Er
Linus Reichlin
Verlag Galiani Berlin
ISBN: 978-3869710365
274 Seiten, 18,95 Euro
Über den Autor: Linus Reichlin, geboren 1957, lebt in Berlin. Seine ersten beiden Jensen-Romane „Die Sehnsucht der Atome“ und „Der Assistent der Sterne“ waren monatelang auf der KrimiWelt-Bestenliste. Linus Reichlin erhielt den Deutschen Krimipreis 2009.
Klappentext: Hannes Jensen hat es nicht leicht. Annick, seine blinde Geliebte, hatte, wie er herausfand, vom Beginn ihrer Beziehung an einen Anderen und ist mit diesem nach New York durchgebrannt. Einzig ihren Blindenhund ließ sie zurück, der nun - wie ein bewegliches Mahnmal des Verrats - nicht von Jensens Seite rücken will. Als Jensen samt Hund zur Beerdigung seiner Schwester nach Berlin fährt, lernt er in einem Blumenladen Lea kennen. Die so eigenwillige wie schöne Frau übt auf Jensen sofort eine enorme Anziehungskraft aus. Zugleich, darüber ist er sich schnell im Klaren, haftet ihr etwas Rätselhaft-Tragisches an. Lea ist keine gebürtige Berlinerin. Sie stammt von einer schottischen Insel, auf der die Zeit stillzustehen scheint. Seit Generationen lebt man dort von Schafzucht. Jeder kennt jeden und die Sitten sind so rau wie das Klima. Mit siebzehn war Lea von dort nach Berlin geflohen, weil ihr strengreligiöser Vater sie zwangsverheiraten wollte. Sie war damals schwanger, und die Bewohner der Insel wie ihre Familie verdächtigten den Falschen, ihr Liebhaber zu sein. Erst zwei Jahrzehnte später, als er die Diagnose einer unheilbaren Krankheit bekam, bat Leas Vater seine Tochter, ihn noch einmal aufzusuchen. Er konnte nicht ahnen, dass durch ihren Besuch alles wieder auf brechen und eine verhängnisvolle Kettenreaktion ausgelöst werden würde, an deren Ende der grausame Tod eines Menschen steht. Als Jensen Lea kennen lernt, liegt dies bereits hinter ihr. Obwohl sich beide ineinander verlieben, findet Jensen ständig Indizien dafür, dass in Leas Leben noch ein zweiter Mann eine Rolle spielt; er zweifelt an allem und verstrickt sich in seine Eifersucht, bis diese Lea und ihm fast zum Verhängnis wird.
Meine Meinung: Nachdem ich von dem letzten Buch „Der Assistent der Sterne“ so begeistert war, konnte ich es fast nicht abwarten, das neue Werk aus der Feder von Linus Reichlin zu lesen. Wieder sind es die sprachliche Eleganz und der ganz eigene Humor, die sofort auffallen und die das Lesen dieses Buches zu einem Vergnügen machen.
Die Personen allerdings blieben mir dieses Mal etwas fremd. Jensen hat scheinbar einen Hang zu komplizierten Frauen und so ist auch die geheimnisvolle Lea, in die er sich verliebt, keine einfache Frau. Übertroffen wird sie allerdings noch von ihrer hochbegabten Tochter Toni und da die Dialoge mit ihnen so echt wirken, war ich selbst fast genauso erschöpft nach den Gesprächen wie Jensen selbst. So richtig sympathisch wurden sie mir auch im Laufe des Buches nicht. Nachdem Jensen von Annick erfahren hatte, dass er niemals der einzige Mann in ihrem Leben gewesen ist, möchte er nun von Lea die Exklusivität ihrer Beziehung bestätigt wissen, doch genau das tut sie nicht und so geht es zu einem großen Teil um Vertrauen, Eifersucht, Selbstzweifel. Lea verrät ihre Vergangenheit nicht, doch genau die könnte ihr zum Verhängnis werden, denn sie besitzt etwas, was für einige Männer auf ihrer Heimatinsel von großem Interesse ist.
Als Krimi würde ich dieses Buch diesmal nicht einordnen, deshalb habe ich unter "Zeitgenössisches" gepostet. Nur ganz am Rand geschieht zwar tatsächlich ein Mord, doch der ist so belanglos, es wird ihm so wenig Aufmerksamkeit gewidmet und er sorgt weder für Spannung noch für irgendwelche Ermittlungen. So kann man das Buch eher als eine Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten der Liebe sehen – sprachlich schön, intelligent und faszinierend.