Titel im englischen Original: By Nightfall
Hier meine Zusammenfassung und ein kurzer Kommentar:
Unser Leben ist eine Story. Nur manchmal sind wir nicht selbst der Autor.
Das trifft auch auf Peter Harris zu: Dieser hat sich sein Leben, seine Lebens-geschichte, kleinlich zusammen gebastelt und führt nun in Soho, Mitte 40, als Kunsthändler zusammen mit seiner Frau Rebecca ein ziemlich geordnetes Dasein. Aber Peter ist eben nur da, er lebt nicht. Das wird ihm klar, als Rebeccas jüngerer, drogenabhängiger Bruder Mizzy (‚the mistake’) zu Besuch kommt in der Hoffnung, sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Stattdessen inspirieren er und seine Schönheit Peter seinen bisherigen Lebensweg in Frage zu stellen.
Obwohl zu Beginn des Romans auf der Handlungsebene nicht allzu viel passiert, geschieht – unbewusst – etwas mit dem Leser. Indem wir Peter und Rebecca durch ihren Alltag begleiten und uns – zugegeben – dabei ein bisschen langweilen (denn interessant ist ja nur, was anders ist und nicht genauso wie unser Leben), bauen wir eine Empathie für die Protagonisten auf, die, als dann alles (und auch hier großteils wieder nur innerlich und nicht nach Außen hin) aus den Fugen gerät, uns Fehler verzeihen lässt. Peter ist so sehr mit sich selber beschäftigt, dass er einfach vergisst, nicht der Einzige zu sein, dessen Lebensgerüst Baumängel hat. Als er realisiert, dass keine Geschichte isoliert ist und sich immer auf andere bezieht (wie Cunningham das schon mit seinem Roman The Hours beweiste), ist das eine schmerzhafte Erfahrung für ihn. Und für den Leser. Der vielleicht in Zukunft nicht nur in seine eigene Lebensgeschichte vertieft ist.
Es ist mir unverständlich, wieso Michael Cunningham immer in die Schublade ‚gay fiction’ gesteckt wird. Zwar machen viele seiner Protagonisten gleichgeschlechtliche Erfahrungen, aber das hat weniger mit Homosexualität zu tun als mit Identitäts-suche. Aber indem wir Cunningham in diese Schublade stecken, grenzen wir uns bewusst von dem ab, worüber er schreibt. Weil wir zu große Angst haben, uns darin selbst wieder zu finden.