen zu suchen und sie wieder einzufangen.


    Meine Meinung: Natürlich wunderte ich mich über die etwas großmäulige Bewerbung des Buches mit dem Klassiker „Herr der Fliegen“. Die Inhaltsangabe erinnerte mich nach dem ersten Lesen auch an eine, möglicherweise handlungsähnliche, Kurzgeschichte von Stephen King. Die Leseprobe schließlich gab den Ausschlag für mich – ich wollte wirklich zu gern wissen, wie es mit Will weitergehen sollte und ob die Eingangssituation des Buches wirklich so hoffnungslos war, wie auf den ersten Seiten beschrieben. Schlußendlich habe ich das Buch an einem langen Nachmittag gelesen und mit einem lachenden und einem weinenden Auge zugeklappt. Während des letzten Drittels habe ich - was mir sehr selten passiert – doch wirklich 2 Taschentücher verbraucht. Sicher, an manchen Stellen ist das Buch vielleicht ein wenig zu dramatisch und die Ereignisse spitzen sich so zu, dass man denkt, schlimmer kann es gar nicht kommen. Trotzdem war ich von Hiltons Erzählweise und der brachialen Ehrlichkeit sehr beeindruckt. Denn es braucht manchmal wirklich nicht viel, um einen guten Roman zu schreiben – es reichen 4 Jungen, 4 verschiedene Leben und eine Freundschaft, die über Jahrzehnte hält, weil sie im Dunkeln gewachsen ist; an einem Ort, wo alte Ängste für schlaflose Nächte sorgen und das Schweigen eines Freundes mehr sagt, als alle gutmeinenden Worte es können.


    Mich hat der Roman wirklich sehr berührt, aufgewühlt und mir ein paar wirklich lesenswerte Stunden beschert. Ich für meinen Teil finde die Geschichte sehr überzeugend und geradeaus. Auch das etwas gewaltig anmutenden Ende hat mich nicht enttäuscht, sondern mitgerissen und sehr nachdenklich zurückgelassen. Den Vergleich mit Golding möchte ich aus meiner Warte nicht bewerten, den für mich sind es zwei ganz unterschiedliche Stimmen und Werke. Kurz und bündig würde ich sagen: einfach mal in einer ruhigen Minute hineinlesen - vorurteilsfrei - und schauen ob einen der Colorado-Sog nicht doch erwischt.

  • Meine ganz ehrliche Begeisterung vorweg: Dieses Buch hat mich über mehrere Kapitel mit offenem Mund da sitzen lassen. Sprachlos und tief bewegt konnte ich das Debüt des Amerikaners David E. Hilton schlichtweg nicht mehr aus den Händen legen. Für mich das überraschende Lese-Highlight der letzten Monate!


    Der Ich-Erzähler William entführt den Leser weit hinein in seine Vergangenheit. Als alter Mann und mittlerweile Witwer nimmt er allen Mut zusammen, um sich seinen nie aufgearbeiteten Albträumen aus der Jugend zu stellen. Geprägt von einem alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater und einer liebevollen, aber völlig verängstigten Mutter, greift William als Teenager eines Tages seinen mal wieder auf die Mutter einprügelnden Vater mit einem Messer an. Als Folge dieser Gewalttat wird William verurteilt und für zwei Jahre in ein Erziehungscamp für Jugendliche beordert. Auf der Swope Ranch werden die Jugendlichen mit harter körperlicher Arbeit und derbem Drill gefügig gemacht. Die begabtesten Jungen unter ihnen haben darüber hinaus die Möglichkeit, mit kürzlich eingefangenen Mustangs zu arbeiten.


    Vor diesem Hintergrund lernt William rasch Feinde wie Freunde innerhalb der Gruppe von Jungen kennen. Übelste Prügeleien, aber auch solidarisches Verhalten sind unter den Teenagern an der Tagesordnung. Gerade mit Benny, Coop und Mickey kristallisiert sich für William eine echte Freundschaft heraus.


    Eine dramatische Wendung nimmt der Alltag auf der Ranch, als eines Nachts ein paar der Pferde ausbrechen. Ein Suchtrupp aus Wärtern und Jungen wird mit der Rückbringung der entlaufenen Pferde beauftragt. Was sich in den folgenden Tagen dort in den Tälern und Wäldern der Rocky Mountains ereignet, lässt William schließlich völlig traumatisiert zurück.


    Immer an der Grenze des Unaussprechlichen kratzt Hilton mit seinem Roman um vernachlässigte bis schwer gestörte Jugendliche. Jeder Leser weiß, dass es derart gewaltbereite junge Männer tatsächlich leider zu Hauf gibt. Gerade die Nähe zur Realität verleiht dieser Geschichte so viel Gewicht. Besonders ist dabei auch die Gabe des Autors, charakterliche Feinheiten so heraus zu arbeiten, dass der Leser glaubt, selbst hinter der brutalsten Fassade eines Schlägers auch einen zutiefst verunsicherten Jungen zu erkennen. Uneingeschränkt empfehlenswert!

  • Wills Familienverhältnisse sind unzumutbar: Der Vater trinkt und schlägt nicht nur Will, sondern auch seine Mutter. Das ist etwas, das Will nicht ertragen kann und eines Tages, als er es einfach nicht mehr aushält, sticht er mit seinem Taschenmesser mehrmals auf den Vater ein als dieser seiner Frau gerade den Arm gebrochen hat. Konsequenz: Zwei Jahre im Erziehungsheim "Swope Ranch". Dort bewirtschaften Jungen, die aus den unterschiedlichster Gründen "einsitzen", eine Ranch, auf der wilde Mustangs gezähmt und dann gewinnbringend weiter verkauft werden.


    Trotz aller Widrigkeiten gelingt es Will, dort echte Freunde zu finden. Die vier nennen sich die "Könige von Colorado", weil sie beim allabendlichen Kartenspiel einmal jeder einen der vier Könige im Blatt hatten. Doch leider währt das Glück nicht lange: Silas Green, ein Junge vor dem die Krankenschwester der Ranch, Miss Little, Will gleich am ersten Abend gewarnt hatte, stiftet Unfrieden , wo er nur geht und steht. Bandelt mit den Wärtern an, um in den Genuss von Vergünstigungen zu kommen und beschuldigt stets andere seiner Vergehen. Ein richtiges Aas. Überhaupt sind die meisten Wärter dort sehr willfährig und keiner unternimmt etwas dagegen.


    Nachdem Will schon einige Zeit auf der Ranch ist, und auch schon so manchen Schicksalschlag einstecken musste, ist er zum "Abrichter", dem begehrtesten Job auf der Ranch aufgestiegen. Doch da brechen eines Tages acht Pferde aus. Der Direktor sieht sich um seinen Gewinn gebracht und schickt einen Suchtrupp bestehend aus 8 Abrichtern und 3 Wärtern hinterher. In den Bergen rund um die Ranch kommt es daraufhin zu einer erschreckenden Abrechnung...


    David E. Hilton (bei dessen Namen ich sofort an Susan E. Hinton und die Outsider denken musste) schreibt absolut fesselnd über Wills Erfahrungen. Aus der ich-Perspektive erzählt Will seine Erlebnisse. Das erschreckende dabei ist, wie Unschuldige in einen Sog von Gewalt hineingezogen werden, bei dem sie null Chancen haben, ohne Schäden wieder herauszukommen - egal wie sehr sie strampeln... Wie Gewalt wieder Gewalt erzeugt und welche Auswirkungen das auf ein ganzes Menschenleben haben kann. Aber eben auch, wie die handelnden Personen ihren Frieden mit dem Geschehenen machen. Ein Buch, das ich in einem Rutsch durchgelesen habe - und das sicher nicht zum letzten Mal!

    Liebe Grüße :wave


    Waldmeisterin


    Every day I give my family two choices for dinner: take it or leave it!


    Nulla unda tam profunda quam vis amoris furibunda

  • In seinem Roman "Wir sind die Könige von Colorado" beschreibt David E. Hilton eine Welt, wie man sie sich nicht vorstellen möchte.


    Will ist 13 Jahre alt, als er die brutalen Angriffe seines ewig alkoholisierten Vaters auf sich und seine Mutter nicht länger ertragen kann. Er attackiert den Vater mit einem Messer und verletzt diesen lebensgefährlich. Hilfe hat der Junge in seiner ausweglosen Situation nie bekommen, und auch jetzt geht er leer aus. Selbst von seiner Mutter, die trotz all vorangegangener Qual zum Vater hält, muss er sich verlassen fühlen, als er völlig verängstigt, mit nur einem Foto von ihr als Gepäck, nach Colorado auf eine Erziehungsfarm abgeschoben wird. Was Will dort erlebt ist kaum in Worte zu fassen. Als Freiwild sind die Jungen der Willkür der Aufseher ausgesetzt, denen jeder Weg recht ist, den Willen der Jungen zu brechen. Halt findet er nur in der Freundschaft zu ein paar Jungen, seinen Schicksalsgenossen, der farbigen Krankenschwester Miss Little und der Arbeit mit den Pferden. Im Umgang mit diesen entwickelt er ein besonderes Talent und kann vom Stallburschen zum Abdecker aufsteigen. Nach dem Ausbruch einiger Wildpferde wird er somit auch ausgewählt in einem Trupp aus Aufseher und Jungen diese Pferde wieder einzufangen. Auf dieser Expedition spitzt sich die Lage zu, und bald geht es nur noch um Leben und Tod.


    Viele Jahre hat Will die traumatischen Erlebnisse aus seiner Jugend verdrängt. Erst als alter Mann beginnt er seine Erinnerungen zu Papier zu bringen. Schonungslos lässt er sie Leser daran teilnehmen. David E. Hilton erzählt somit Wills Lebensgeschichte aus dessen Sicht, jedoch in einem ruhigen und fließenden Erzählstil. Alltägliche Geschichten werden durch schreckliche Erlebnisse der Jungen unterbrochen, teilweise ohne große Vorwarnung, manchmal drohen sie sich schon durch kleine Ankündigungen Wills an. Der Leser bekommt das Gefühl die Geschehnisse zeitnah und vor Ort mitzuerleben und teilt die Emotionen des Erzählers. Er baut Nähe zu den Protagonisten auf, lässt natürlich auch Abneigung und Abscheu entstehen. Der Leser wird schockiert sein, atemlos, gebannt, vielleicht auch den Tränen nahe und sicher wird er, so wie ich, unter den Jungen auch seinen besonderen Liebling finden, dessen Schicksal ihm besonders am Herz liegt.

  • Will und seine Mutter werden von seinem Vater, der alkohlabhänigg ist, oft verprügelt. Mit 13 Jahren hält Will es nicht mehr aus und versucht seinen Vater zu töten indem er ihm ein Messer in die Brust sticht. Der Vater überlebt und Will wird zu zwei Jahre auf einer einsamen Ranch in Colorado, eine Art Erziehungsanstalt, verurteilt. Dort herrschen rauhe Sitten. Trotz aller Widrigkeiten hat er eine Freundschaft mit zwei Jungen. Sie gehen durch dick und dünn. Als auf der Ranch Pferde ausbrechen, werden Will und seine Freunde, ein paar andere Jungs sowie ein paar Aufseher losgeschickt, diese wieder einzufangen. Ab da geht das Chaos los und jeder kämpft ums Überleben.


    Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Mit Will und seinen Freunden habe ich gelitten und war entsetzt über die vielen Grausamkeiten die es auf der Ranch gab. Es ist das erste Buch seit langem, welches mich wirklich mitgenommen und zu Tränen gerührt hat. Absolut empfehlenswert.

  • Hauptfigur des Debütromans von David E. Hilton ist William Sheppard, der von seiner bis ins Alter verdrängten, schrecklichen Jugendzeit in den sechziger Jahren erzählt. Im Alter von dreizehn Jahren sticht William auf seinen Vater ein, als dieser wieder einmal die Mutter schlägt und missbraucht. Daraufhin wird William zu einem zweijährigen Aufenthalt auf einer sogenannten Erziehungsranch in den Bergen von Colorado verurteilt. Dort regieren eigene Gesetze. Der Alltag zwischen zu zähmenden Pferden und skrupellosen Aufsehern ist rau und grausam, gnadenlos und unbarmherzig. Trotzdem gibt es kleine Lichtblicke, nämlich das Erleben von Freundschaft und Zusammengehörigkeit unter vier gleichgesinnten Jungs, die sich in Anlehnung an ein Kartenspiel die Könige von Colorado nennen. Eines Tages brechen mehrere Pferde aus, die Suche nach ihnen beginnt und die Situation eskaliert.
    David E. Hilton beschreibt William's Geschichte zwar nüchtern, aufgrund der geschickt gewählten Ich-Form jedoch sehr eindringlich. Die Handlung ist besonders am Anfang des Buches mitreißend und fesselnd. Allerdings reiht sich im Verlauf des Geschehens ein brutales Ereignis an das andere, so dass ich mit der Zeit die Lust am Lesen verlor. Auf der Ranch, auf der unmenschliche, kaum als solche zu bezeichnende Erziehungsmethoden herrschen, gibt es entweder Gut oder Böse, und das Böse ist an Härte kaum zu überbieten. Ob die ausführlichen und sich wiederholenden Schilderungen von Gewaltszenen wirklich nötig gewesen sind, bleibt für mich fraglich. Meiner Meinung nach hemmen sie das Fortschreiten der Handlung und gehen auf Kosten der Charakterisierung der Personen, denn gerade über William's Freunde und ihre Vorgeschichten hätte ich gerne mehr erfahren. Auch mit dem Ende, das in Bezug auf William's Schicksal vielleicht versöhnlich stimmen mag, kann ich mich nicht so recht anfreunden.
    Der Roman hinterlässt bei mir gemischte Gefühle. Auf der einen Seite haben mir Sprach- und Erzählstil des Autors gut gefallen, auf der anderen Seite habe ich Tiefgang und Sensibilität vermisst und war stattdessen mit jeglicher Form von Brutalität konfrontiert.
    Ich hatte mich auf William, seine Freunde und Colorado gefreut. Daß dieses Leseerlebnis kein Zuckerschlecken wird, war mir im Vorhinein klar. Doch von der Umsetzung eines interessanten und realitätsnahen Themas bin ich insgesamt gesehen enttäuscht.

  • Zum Inhalt:


    William Sheppard ist 62, gerade wurde ihm seine Stelle gekündigt. Als er einen Autounfall beobachtet, bei dem ein Pferd schwerverletzt wird und dann auf der Straße stirbt, kommen in ihm die Erinnerungen an seine Jugend hoch und er beschließt, diese aufzuschreiben.


    Mit 13 Jahren hat er versucht, seinen Vater umzubringen, einen gewalttätigen Alkoholiker, der ihn und die Mutter regelmäßig verprügelt hat. Aber anstatt dafür gelobt zu werden, ist seine Mutter entsetzt und das Gericht verurteilt ihn zu 2 Jahren Erziehungsanstalt, auf der Swope Ranch in Colorado. Diese Ranch liegt tief in den Rocky Mountains und dort werden Wildpferde gezähmt sowie straffällig gewordene Jungs „therapiert“.


    Den Jungs wird erzählt, es wäre ein Privileg, dass sie ihre Strafe dort in der Natur abarbeiten dürfen anstatt im Knast zu sitzen. Doch sehr schnell stellt sich heraus, welche Zustände auf der Ranch herrschen. Kämpfe zwischen den Jungs sind nicht nur nicht untersagt, die Aufseher und der Anstaltsleiter wetten sogar auf den Sieger. Die Aufseher sind größtenteils Sadisten, laufen mit Waffen herum und scheuen deren Einsatz nicht, obwohl es doch eigentlich sowieso keine Fluchtmöglichkeit in der Einsamkeit des Gebirges gibt. Jeder mit einem Funken Menschlichkeit in sich, verlässt die Ranch wieder so schnell er kann, außer der Krankenschwester, die für die Jungen wenigstens ein kleiner Lichtblick ist.


    Trotz alledem findet Will relativ schnell Anschluss an einige der anderen Jungen und es entwickeln sich zaghafte Freundschaften. Benny, Mickey, Coop und er spielen abends gemeinsam Karten und stehen auch sonst füreinander ein – soweit sie können, denn andere sind oft stärker.


    Während die Jungs sich mit dem Leben auf der Ranch und den teilweise fürchterlichen Geschehnissen irgendwie arrangieren und sich nicht unterkriegen lassen, beginnt das wahre Grauen, als eine Gruppe Aufseher und Jungen sich auf den Weg ins Gebirge macht, um einige entlaufene Pferde wieder einzufangen.



    Meine Meinung:


    Ein sehr fesselnder und zugleich ungemein beklemmender Roman. Dass das Erziehungssystem sowie Wertmaßstäbe in den USA der 60er Jahre sicher etwas völlig anderes waren als heute, ist das eine. Unfassbar aber das tägliche Grauen, das diese Jungs erleben mussten und das aus der Perspektive des erwachsenen Will so nüchtern geschildert wird. Man weiß vom Prolog her, dass er diese langen 2 Jahre offensichtlich überleben wird, aber während der Erzählung zweifelt man des Öfteren daran, dass er aus alldem heil herauskommen wird.


    Während auf der einen Seite die sowohl körperlichen als auch emotionalen Grausamkeiten geschildert werden, wird andererseits eine Geschichte von Freundschaft erzählt, wie man sie selten findet. Diese Jungs werden durch die Geschehnisse zu derart engen Kameraden zusammengeschweißt – aber auch ihre Freundschaft hilft ihnen oft nichts, nicht alle überleben ihre Strafe auf der Ranch. Während die ersten zwei Drittel des Buches das Grauen eher unterschwellig schildern und auch immer wieder Raum für Hoffnung lassen, eskaliert die Situation endgültig, als die Gruppe sich auf die Suche nach den entlaufenen Mustangs macht. Was hier an Grausamkeiten geschieht, ließ mich beim Lesen mehr als einmal Innehalten und Schaudern. Wie Menschen einander derartiges antun können, übersteigt meinen Horizont. Und trotzdem immer wieder der Funke der Freundschaft, der einem Hoffnung gibt, dass nicht alle so sind, dass es inmitten des Bösen auch etwas Gutes gibt, das nicht zerstört werden kann!

  • Ich fand die Leseprobe zu "Wir sind die Könige von Colorado" eigentlich eher schlecht, habe mich dann aber jetzt doch an das Buch gewagt und es gerade zu Ende gelesen - und puh, leichte Kost geht anders.


    Der Klappentext lässt zwar schon auf einige deftige Passagen schließen, aber dass dann doch so viel Brutalität und Gleichgültigkeit treffend im Buch beschrieben wird, das war schon sehr heftig.


    Mir kam jedoch die im Klappentext angesprochene "Natur des Bösen" etwas zu kurz, bzw. fehlten mir hier eindeutig Erklärungen und Erläuterungen zu einigen Personen bzw. Handlungen, wie z.B. Silas Green, der zwar als straffälliger Jugendlicher mit Will und seinen Freunden (wenn er sie denn so nennen darf) auf der Ranch ist, der aber besser in einem Jugendgefängnis als in der Erziehungsanstalt aufgehoben gewesen wäre (denn teilweise beschreibt Hilton ja auch, dass Jugendliche dorthin gebracht werden nach entsprechenden Verfehlungen). Green war für mich definitiv eine der unsauberer gezeichneten Personen.


    Will und sein "Kleeblatt" aus Freunden, die er trotz aller Widrigkeiten findet, müssen sich nicht nur gegen die anderen Jugendlichen und die Aufseher und Heimleitung durchsetzen, sie machen sich in meinen Augen auch selbst das Leben sehr schwer - was aber durchaus als "jugendliche Leichtsinnigkeit" tituliert werden kann, denn sie sind ja alle um die 13-15 Jahre alt. Manches Verhalten fand ich jedoch einfach seltsam...


    David E. Hilton verzichtet darauf, viel vom aktuellen Leben seines Protagonisten zu erzählen sondern beschränkt sich hier auf einige wenige Details, was ich sehr gut fand, denn noch mehr Informationen hätten die gesamte Geschichte nur unnütz aufgebläht.


    Das Buch hat mich überrascht, aber nicht überzeugt. Die Schilderung aus der Sicht der "älteren" Will ist spannend, aber auch ich fand das "erste" Ende doch etwas sehr dramatisch und war dann froh, dass diese Geschichte durch das "zweite" Ende abgefangen wird. Auch wenn man bei dem Inhalt nicht von einem Happy End sprechen möchte, scheint doch irgendwie jeder der Jugendlichen früher oder später seinen Frieden gefunden zu haben.


    "Wir sind die Könige von Colorado" ist kein Buch für zwischendurch, es treibt einem schon das ein oder andere Mal die Tränen in die Augen vor Brutalität und Angst oder Mitgefühl. Aber genau die Beklemmung, die das Buch hinterlässt, sorgt bei mir dafür, dass ich es nicht zu meinen Lieblingsbüchern zählen kann.

  • „Keiner von uns wird je wieder derselbe sein.“


    Im Alter von 62 Jahren wird William Sheppard Zeuge eines Autounfalls, bei dem eine weiße Stute ums Leben kommt. Dies ist der Anlass und da er von seinem Arbeitgeber gerade nach 23 Jahren die Kündigung erhalten hat, hat er auch die Zeit, auf sein Leben zurückzublicken und seine Geschichte aufzuschreiben.


    Nachdem sein Vater ihn und seine Mutter, die Will innig liebte, jahrelang misshandelt hatte, ging der dreizehnjährige William mit dem Messer auf ihn los, um seine Mutter zu beschützen, und verletzte ihn lebensgefährlich. Urteil: zwei Jahre in einer berüchtigten Erziehungsanstalt am Ende der Welt in Colorado. Es handelte sich dabei um eine Ranch, auf der Wildpferde gezähmt wurden, um sie anschließend zu verkaufen. Die gefangenen Jugendlichen waren für alle mit den Pferden anfallenden Arbeiten zuständig. Die Arbeit war zwar hart, doch das war bei Weitem nicht das Schlimmste. Weitaus schlimmer war die willkürliche Gewalt der Aufseher, die Brutalität unter den Mithäftlingen, die Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden anderer. Da Will im Grunde ein gutes Herz hatte, fiel es ihm schwer, diese Ungerechtigkeiten zu ertragen.


    Will war eigentlich noch ein mehr oder weniger naives Kind, als er sich weit weg von zu Hause behaupten musste. In der Zeit seiner Inhaftierung entwickelte er sich rasant weiter, wobei ihm ein gutes Stück Kindheit/Jugend und das Urvertrauen einfach genommen wurden. Glücklicherweise schloss er auf der Ranch auch Freundschaften mit Coop, Benny und Mickey, die ihm Halt gaben. Die Krankenschwester Miss Little, die an ihrer eigenen Vergangenheit zu knabbern hatte, wurde eine Art Ersatzmutter für die Jungen. So schaffte Will es mit ihrer Hilfe, sich selbst treu zu bleiben und sich nicht in den Sog der Gewalt ziehen zu lassen. Er musste einen Weg finden, mit seiner Schuld und seinem Gewissen umzugehen. Den Jungen war klar, dass ihre Freundschaft das höchste Gut war, das ihnen auf der Ranch noch geblieben war. Nach Coops sinnlosem Tod führte Will dessen Werk fort: die unbändige weiße Stute Reaper zu zähmen. Das Unterfangen schien unmöglich, doch nach monatelanger Geduld fasste die Stute endlich Vertrauen zu Will, ein Vertrauen, das er später bitter enttäuschen musste.


    Hilton erzählt in der Ich-Perspektive aus Williams Sicht. Er beschreibt die Erlebnisse, Gefühle und Hoffnungen so eindringlich und bildhaft, dass einem die Geschichte wirklich unter die Haut geht. Der Erzählstil ist sehr flüssig und einfach, die Geschichte atmosphärisch dicht und berührend. Es fließen jede Menge Blut und Tränen. Brutale Szenen werden detailliert beschrieben, ohne reißerisch zu wirken. Die Spannung steigert sich immer mehr, man möchte das Buch nicht aus der Hand legen, bis nicht die letzte Seite gelesen ist.


    Fazit: für mich ein absolut empfehlenswertes Buch, ein echtes Highlight! 10 von 10 Punkten!