Verlag: Nagel & Kimche
Gebundene Ausgabe: 264 Seiten
2011 erschienen
OT: Il nipote del Negus
Übersetzt aus dem Italienischen von Sigrid Vagt
Kurzbeschreibung:
Eine wahre Begebenheit, die die tragische Lächerlichkeit des Faschismus offenbart - davon erzählt Camilleris ungemein komischer Roman. 1929 reist der Neffe des äthiopischen Kaisers Negus nach Vigàta in Sizilien, um zu studieren. Zur gleichen Zeit plant Mussolini eifrig die Expansion seiner Kolonien in Afrika. Der Kaiserneffe scheint ihm ein idealer Fürsprecher für seine Pläne und für die Pracht des faschistischen Italien, und er befiehlt trotz leerer Kassen die finanzielle Unterstützung des hohen Gastes. Jedoch wartet der Duce vergeblich und vor Wut schäumend auf ein Zeichen des Neffen. Camilleris Buch einer "authentischen Dummheit" ist voller Humor und ein herrliches Spiel aus Realität und Fiktion.
Über den Autor:
Andrea Camilleri, geboren 1925 in Porto Empedocle (Sizilien) ist Drehbuchautor, Theater- und Filmregisseur und Schriftsteller. Seine erfolgreichste Romanfigur ist der sizilianische Commissario Montalbano, den er nach dem spanischen Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán benannte. Auflagen seiner Romane von zwölf Millionen allein in Italien, Verfilmungen und Übersetzungen in über 20 Sprachen machten Camilleri international bekannt. Über vier Millionen seiner Bücher wurden in deutscher Übersetzung verkauft. Andrea Camilleri lebt in Rom.
Meine Meinung:
Wer hätte gedacht, dass es Spaß machen kann, Akten zu lesen. Neben 3 (fiktiven) Akten mit reichlich Protokollen, Befehlsnotizen, Telegrammen, Briefen, sogar Zeitungsartikeln (alle ordentlich datiert und nummeriert) gibt es aber auch noch Gesprächsausschnitte.
Thema ist immer die Ankunft eines schwarzen Prinzen aus Äthiopien, der im faschistischen Italien 1929 die königliche Bergbauschule besuchen soll. Auf Befehl des Duce wird aus Gründen der Außenpolitik daraus eine Staatsangelegenheit. Das Außenministerium übernimmt dafür sogar die Kosten.
Es kommt im Folgenden zu oben erwähnten Gesprächen, bei der eine Vielfalt unterschiedlicher Stimmen zum tragen kommen.
Von Anfang an entlarven sich die ganzen Minister, Präfekten, Kommissare, Priester, Rektoren und wer nicht noch alles verwickelt wird, als Kleingeister. Intrigen und Affären kommen reichlich vor, das ist unterhaltsam und witzig zu lesen. Aber: Man wird den Verdacht nicht los, Andrea Camilleri schreibt hier nicht unbedingt über das Italien Mussolinis sondern es handelt sich gleichermaßen um einen spöttischen und entlarvenden Text über die heutige, italienische Gesellschaft unter Berlusconi.
Als der Prinz auftaucht, zeigt er sich als Schwarzer unter den Faschisten selbstbewusst und nicht wenig intrigant. Er zieht geschickt Fäden, um seinen Plan aufgehen zu lassen. Was für eine spannende Hauptfigur, die allerdings nicht einmal als handelnde Person gezeigt wird sondern immer nur aus der Perspektive der anderen. Er erinnert mich in seiner vorgeblichen Harmlosigkeit bei gleichzeitig offensichtlicher Schläue bei all den Machtspielchen an Niccolo von Dorothy Dunnett. Diese Elemente lassen den Roman, der eigentlich kein Krimi ist, für Camilleri-Krimifans vielleicht doch wieder interessant werden.