Istanbul, mit scharfe Soße - Alexandra Klobouk

  • Ein Buch für alle, die auch keine Ahnung haben, nennt die Autorin dieses kleine Buch in knallrotem Leineneinband mit weißer Bauchbinde. Übersehen kann man es auf keinen Fall und ebensowenig sollte man das ‚auch’ dieses Kernsatzes auf der Rückseite übersehen. Klobouk hatte tatsächlich keine Ahnung von Istanbul. Überhaupt wußte sie von Türken, Türkinnen und der Türkei nur das, was sie, als Studentin in Berlin gelandet, über die Medien und einige befremdliche Alltagserfahrungen mit ihnen erlebte. Das Ergebnis waren eine Menge seltsamer Eindrücke, die man auch Vorurteile nennen kann.
    Dann kam ein Moment, der ihre Neugier weckte. Das nächste war, folgt man ihrem Bericht, ein siebenmonatiger Aufenthalt in Istanbul. Der Rest ist eine Liebesgeschichte, eben mit dieser Stadt.


    Klobouk ist Grafikerin und sie setzt ihren Eindrücken von Istanbul nicht nur sprachlich ein witziges Denkmal. Es gibt viel Text, auf deutsch und türkisch, wohlgemerkt, vor allem aber gibt es Illustrationen. In Bilder umgesetzt sind die gängigen Vorurteile in der BRD ebenso, wie das chaotische Alltagsleben in Istanbul. Die Bedeutung von Tee und Kaffee, die wichtigsten Gesten (vor allem, die leicht zu Mißverständnissen führen), die Kunst in einem Sammeltaxi mitzufahren, wichtige Vokabeln und natürlich die Frage der Verhüllung der Frauen - es ist alles da. Sogar die allgegenwärtige Verehrung von Atatürk, eines der komischsten Kapitel.


    Der Strich ist vorgeblich naiv, Kinderzeichnungen ähnlich, die Perspektive immer leicht verzerrt. Durch die Verwendung von Rot, Schwarz und Weiß wirkt das Ganze plakativ. Tatsächlich ist es aber präzise und originell ausgeführt, es zeigt nicht nur einen eigenen Zeichenstil, sondern spiegelt auch die Mischung aus Naivität, Staunen und wachsendem liebevollen Verstehen der Erzählerin dieser ganz anders funktionierenden Gesellschaft wider. Es gibt Nuancen, Schattierungen, Witz und Widerspruch.


    Klobouk hat ein offenes Auge für die Widersprüche und die Probleme des Lebens in Istanbul ebenso wie für seine Schönheit und Liebenswürdigkeit. Eines der Kapitel heißt auch ‚Das Leben ist sehr schwer - Das Leben ist wunderschön’.
    Den Widrigleiten des Alltags begegnet sie mit Humor und einer beträchtlichen Portion Selbstironie. Zur eigenen Meinungsbildung läßt sie ihren Leserinnen und Lesern auch genug Raum, es wird viel Stoff zum Nachdenken geliefert.
    Das einzige, was ich nicht verstanden habe, ist der Titel des Buchs, weder in seiner seltsamen grammatikalischen Ausformung noch inhaltlich.


    Eine ganz eigene, sehr persönliche Sicht auf Istanbul. Und schön, daß die Autorin sie so bereitwillig mit anderen teilen möchte.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ein Buch für alle, die auch keine Ahnung haben. Meint die etwa mich? :wow Das Buch klingt aber gut.


    Ich mache mal einen Versuch, den Titel zu erklären:


    Wenn man einen Döner kauft, wird man häufig gefragt: "Mit scharf?" oder "mit scharfe Soße" (in dieser grammatikalischen Ausformung). Dies hat dazu geführt, dass deutsche Dönerkäufer diese Ausformung übernommen haben und z.B. gleich bei der Bestellung sagen: "Mit viel scharf." Oder auch "Ohne scharf."


    Folgendes ist mir prompt mal bei meiner Stamm-Döner-Bude passiert: Ich bestelle einen Dürüm-Döner und sage: "Mit scharf", woraufhin der Dönerverkäufer sagt: "Sie meinen, mit Chili-Pulver?"


    :schaem

  • Das sehe ich ja jetzt erst!
    Danke für die Erklärung, klingt stichhaltig.
    Ich habe eben wirklich keine Ahnung, ich esse keine Döner. :lache




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich seh schon, ich sollte mich mal wieder vom Bildschirm weg nach draußen begeben.


    :grin



    Ein Hinweis an die, die jetzt erst mitlesen: es handelt sich NICHT um ein Kochbuch. Auch wenn viel vom Essen die Rede ist.





    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Ich trau mich gar nicht, das Buch zu zerreissen, nachdem der Thread hier so nett ist. :schaem


    Also: Die Zeichnungen fand ich wirklich gut und insbesondere die Werbepostkarte würde ich mir auch gerahmt an die Wand hängen. Ansonsten hat mich das Buch nicht so vom Hocker gerissen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie Vorurteile abbaut oder nicht gerade bestätigt. Ich habe gelernt, dass Türken gastfreundlich, temperamentvoll und laut sind, und viel Tee und Kaffee trinken. Duh! Mir fehlt irgendwie die Überraschung.


    Hier sieht man die Postkarte, die mir so gut gefallen hat.

  • Manno, ich erwarte hier Konfetti und nun ...


    :lache



    Es ist eben nur und ausschließlich etwas für die, die ab-so-lut keine Ahnung haben. ;-)


    Danke für den Link zur Karte.



    :wave



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus