Der langsame Tod des Roland Barthes - Hervé Algalarrondo

  • Verlag: Parthas
    223 Seiten
    Aus dem Französischen von Dino Heicker


    Kurzbeschreibung:
    Roland Barthes (1915–1980), einer der großen französischen Denker des 20. Jahrhunderts, hatte eine große Schwäche: seine Mutter Henriette, vom ihm zärtlich »Mam« genannt. Über 60 Jahre lang waren Mam und Roland ein Paar, das sich Tisch und Wohnung teilte. Daneben gab es noch einen Kreis junger, homosexueller Intellektueller, der für ihn zu einer Art Zweitfamilie wurde. Dennoch galt Roland Barthes’ Liebe einzig und allein seiner Frau Mama. Diese symbiotische Mutter-Sohn-Beziehung wird von Hervé Algalarrondo genauer beleuchtet. Dabei beschränkt sich der Autor vor allem auf die letzten drei Lebensjahre des Meisterdenkers: Angefangen mit der Aufnahme 1977 in das Kollegium des Collège de France, über den schmerzhaften Verlust der Mutter im selben Jahr und die Zeit der Niedergeschlagenheit danach, bis hin zu jenem tragischen Unfall, der sich, obwohl auf den ersten Blick harmlos, als tödlich erweisen wird. Eine Reihe von Weggefährten konnten persönlich zu Barthes befragt werden. So erfährt der Leser zum Beispiel manches von Isabelle Adjani, Michel Foucault, Julia Kristeva, Claude Lévi-Strauss, Alain Robbe-Grillet u.v.a.m.


    Über den Autor:
    Hervé Algalarrondo arbeitet als Spezialist für die französische Innenpolitik für den Nouvel Observateur. Er ist Autor von Romanen wie »L’Archer du Pont de l’Alma« (2008) und Essays wie »Sécurité: La Gauche contre le Peuple« (2002).


    Meine Meinung:
    Hervé Algalarrondo hat mit seiner Biographie über die letzten Jahre des französischen Literaturkritiker, Schriftsteller und Philosoph Roland Barthes hat ein Problem: Roland Barthes hat selbst autobiographische Texte geschrieben. Mit „Tagebuch der Trauer“ ist ein solcher Text erst vor kurzen erschienen. Algalarrondos etwas reißerischer Ansatz funktioniert deswegen weniger gut. Seine „Enthüllungen“ sind auf feine, unaufdringliche Art durch Barthes selbst teilweise schon bekannt.


    Da es aber, soweit mir bekannt, keine aktuelle deutschsprachige Biographie über Roland Barthes gibt, bin ich trotzdem dankbar über die vielen Details. Viel wird über Barthes Leben erzählt. Da er homosexuell war, heiratete er nie, lebte stattdessen mit Mutter und Bruder zusammen. Fast sein ganzes Lebens. Selbst als sein Bruder heiratete, lebten sie weiterhin in einem Haus. Roland Barthes nahm praktisch die Ernährerfunktion in der Familie ein. Durch sein Werk wurde er zu einem bekannten Mann, manchmal auch erfolgreich.
    Sein bekanntes Buch „Fragmente einer Sprache der Liebe“ wurde ein Bestseller.
    Wenn er Vorlesungen an der Universität hielt, war das für die Besucher etwas Besonderes. Das Wort des Meisters galt viel. Ihn zu kennen, war schon eine Auszeichnung. Unter den Fachleuten selbst war Barthes nicht unumstritten. Darunter litt er. Er war überhaupt ein sehr empfindlicher Mensch, der mit seinen schriftstellerischen Arbeiten zwar überzeugte, doch auch davon träumte, selbst als Prosaautor Bücher zu schreiben. Das erfüllte sich nie. Dennoch halten ihn viele trotzdem für einen hervorragenden Schriftsteller, wie z.B. der französische Autor Alain Robbe-Grillet. Auch ich sehe in Barthes Büchern wie z.B. Die helle Kammer große literarische Qualitäten.


    Mit „Der langsame Tod des Roland Barthes“ hatte ich in einer Hinsicht ein Problem. Herve Algalarrondo hat Roland Barthes zwar einmal gesehen, gekannt hat er ihn jedoch nicht. Deswegen war er auf Aussagen der bekannten Barthes und Recherchen angewiesen. Nicht immer wurde klar, woher diese oder jene Erkenntnis stammt.

    Über Roland Barthes Eskapaden mit jungen Homosexuellen, die den Meister bewunderten, wird für meinen Geschmack etwas zu viel geschrieben. Dafür sind die Spekulationen über einige Selbstzweifel Barthes und ein Hauch Melancholie an sich glaubhaft und nachvollziehbar.


    Ich halte das Buch in dem Fall für gefährlich, wenn es sich an Leser wenden würde, die Roland Barthes eigene Texte nicht kenne. Dann könnte ein verzerrtes Bild seiner Persönlichkeit entstehen. Davon abgesehen ist die Biographie lebhaft geschrieben und selten langweilig.