Bascha Mika - Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität

  • Titel: Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität
    Autorin: Bascha Mika
    Verlag: C. Bertelsmann
    Erschienen: Februar 2011
    Seitenzahl: 256
    ISBN-10: 3570100707
    ISBN-13: 978-3570100707
    Preis: 14.99 EUR


    Bascha Mika wurde 1954 in Polen geboren. Nach einer Banklehre studierte sie Germanistik, Philosophie und Ethnologie. Elf Jahre war sie Chefredakteurin der taz und gab dieser alternativen deutschen Tageszeitung ein ganz eigenes, unverwechselbares Gesicht.


    „Die Feigheit der Frauen“ ist ein interessantes, ein sehr lesenswertes Buch. Es ist ein Buch was nicht unbedingt etwas Neues bringt, aber es ist ein Buch mit einer sehr eigenen, einer ganz speziellen Sichtweise. Bascha Mika schreibt sachlich, ist aber trotzdem bereit auch Stellung zu beziehen – dabei wird sie aber nie polemisch oder vertritt populistische Positionen. Auch bei diesem Buch merkt die Leserin bzw. der Leser ganz genau, dass die Autorin wirklich zuhören kann und das sie das Gehörte zwar mit eigenen Worten wiedergibt es aber nicht verändert oder verfälscht.


    Bascha Mika unterscheidet sich so wohltuend von dieser unsäglichen „Ich-beiß-immer-in-eine Zitrone-damit-ich-ganz-verbissen-und-verkniffen-aussehe“ Alice Schwartzer, diesem in der Zeit stehengebliebenen Fossil der Emanzokratie. Bascha Mika will etwas für die Frauen erreichen, sie will etwas bewegen – dabei schont sie die Frauen aber nicht, ganz im Gegenteil. Sie macht deutlich und belegt es auch, dass die Frauen oftmals nicht in ihre vermeintliche Opferrolle getrieben werden, sondern dass die Frauen sehr oft diesen Weg völlig freiwillig einschlagen. Und sie schreibt den Frauen auch ins Stammbuch, dass man nichts dadurch ändert indem man auf irgendetwas wartet, sondern das Veränderungen in erster Linie der Eigeninitiative entspringen müssen und das ein übertriebenes Versorgungsdenken eben dazu führt, die eigene Persönlichkeit zu unterdrücken und in Geiselhaft zu nehmen.


    In diesem Zusammenhang ein Zitat aus diesem Buch:
    „Sie haben Besseres vor, als irgendwelchen Rollenklischees zu genügen. Soweit der Selbstentwurf. Doch dann stolpern diese Frauen trotzdem massenhaft in die Abhängigkeit und übernehmen traditionelle Rollen.“


    Sehr kritisch geht die Autorin mit der „Mutterrolle“ der Frauen ins Gericht. Sie ist der Ansicht und stellt es auch sehr pointiert dar, dass Muttersein eben nicht die Aufgabe des eigenen Ichs bedeutet bzw. bedeuten muss. Frauen haben es in erster Linie ganz allein in der Hand ein selbstbestimmtes Leben zu führen, Kinder müssen da kein Hindernis sein. Und es ist eben auch nicht die unbedingte Bestimmung der Frau unter allen Umständen Mutter und Ehefrau zu sein.


    Dieses Buch ist so wohltuend frei von jeglicher Polemik. Es ist sachlich, es ist als Diskussionsgrundlage wunderbar geeignet und es enthält Thesen und Darstellungen die es wirklich wert sind, dass man über sie nachdenkt und spricht. Bascha Mika gehört nicht zu dieser schlimmen Fraktion der Frauenhorden die sich unter dem Schlachtruf versammelt haben „Alle Männer sind schlecht!“ – Bascha Mika sieht in Frauen und Männer eben keine natürlichen Gegner, sondern sie redet einer gleichberechtigten Partnerschaft zwischen den Geschlechtern das Wort.


    Bascha Mika ist eine Frau die wirklich etwas zu sagen hat – und mit diesem Buch lässt sie uns an ihren Gedanken, An- und Einsichten teilhaben. Bascha Mika ist zudem eine Frau, die sich immer selbst treu geblieben ist, die so handelt wie sie redet.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hui, das ging aber schnell! :wow
    Hört sich sehr interessant an, für besonders wegen diesem Satz:


    Zitat

    Bascha Mika unterscheidet sich so wohltuend von dieser unsäglichen „Ich-beiß-immer-in-eine Zitrone-damit-ich-ganz-verbissen-und-verkniffen-aussehe“ Alice Schwartzer, diesem in der Zeit stehengebliebenen Fossil der Emanzokratie.


    :wave

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Dieses Buch ist ein hochinteressanter Beitrag zu dem, was gemeinhin unter der 'Frauenfrage' verstanden wird. Hier geht es speziell darum, warum viele ausgezeichnet ausgebildete, oft bereits auch beruflich erfolgreiche Frauen plötzlich vom Arbeitsmarkt oder zumindest aus der Öffentlichkeit verschwinden.


    Mika liefert eine Antwort zur Erklärung dieses Phänomens.
    Der Satz ist genauso gemeint, wie er formuliert wurde. Eine Antwort. Ihre Schrift ist eine Streitschrift, so steht es im Titel. Sie ist provokant, überspitzt, oft aggressiv. Mika bedient sich nur eines sehr gefälligen Stils, um ihre Attacke auf 'die' Frauen zu kaschieren. Da sie eine versierte Schreiberin ist, gelingt ihr das natürlich.
    Dennoch will sie streiten, das sagt sie, und sie wird im Aufstellen ihrer Positionen durchaus laut.


    Mika konstatiert die erschreckende Lebendigkeit der seit über zwanzig Jahren totgesagten überkommenen weiblichen Rollenmuster, die noch dazu von Frauen nur zu gern angenommen werden. Frauen als diejenigen, die sich stets zurücknehmen, leiden, hinter Männern herputzen, aufräumen, ihnen den Rücken freihalten, Kinder bekommen, aufziehen und dann auch noch für die Elterngeneration sorgen, ohne Ansprüche zu stellen oder überhaupt in irgendeiner Weise dafür entlohnt zu werden.


    Frauen, die schon als Mädchen und Teenager bereitwilligst Weibchenverhalten einüben, sich auf körperliche Attraktivität reduzieren lassen.
    Frauen, für die ein Berufsleben keine Option ist, für die ein Leben mit einem Arbeitsplatz draußen in der Welt eine ebenso unwahrscheinliche Vision ist, wie eine Reise zum Mars.
    Und die das alles noch als persönliche Freiheit sehen, ohne zu erkennen, das es ihnen anerzogen wurde.


    Mika beschreibt sie alle, mit sehr spitzer Feder. Man erkennt vieles wieder beim Lesen, mitunter auch sich selbst. Mit besonderer Lust drischt sie auf die Idealisierung der Liebe und der Mutterschaft ein.
    Die Folgen malt sie düster aus. Sie hat hochkarätige Partnerrinnen bei ihrer Frauenschelte, Lore Peschel-Gutzeit, etwa, früher Justizsenatorin von Hamburg, Eva Jaeggi, österreichische Psychologin oder Christiane Nüsslein-Volhard, Physikerin, Nobelpreisträgerin.
    Diese Frauen werden immer wieder zitiert, wenn es darum geht, das Scheitern dieser liebessüchtigen vor sich hin träumenden Frauen zu zeigen, die sich im kuschligen Privaten verstecken. Da gibt es vieles, das eine beim Lesen erschrecken läßt.


    Mikas Lösung: Frauen müssen mutiger werden, für sich handeln, sich nicht einlullen lassen. Es ist ein Appell an den persönlichen Widerstand.
    Die Macht der Einzelnen.
    Schließlich haben Frauen die Wahl. Sie entscheiden sich bloß immer falsch.


    Das klingt alles sehr schön und kämpferisch, und wunderbar unpolitisch. Allein geht gar nichts. Bis ein Hauruck durch jede Einzelne gegangen ist, werden noch Äonen vergehen, ehe sich etwas ändert.
    Es gibt also keinen Grund, sich wegen der streitbaren Thesen zu ängstigen.


    Das zugrundeliegende Datenmaterial ist nicht uninterssant, reicht aber keineswegs. Tatsächlich ist nicht klar, für welche Gruppe von Frauen denn nun was gilt. Die mahnenden Emanzipierten, die Anwältin, Nobelpreisträgerin, die Psychologinnen sprechen eher von Frauen der oberen Mittelschicht, die Statistiken in den Anmerkungen beziehen sich eher auf arbeitende Frauen überhaupt. Man muß beim Lesen sehr aufpassen, was womit belegt wird.


    Strukturelle und individuelle Veränderungen müssen Hand in Hand gehen, wenn sich etwas ändern soll, aber das ist sehr komplex. Es ist weit einfacher, über Muttis aus dem Berliner Bezirk Prenzlauer Berg herzuziehen, kleine Mädchen auszlachen, die einen Rosa-Tick haben oder entsetzt-mitleidig auf die Geschöpfe herabzusehen, die sich bei GNTM vorführen lassen.
    In Zeiten einer akuten Verknappung von Arbeit ist auch nicht ganz ersichtlich, wo sich die mutig gewordenen Frauen denn nun den Wind der harten Außenwelt um die Nase wehen lassen sollen. Nicht selten handelt es sich bei dem wohl eher um den Lufthauch, den der Absagebrief beim Einwurf in den Briefkasten verursacht.
    Die Lage ist nicht ganz so einfach, wie Mika es darstellt. Aber für eine gutbürgerliche Journalistin ist die private Lösung natürlich die erste und auch allen anderen vorzuziehen.
    Warten also brav weiter, bis es sich ausgeruckt hat.


    Fazit:


    auf jeden Fall interessante, ausgezeichnete Diskussiongrundlage, erhellend und blind machend gleichermaßen. Oft witzig, polemisch, manchmal auch nur um des Witzes und der Polemik willen.
    Kann zu kleineren Aha-Erlebnissen führen, daher sei es vor allem jüngeren Frauen empfohlen, die eben dabei sind, ihr Leben der wahren Liebe wegen umzukrempeln und vergessen, wie lange ein Leben dauern kann und wie oft sich etwas ändert.


    Ich habe die TB-Ausgabe, sie hat ein Vorwort, in dem Mika einiges über die Rezeption der ersten Ausgabe letztes Jahr berichtet. Das ist ein schöner Mehrwert bei der Tb-Ausgabe.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Als Hörbuch ist das Ganze aber problematisch.
    Erstens ist es gekürzt lt. Verlagsseite und zweitens gehören die Nachweise und Belegstellen dazu.
    Ohne sie ist das am ehesten ein witzig-provokanter Text ohne weitere Bedeutung. Eine Frau mosert über Frauen.


    Oder liegen Belegstellen samt Literaturliste bei?




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus