In die Nacht hinein von Michael Cunningham

  • Titel im englischen Original: By Nightfall


    Hier meine Zusammenfassung und ein kurzer Kommentar:
    Unser Leben ist eine Story. Nur manchmal sind wir nicht selbst der Autor.
    Das trifft auch auf Peter Harris zu: Dieser hat sich sein Leben, seine Lebens-geschichte, kleinlich zusammen gebastelt und führt nun in Soho, Mitte 40, als Kunsthändler zusammen mit seiner Frau Rebecca ein ziemlich geordnetes Dasein. Aber Peter ist eben nur da, er lebt nicht. Das wird ihm klar, als Rebeccas jüngerer, drogenabhängiger Bruder Mizzy (‚the mistake’) zu Besuch kommt in der Hoffnung, sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Stattdessen inspirieren er und seine Schönheit Peter seinen bisherigen Lebensweg in Frage zu stellen.
    Obwohl zu Beginn des Romans auf der Handlungsebene nicht allzu viel passiert, geschieht – unbewusst – etwas mit dem Leser. Indem wir Peter und Rebecca durch ihren Alltag begleiten und uns – zugegeben – dabei ein bisschen langweilen (denn interessant ist ja nur, was anders ist und nicht genauso wie unser Leben), bauen wir eine Empathie für die Protagonisten auf, die, als dann alles (und auch hier großteils wieder nur innerlich und nicht nach Außen hin) aus den Fugen gerät, uns Fehler verzeihen lässt. Peter ist so sehr mit sich selber beschäftigt, dass er einfach vergisst, nicht der Einzige zu sein, dessen Lebensgerüst Baumängel hat. Als er realisiert, dass keine Geschichte isoliert ist und sich immer auf andere bezieht (wie Cunningham das schon mit seinem Roman The Hours beweiste), ist das eine schmerzhafte Erfahrung für ihn. Und für den Leser. Der vielleicht in Zukunft nicht nur in seine eigene Lebensgeschichte vertieft ist.
    Es ist mir unverständlich, wieso Michael Cunningham immer in die Schublade ‚gay fiction’ gesteckt wird. Zwar machen viele seiner Protagonisten gleichgeschlechtliche Erfahrungen, aber das hat weniger mit Homosexualität zu tun als mit Identitäts-suche. Aber indem wir Cunningham in diese Schublade stecken, grenzen wir uns bewusst von dem ab, worüber er schreibt. Weil wir zu große Angst haben, uns darin selbst wieder zu finden.


    :fingerhoch :fingerhoch :fingerhoch :fingerhoch

  • Also ich würde es auf jeden Fall weiter empfehlen... Ich tu mich immer sehr schwer damit, so etwas auf einer Skala einzuordnen, weil man Bücher so einfach nicht vergleichen kann.
    Also an The Hours kommt es nicht an, aber das hat die Latte auch wirklich seeeehr hoch gesetzt. Aber trotzdem lohnt es sich, wirklich, und obwohl die ersten hundert Seiten sich vielleicht ein bisschen ziehen, gehen sie doch recht schnell rum, weil Cunningham ja sprachlich sehr... leserfreundlich ist.

  • Hallo Textravaganzen,


    vielleicht kannst du dir vor deiner nächsten Rezension noch einmal diesen Thread anschauen, mit Tipps dazu, wie man eine Rezension erstellen sollte:


    Wie Buchvorstellungen aussehen sollten!


    Danke auf jeden Fall für dein e Vorstellung. Seit "Helle Tage" lasse ich ein wenig die Finger von Cunningham, aber vielleicht sollte ich ihm noch einmal eine Chance geben.

  • Vielen Dank textravaganzen für die Vorstellung des Buches. :wave


    Ich habe "In die Nacht hinein" sehr gerne gelesen und sehe in dem Buch einen Großstadtroman, Kunstroman, Eheroman und schließlich geht es um das Finden der eigenen Identität.
    Das macht Cunningham gut und mit einem genauen Blick auf das was ist und möglicherweise sein könnte.
    Er liefert Denkanstöße, unterhält auf sehr intelligente Art und Weise und macht einen neugierig.


    10 Punkte

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Ich habe "In die Nacht hinein" sehr gerne gelesen und sehe in dem Buch einen Großstadtroman, Kunstroman, Eheroman und schließlich geht es um das Finden der eigenen Identität.
    Das macht Cunningham gut und mit einem genauen Blick auf das was ist und möglicherweise sein könnte.
    Er liefert Denkanstöße, unterhält auf sehr intelligente Art und Weise und macht einen neugierig.


    10 Punkte


    Jetzt machst du mich doch wieder schwach, FrauWilli! :wave
    Ich werde einfach versuchen, es mir mal aus der Bibliothek auszuleihen. Das Hardcover ist mir dann doch zu teuer.