"Immer wieder dieses Geschwätz über Kontaktarmut! Man muß nur wollen, dann gelingt es einem schon irgendwie, sich anderen Menschen mitzuteilen."
In „Eine gebrochene Frau“ gibt Simone de Beauvoir drei Frauen den Raum, sich ihrem Willen gemäß mitzuteilen. Sie sind klug und empfindsam und haben ihr Leben scheinbar fest im Griff – bis zu dem Moment, in dem ein unerwartetes Ereignis alles auf den Kopf stellt.
An diesem Punkt gerät die sorgsam gehegte Ordnung aus den Fugen: Die Beziehungen bekommen Risse, Fremd- und Selbstbild stimmen nicht mehr überein und die Kommunikation, die doch so einfach sein könnte, gerät ins Stocken. Jedes gesprochene Wort ist auf einmal so gewichtig und scheinbar doppeldeutig, dass Missverständnisse vorprogrammiert sind. In dem verzweifelten Versuch, sich aus dieser Verstrickung zu befreien, strampeln sich die Frauen immer tiefer in einen Sumpf aus emotionalem Schmerz, Frustration und Zweifeln.
Das Problem, sich nicht eindeutig mitteilen zu können, und die Position der Frau innerhalb verschiedenster Beziehungen beleuchtet de Beauvoir auf unterschiedliche Weise, indem sie eine Erzählung, einen Monolog und Tagebuchaufzeichnungen in ihrem Buch zusammenführt. Die Erziehung der Kinder spielt in allen drei Fragmenten eine besondere Rolle, ebenso die Bedeutung der Liebe und das Gefühl, betrogen worden zu sein.
Während sich die Erzählung und die Tagebucheinträge sehr angenehm lesen, empfand ich den Monolog aufgrund fehlender Satzzeichen äußerst mühsam und wirr. Zwar passt dieses Stilmittel hervorragend zu der aufgebrachten Gemütslage der sich darin mitteilenden Frau, doch im Ganzen ist der ungebremste Schreibfluss in Kombination mit den kleingedruckten Buchstaben nicht sehr leserfreundlich.
Rein inhaltlich konnten mich jedoch alle drei Teile überzeugen. Es ist erstaunlich wie greifbar die Emotionen werden, sodass sich auf meinem Gesicht während des Lesens ein wahres Wechselspiel der Mimik gezeigt haben muss: Zunächst vollkommen entspannt und ausgeglichen wanderten die Mundwinkel im Laufe der Handlung zögerlich nach unten, um sich dann voller Empörung zu verziehen. Die Stirn kräuselte sich, die Augenbrauen zogen sich mal sorgenvoll, mal wütend zusammen und es fehlte nicht mehr viel, bis mir auf den letzten Seiten ein aufgebrachtes „Schluss damit!“ rausgerutscht wäre. Nicht, weil mir das Erzählte nicht gefallen hat, sondern weil ich mit der Protagonistin mitgelitten habe und sie wegen ihres Verhaltens am liebsten geschüttelt hätte.
Jene letzte Frau konnte mich am meisten für sich einnehmen, obgleich mich auch die beiden anderen dazu angeregt haben, nachzudenken.
Wie sehen mich die anderen? Wie sehe ich mich selbst? Und wie lassen sich die beiden Bilder zusammenfügen? Was bedeutet für mich „ein glückliches Leben“? Und wie weit würde ich gehen, um dieses Glück zu finden und vor allen Dingen auch zu erhalten?
Diese Reaktion auf de Beauvoirs Bücher kenne ich bereits und ich staune immer wieder, mit welcher Leichtigkeit sie die Gedankengänge in meinem Kopf in Bewegung setzt. Das Geschriebene liest sich angenehm locker, ohne dabei an der Oberfläche zu schwimmen und ich habe „Eine gebrochene Frau“ trotz Miniaturschrift an einem Tag weggelesen.
Inhaltlich dreht es sich meiner Auffassung nach diesmal weniger um Politik und nur hintergründig um Philosophie. Im Vordergrund stehen große Emotionen, die so einnehmend geschildert werden, dass man bzw. frau sie förmlich mitempfinden kann. Ein Umstand, den de Beauvoir mit diesem Buch bewirken wollte:
"Ich habe in diesem Buch drei Frauen sprechen lassen, die sich aus ausweglosen Situationen mit Worten zu befreien versuchten: Diese Geschichten haben keine Moral; Lektionen werden nicht erteilt; ich wollte etwas ganz anderes. Man lebt nur ein Leben, aber durch intensives Mit-Erleben, Nach-Erleben gelingt es einem manchmal, in die Haut eines anderen zu schlüpfen. Ich wollte meine Leser an den Erfahrungen teilnehmen lassen, die ich auf diese Weise gemacht habe. Ich fühle mich mit allen Frauen verbunden, die ihr Leben auf sich nehmen und für ein glückliches Leben kämpfen."